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Die neue Lust auf die alte Heimat

Alois Berger7. Oktober 2013

Die gute Lage auf dem Arbeitsmarkt lockt viele Auswanderer zurück nach Deutschland. Das macht Schlagzeilen. Aber mit einer Rückkehrerwelle hat es noch nichts zu tun.

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Umzugswagen vor US-amerikanischem Einfamilienhaus (Foto: Getty Images)
Bild: Getty Images

Als Philipp Mayer-Kuckuk nach New York auswanderte, hieß der deutsche Bundeskanzler noch Helmut Kohl, die Arbeitslosenzahl lag bei über 11 Prozent und die deutschen Hochschulen galten als Forschungswüsten. Für den jungen Biomediziner aus Bonn war das Jobangebot des renommierten Hospital for Special Surgery in New York die Chance seines Lebens. Jetzt, 15 Jahre später, kehrt Philipp Mayer-Kuckuk zurück nach Deutschland, an die Technische Universität München. Und wieder hat er große Erwartungen: "Als ich die Ausstattung der Labore gesehen habe, da wurde schon klar, dass wir New York nicht mehr nachstehen."

Philipp Mayer-Kuckuk ist einer von rund 120.000 Deutschen, die vor Jahren ausgewandert sind und in diesem Jahr nach Deutschland zurückkehren. Seit 2008 nimmt die Zahl der Auswanderer aus der Bundesrepublik Jahr für Jahr leicht ab, derzeit liegt sie bei etwa 130.000, während gleichzeitig jedes Jahr mehr Menschen nach Deutschland zurückkommen. Viele Zeitungen sprechen bereits von einer Trendwende, preisen die wiedergefundene Attraktivität des deutschen Arbeitsmarktes und feiern das neue deutsche Heimatgefühl.

Familie Mayer-Kuckuk, deutsche Rückkehrer nach Auswanderung (Foto: privat)
Rückkehr nach 15 Jahren: Philipp Mayer-Kuckuk mit Frau und KindBild: privat

Kein "Auf Nimmerwiedersehen"

Thomas Liebig, Migrationsexperte bei der OECD, kennt viele solcher Artikel. Er wird darin gerne als Kronzeuge zitiert - und gerne etwas missverstanden, wie er sagt: "Es wandern derzeit in der Tat weniger Leute aus als früher, aber bei der Rückwanderung sehen wir keinen sehr starken Trend." Auch Sabine Jung von der German Scholars Organization, die deutsche Akademiker im Ausland betreut und ihnen bei der Rückkehr hilft, hält die These von der Heimkehrerwelle für grob überzeichnet: "Aus Sicht der German Scholars Organization weisen die Zahlen nicht auf eine Trendwende hin, nach wie vor gibt es deutlich mehr Auswanderer als Rückkehrer."

Thomas Liebig und Sabine Jung vermuten hinter den Berichten von der massenhaften Heimkehr vor allem ein veraltetes Bild von Auswanderung. Zwar gebe es nach wie vor Menschen, die aus Abenteuerlust oder wegen wirtschaftlicher Sorgen die Koffer für immer packten, aber das sei eine verschwindende Minderheit. "Wir haben heute keine Abwanderungswellen mehr, wie das in Kriegen oder Hungersnöten der Fall war," meint auch Monika Wilhelm vom Bayerischen Wirtschaftsministerium. Deshalb gebe es auch keine Rückwanderungswellen: "Was wir heute haben, ist eine Brain-Zirkulation, also hochqualifizierte Personen, die das Land verlassen, eine Zeitlang woanders leben, dann vielleicht in ein anderes Land weiterziehen und irgendwann zurückkehren."

