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Chinas Notenbank unter Handlungsdruck

Rolf Wenkel Kommentarbild App
Rolf Wenkel
12. August 2015

Chinas Notenbank hat mehrfach in Folge die Landeswährung abgewertet. Was aussieht wie eine hektische Reaktion auf schwache Wirtschaftsdaten, hat einen eher langfristigen Hintergrund, meint Rolf Wenkel.

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Chinesische Zentralbank Hauptsitz Peking 2014
Bild: Reuters/Petar Kujundzic

Chinas Währungspolitik gibt momentan viele Rätsel auf. Die People's Bank of China hat die Landeswährung Renminbi, im Westen vor allem unter der Zähleinheit Yuan bekannt, seit Jahren an den Dollar gebunden. Täglich hat sie einen Referenzkurs festgelegt und nur Handelsschwankungen von zwei Prozent nach oben und nach unten zugelassen. Nun aber hat sie mehrmals hintereinander die Landeswährung auf Talfahrt geschickt: Am Dienstag wertete sie den Yuan um knapp zwei Prozent ab und versprach gleichzeitig, künftig den Märkten größeren Einfluss auf den Wechselkurs einzuräumen. Was sie aber nicht davon abhielt, am Mittwoch erneut zu intervenieren und den Yuan noch einmal um 1,6 Prozent abzuwerten. Und tags drauf ging es noch weiter runter.

Sind die Währungshüter in Peking schizophren? Auf der einen Seite versprechen sie, ihre Währung langfristig von der Dollarbindung zu befreien. Und das nicht etwa, weil amerikanische Finanzminister, egal wie sie heißen, seit Jahren monieren, China halte seine Währung künstlich schwach, um sich Exportvorteile zu verschaffen. Tatsächlich strebt Peking für den Yuan den Status einer Weltreservewährung an. Und Peking weiß genau, dass der Internationale Währungsfonds den Yuan nur in den vornehmen Club von Euro, Dollar, Yen und Pfund aufnimmt, wenn er frei handelbar ist.

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Rolf Wenkel, DW-Wirtschaftsredaktion

Alte Verhaltensmuster?

Wozu dann also diese dirigistischen Eingriffe? Man könnte fast den Verdacht bekommen, Peking kehre zu alten Verhaltensmustern zurück: Ein unterbewerteter Yuan macht die Exporte Chinas auf dem Weltmarkt billiger, und der Export sichert in China immer noch Millionen und Abermillionen Arbeitsplätze. Dass die Regierung diese Jobs nicht zur Disposition stellen will, obwohl sie langfristig die Abkehr von der einseitigen Exportabhängigkeit der Wirtschaft anstrebt, ist nur zu verständlich.

Vielleicht aber liegt der Schlüssel zum Verständnis der chinesischen Kapriolen in der Methode, die Pekings Volksbanker künftig zur Berechnung des Referenzkurses anwenden wollen. Der soll nämlich nicht mehr allein von der Zentralbank festgelegt werden, sondern er soll sich jeweils am Schlusskurs des Vortages orientieren.

Aufwertung unvermeidlich

Unterstellt man, dass die chinesischen Volksbanker mit dieser Ankündigung ernst machen und weiterhin einen Handelskorridor von plus/minus zwei Prozent zulassen, kann es durchaus passieren, dass der Yuan pro Handelstag um bis zu zwei Prozent aufwertet. Dann wäre der Effekt, dass die Zentralbank den Yuan innerhalb von zwei Tagen auf den tiefsten Stand seit vier Jahren geprügelt hat, schnell verflogen, und der Aufwertungsdruck würde weiter anhalten.

So etwas kann sich Peking eigentlich nur leisten, wenn es sicher ist, dass die amerikanische Notenbank mit ihren Plänen ernst macht, ab dem Herbst die Leitzinsen allmählich hochzufahren. Das macht Geldanlagen in den USA attraktiver, wird Kapital aus den Schwellenländern abziehen und den Dollar aufwerten. Wenn Dollar und Yuan gleichzeitig aufwerten, passiert im beiderseitigen Wechselkursverhältnis wenig, und die Kollateralschäden für die chinesische Exportindustrie bleiben im Rahmen.

Peking bestimmt den Zeitpunkt

Bislang hat China mit dirigistischen Mitteln versucht, eine Aufwertung des Yuan zu verhindern. Dabei will das Land durchaus nicht der Sündenbock für globale Turbulenzen sein -­ es hat bislang die Zeit nur noch nicht für reif gehalten. Alle staatlichen Programme in China dienen nur einem Ziel: Den schnellen Aufbau einer großen, kaufkräftigen Mittelschicht, die Stärkung der Binnennachfrage, die Umstellung auf innovative, hochwertige Produkte und Maschinen, um eines Tages nicht mehr ausschließlich vom Export billiger Massenartikel abhängig zu sein.

Doch das gelingt nicht von heute auf morgen. Würde der Yuan morgen freigegeben, verlöre der Dollar gegenüber der chinesischen Währung vermutlich zwischen zehn und 40 Prozent an Wert. Und das schlagartig. Dass damit Chinas Devisenreserven entsprechend weniger wert wären, wäre noch das geringste Problem. Tausende Exportfirmen würden auf einen Schlag in den Konkurs getrieben und Millionen von Menschen arbeitslos. Das kann die Regierung in Peking nicht zulassen, wenn sie soziale Unruhen vermeiden will. China will und wird aufwerten, lässt sich aber Ausmaß und Tempo nicht diktieren - schon gar nicht von amerikanischen Finanzministern.

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