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Die Integrationshelfer

Das Interview führt Birgit Adolf24. November 2006

Welche Rolle spielen die Medien bei den Themen Integration und Migration? Auf der Europäischen Medienkonferenz sprach DW-WORLD darüber mit Mogens Schmidt, Medienexperte der UNESCO.

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Mogens Schmidt
Mogens SchmidtBild: UNESCO

DW-WORLD: Auf der Konferenz am 23./24. November 2006 in Essen kamen Programm-Macher, Wissenschaftler und Politiker aus ganz Europa zusammen, um über eine angemessene Berichterstattung zum Thema Einwanderung zu diskutieren. Was sagt die UNESCO dazu?

Mogens Schmidt: Die Medien haben drei Rollen, ob sie es wollen oder nicht: Sie sind die Beobachter dessen, was in der Gesellschaft passiert, sie erzählen die Geschichten darüber, was in der Gesellschaft passiert und dadurch sind sie auch Teil dieses ganzen Prozesses der Migration und Integration. Die Medien können dazu beitragen, dass sich die Menschen in den Ländern, in denen sie sich niederlassen wollen oder in denen sie Arbeit wollen, willkommen und heimisch fühlen. Das Entscheidende ist, dass die professionellen Medienmacher, die Journalisten, sich die Zeit nehmen, den Hintergrund dieser Menschen kennen zu lernen und angemessen darüber zu berichten. Das geht nicht innerhalb weniger Minuten und anhand der üblichen drei Fragen. Dies ist die Art der Berichterstattung, die meist zu Stereotypen und den Bestätigung von Vorurteilen führt.

Die Medien sind also mehr als reine Vermittler von Tatsachen?

Die Medien sind heute in der Position, dass sie mehr sind als neutrale Vermittler oder Informationsfilter, was sowohl positive wie auch negative Konsequenzen hat. Es gibt dieses alte Ideal, dass der Journalist ein neutraler, leidenschaftsloser Beobachter und Vermittler von Tatsachen ist, und ich persönlich mag diese Auffassung sehr. Aber so funktioniert es nicht. Medien sind ja nicht nur klassische journalistische Formate wie Nachrichten. Medien sind zugleich Bildungsformate, Unterhaltungsformate, Features - einfach alle Arten von Programmen. Und daher muss auch das Thema Migration in allen Formaten behandelt werden, insbesondere in den öffentlich-rechtlichen Sendern. Denn diese haben einen Programmauftrag, der sie in den Dienst der Öffentlichkeit stellt. Und dieser Dienst bezieht sich auf die gesamte Bevölkerung eines Landes, einschließlich der Migranten.

Inwieweit sind die Medien für die öffentliche Meinung verantwortlich?

Die Medien sind nicht verantwortlich für die öffentliche Meinung oder den öffentlichen Diskurs. Aber sie sind dafür verantwortlich, zu integrieren und alle einzuschließen. Sie müssen sicherstellen, dass keine einzige Gruppe der Gesellschaft übergangen oder vergessen wird. Das ist auch der Grund weshalb ich der Meinung bin, die öffentlich-rechtlichen Sender sollten einer Art von Rechenschaftspflicht für die kulturelle Vielfalt ihrer Berichterstattung unterliegen. So könnte man am Ende eines Jahres überprüfen, ob die Sender ihrem Programmauftrag auch wirklich nachgekommen sind.

Der Westdeutsche Rundfunk hat im Rahmen der Konferenz eine Studie vorgestellt, die besagt, dass Integration im Wesentlich über Identifikation läuft. Die Konsequenz daraus ist, mehr Menschen mit Migrationshintergrund als Akteure in Programm zu holen.

In dieser Hinsicht sollte auf jeden Fall mehr passieren. So sollte es zum Beispiel in Deutschland mehr Journalisten geben, die keinen traditionellen deutschen Hintergrund haben. Wie wir hier auf der Konferenz gehört haben, ist es leider so, dass selbst in Großbritannien, wo es die meisten Migranten gibt, nur etwa fünf Prozent der Journalisten einen Migrationshintergrund haben. Und ich bin mir sicher, dass diese Zahl in anderen Ländern noch geringer ist. Ebenso ist es wichtig, dass die verschiedenen kulturellen Gruppen ihre eigenen Programme machen können und diese in den öffentlich-rechtlichen Sendern auch ausgestrahlt werden. Natürlich kann nicht jede einzelne Gruppe ihre eigene Talk-Show, Daily Soap oder Nachrichtensendung haben. Aber es gibt eine Menge Möglichkeiten im Radio, Fernsehen oder im Online-Bereich, wo man Leute einladen kann, vielleicht insbesondere junge Migranten, damit eine aktive Rolle spielen können innerhalb der öffentlich-rechtlichen Programme.

Hat es in den letzten fünf Jahren in Europa eine Klimaverschärfung gegeben in Bezug auf Migranten?

Auf jeden Fall. Es gibt eine Art Rückkehr zu altmodischem Nationalismus in vielen europäischen Ländern. Das kann ich von meiner eigenen Heimat Dänemark sagen, aber auch von den Niederlanden, und man kann es auch hier in Deutschland beobachten. Es ist eine der Schattenseiten der Globalisierung, diese Furcht vor dem, was aus der großen weiten Welt hereinkommt. Die Angst vor Terrorismus ist für viele Menschen in Europa zu einer Art Interpretationsfilter geworden in Bezug auf Migranten aus muslimischen Ländern. Auf jene Menschen wird mit größerer Skepsis und Angst geschaut, als wirklich nötig wäre.

Welche konkreten Maßnahmen schlagen Sie vor?

Innerhalb der öffentlich-rechtlichen Programme sollte mehr Raum geschaffen werden für kulturelle Vielfalt. Es ist wichtig für eine erfolgreiche Integration, dass die Migranten sich selber wahrnehmen und ausdrücken können innerhalb dieses Rahmens. Auch könnte man zum Beispiel über eine bessere Zusammenarbeit nachdenken zwischen den Sendern eines Landes, in das die Migranten kommen und jenen, aus denen sie kommen. Ich denke, wenn diese mehr kooperieren würden im Sinne eines Austausches von Journalisten, Redakteuren, Filmemachern und Medienschaffen, würde das viel dazu beitragen, die kulturellen Gegensätze und Konflikte, die wir zur Zeit erleben, abzumildern.