Thomas Liebig, Mitautor der OECD-Studie "Jobs for Immigrants - Labour Market Integration in Australia, Denmark, Germany and Sweden" (Foto: dpa)
"Veraltete Bilder": Migrationsexperte Thomas Liebig (OECD)Bild: picture-alliance/dpa

Der Beruf allein zieht niemanden heim

"Return to Bavaria" heißt das Programm, das Monika Wilhelm im Bayerischen Wirtschaftsministerium verantwortet, und das bestens ausgebildete und auslandserfahrene Akademiker nach Bayern locken soll. Leute wie den Biomediziner Philipp Mayer-Kuckuk und den promovierten Ingenieur Maximilian Emans, der 2003 zu einem Autozulieferer nach Österreich gegangen war. "Damals habe ich in Deutschland wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage mit meinen Bewerbungen keinen Erfolg gehabt", erzählt Emans, "das Arbeitsamt hatte mir sogar den Umzug nach Österreich bezahlt." Knapp zehn Jahre später ist Emans in Deutschland ein gefragter Mann. "Return to Bavaria" hat ihn für die Firma Südsalz in Bad Reichenhall zurückgeholt.

Für Maximilian Emans gab es viele Gründe, nach Deutschland zurückzukehren. Sein kleines Kind, das in Deutschland zur Schule gehen soll, seine Verwandtschaft, die er wieder öfter sehen will, seine Freunde. "Nur wegen des Berufs wandert niemand mehr aus," meint auch Monika Wilhelm von "Return to Bavaria", "und nur wegen des Berufs kommt auch niemand mehr zurück."

Familie Emans am Wohnzimmertisch (Foto: privat)
Zurück wegen der Familie: Maximilian EmansBild: privat

Auswandern ins Nachbarland

Die meisten Menschen gingen heute von vorneherein auf Zeit in Ausland, sagt der Migrationsexperte Thomas Liebig von der OECD. "Bis zu 50 Prozent der Migranten kehren innerhalb von fünf Jahren zurück." Die meisten werden von ihren deutschen Arbeitgebern geschickt. Je reicher und entwickelter die Zielländer, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass es sich nur um eine Durchgangsstation handele, so Liebig. Ein Viertel der zur Zeit Ausgewanderten ziehe es ohnehin nur nach Österreich und in die Schweiz: "Aus diesen Ländern, die Deutschland sehr ähnlich sind, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die Menschen nach Deutschland zurückkehren."

Für den Biomediziner Philipp Mayer-Kuckuk ist die Heimkehr nach Deutschland auch kein Schritt zurück, sondern eher ein Schritt nach vorn auf der Karriereleiter. "Ich war immer offen, nach Deutschland zurückzukehren und finde das ganz spannend", meint er. Dass er gerade jetzt von New York nach München wechsle, habe private wie berufliche Gründe: Seine kleine Tochter komme bald in die Schule, seine amerikanische Frau habe in Deutschland einen Job gefunden, vor allem aber werde der Job in den USA zunehmend schwieriger: "Die Amerikaner leiden seit einigen Jahren an akutem Geldmangel, das Tagesgeschäft wird immer schwieriger, weil es viel zu wenig Mittel für die Forschung gibt."

Die Heimat verklärt

Die gute wirtschaftliche Situation in Deutschland ist für viele ein Argument, jetzt nach Deutschland zurückzukommen. Doch auch hier ist nicht alles Gold: "Wenn man von außen auf die alte Heimat schaut, dann verklärt man doch einiges", stöhnt der Österreich-Heimkehrer Maximilian Emans, "und das kommt jetzt nach und nach raus, dass die Dinge doch nicht so schön sind, wie sie von außen aussehen."

Baby im Umzugskarton (Foto: privat)
Mit dem Nachwuchs wächst der Wunsch nach HeimatBild: privat

Auch Philipp Mayer-Kuckuk hat seine ersten Erfahrungen hinter sich. Die Deutschen klagten doch sehr viel, meint er, "das Glas ist hier immer halbleer, in Amerika ist es immer halbvoll." Aber er ist nach wie vor neugierig auf die alte und neue Heimat. Nur sich festlegen, das will weder er, noch seine amerikanische Frau: "Wir gehören zu den Familien, die sich zwischen den Kontinenten bewegen, je nachdem, wo die Chancen besser sind und wo die Lebensqualität höher ist", analysiert der Biomediziner, "wenn die USA oder ein anderes englischsprachiges Land bessere Möglichkeiten bieten, dann brechen wir wieder auf, ganz klar."