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Die Rebellen Zentralasiens

8. April 2010

In der kleinen Republik gärt es schon lange. Das Land ist verarmt, unter Präsident Bakijew blühte vor allem die Korruption. Nun hat sich der Unmut über Armut und Korruption Bahn gebrochen.

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Demonstranten vor dem Regierungssitz in Bischkek (Foto: AP)
Demonstranten vor dem Regierungssitz in BischkekBild: AP

Zum zweiten Mal in fünf Jahren haben die Kirgisen ihre Regierung gestürzt. Bereits vor fünf Jahren wurde der damalige Präsident Askar Akajew in der so genannten Tulpenrevolution aus dem Amt gejagt, nun vertrieben die Kirgisen dessen Nachfolger Kurmanbek Bakijew aus seinem Amtssitz, dem Weißen Haus. In Zentralasien ist das Land damit eine Ausnahme. Die meisten Nachbarländer haben seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion noch keinen Machtwechsel erlebt. Die Opposition hat nun eine Übergangsregierung gebildet, doch bis die Lage sich ganz beruhigt hat, könnte es noch einige Tage dauern. "Auch wenn der Präsident geflohen ist, hat er doch noch genügend Anhänger im Süden des Landes und auch hier in der Stadt, die durchaus versuchen könnten, die Übergangsregierung wieder aus dem Amt zu werfen“, sagt Jens Siebert, der für das deutsche Zentrum für Migration und Entwicklung, CIM, in Bischkek tätig ist.

Spaltung in Nord und Süd

Kirgisistan nach den Unruhen
Ausgebranntes Gebäude in Bischkek nach den UnruhenBild: DW

Kirgisistan ist traditionell in einen Nordteil und einen Südteil getrennt. Der Norden, sowjetischer geprägt und teilweise russischsprachig, ist etwas wohlhabender als der Süden. Dort leben die Menschen traditioneller. Insgesamt ist das Land eines der ärmsten der Welt. Es gibt keine nennenswerten Bodenschätze, der größte Teil Kirgisistans liegt im Hochgebirge und ist schwer zugänglich. Die wirtschaftliche Entwicklung, die Bakijew 2005 versprochen hatte, kam nie. Anfang des Jahres erhöhte die Regierung schließlich die Strom- und Gaspreise massiv. Bettina Ruiges arbeitet auch für das CIM. In der Provinzstadt Talas hilft sie beim Aufbau eines Bürgerradios. Seit Februar hat sie beobachtet, dass der Unmut wächst. "Damals kamen die ersten Rechnungen rein, und die Leute waren schockiert. Die Regierung hat dann mit Gegendruck reagiert. Es wurde verboten, bestimmte Nachrichtensendungen auszustrahlen. Die Medien waren viel eingeschüchterter als vorher."

Kirgistan Kirgisien Flagge in Bischkek
Ein Demonstrant hüllt sich in die NationalflaggeBild: AP

Unzufrieden sind die Kirgisen schon lange und auch regelmäßige Demonstrationen sind in der kleinen Republik - anders als in den Nachbarländern – keine Seltenheit. Immer wieder hatte Präsident Bakijew unnachgiebig auf solche Proteste reagiert. Kirgisistan galt einst als die liberalste der zentralasiatischen Republiken. Bakijew schränkte die politische Freiheit immer stärker ein. Im vergangenen Jahr wurde er wiedergewählt, Beobachter berichteten von massiven Wahlfälschungen. Nun hat er wohl den Unmut des Volkes unterschätzt, glaubt die Zenralasien-Expertin Beate Eschment: "Seit der Präsident im vergangenen Jahr wiedergewählt worden ist, hat er seine Familie in einen solchen Ausgangspunkt von Bereicherung und Machtkontrolle gebracht, das übersteigt jedes Maß."

Bündnis auf Zeit

Karte Kirgisistan
Kirgisistan liegt am Rand der ehemaligen Sowjetunion.Bild: DW

Unter den Politikern der Übergangsregierung, die nun die Macht übernommen haben, sind viele ehemalige Tulpenrevolutionäre, die sich von Bakijew abgewandt haben. Sie haben schon lange den Regierungsstil des Präsidenten kritisiert, konnten aber in den vergangenen Jahren kaum von der Unzufriedenheit profitieren. Insgesamt sei die Opposition bei der Bevölkerung nicht populär, glaubt Eschment: „Es ist im Moment nur ein Bündnis auf Zeit, dass die Opposition und die unzufriedene Bevölkerung gemeinsam gegen den Präsidenten vorgehen.“ Die neuen Machthaber in Kirgisistan dürften jedenfalls vor dem Volkszorn der Kirgisen gewarnt sein. Die neue Regierungschefin Rosa Otunbajewa kündigte an, in etwa einem halben Jahr erneut wählen zu lassen. Bis dahin soll wieder Ruhe einkehren und eine neue, demokratischere Verfassung verabschiedet werden.

Autor: Mathias Bölinger
Redaktion: Silke Ballweg