Kampf gegen Spekulanten
3. Juni 2010Etwas verkaufen, ohne es zu besitzen, oder mehr zu verkaufen, als eigentlich da ist, das gehört an den Finanzmärkten zum täglichen Geschäft. Dort handeln Spekulanten mit Aktien oder Rohstoffen, die sie gar nicht haben und wetten darauf, dass ihr Wert fällt. Denn dann können sie die Papiere, die sie nie hatten, billiger zurückkaufen. Es ist wie ein Spiel, je höher das Risiko ist, desto größer kann der Gewinn ausfallen.
"Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte"
Die Finanzmärkte haben ihre eigenen Gesetze und doch können sie sich dem staatlichen Gesetzgeber nicht so einfach entziehen. Die Bundesregierung hat nun jedenfalls beschlossen, einige Geschäftspraktiken an den deutschen Börsen zu verbieten. Das Kabinett verabschiedete ein "Gesetz zur Vorbeugung gegen missbräuchliche Wertpapier- und Derivategeschäfte".
Untersagt werden sollen damit ungedeckte Leerverkäufe von Aktien und Schuldtiteln von EU-Staaten, sowie der Handel mit bestimmten Kreditausfallversicherungen auf Schulden von EU-Mitgliedstaaten, wenn der Käufer den Schuldtitel nicht besitzt. Zudem wird die Bundessanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ermächtigt, weitere Börsengeschäfte in Krisensituationen per Anordnung zeitlich befristet zu verbieten.
Im Klartext heißt dass, dass bei Börsenturbulenzen in Zukunft sehr viel flexibler reagiert werden kann.
Bereits Mitte Mai hatte die BaFin ungedeckte Leerverkäufe von Aktien der zehn größten deutschen Finanzinstitute verboten. Davon betroffen war und ist auch der Handel mit Kreditausfallversicherungen auf Euro-Staatsanleihen. Das jetzt vom Kabinett verabschiedete Gesetz soll einen rechtlichen Rahmen für das geltende Verbot setzen und geht nun in das parlamentarische Verfahren von Bundestag und Bundesrat. Die Bundesregierung hofft, damit Marktturbulenzen bei Aktien, Staatsanleihen von Euro-Ländern oder beim Euro entgegentreten zu können.
Deutschland will Vorreiter sein
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sagte nach der Kabinettsitzung am Mittwoch (02.06.2010), die Märkte würden geradezu nach mehr Regulierung rufen, damit sie sich nicht selbst zerstören. Das geplante Gesetz löse zwar nicht alle Probleme und unterbinde nicht alle schädlichen Transaktionen. Doch diene es dem Ziel, die Finanzbranche wieder auf ihre eigentliche Aufgabe zurückzuführen, nämlich die Versorgung der realen Wirtschaft mit Krediten und Kapital.
Das allerdings wird von Kritikern in Frage gestellt, die darauf verweisen, dass der deutsche Alleingang auf den global agierenden Finanzmärkten nichts ausrichten könne. Der deutsche Finanzminister hält dem entgegen, dass die Bundesregierung mit dem nationalen Verbot vor allem auch ein Zeichen setzen will. Denn auch auf europäischer Ebene wird über ein Verbot debattiert. Aber die Verhandlungen gehen der Bundesregierung zu langsam, deshalb will sie nun Vorreiter sein. Die Regierung, so Schäuble, nehme dafür auch in Kauf, dass dem Finanzplatz Deutschland möglicherweise begrenzt Geschäftsvolumen entgehe.
Finanzmärkte sollen weiter reguliert werden
Möglicherweise hofft Schäuble auch darauf, dass der nun auf den Weg gebrachte Gesetzentwurf die internationale Regulierung der Finanzmärkte vorantreiben könnte. Die Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) wollen bei ihrem Gipfel in Kanada Ende Juli die Umsetzung international abgestimmter Regeln für mehr Aufsicht und Transparenz in allen Teilen der Finanzwelt forcieren. Doch die Verhandlungen stocken, weil die Staaten in Detailfragen gegensätzlicher Meinung sind. Bei seinem Besuch in Europa in der vergangenen Woche mahnte US-Finanzminister Timothey Geithner nun ein koordiniertes Vorgehen bei den Finanzmarktreformen an. Vielleicht kann der nationale deutsche Alleingang einen Schulterschluss voranbringen.
Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Kay-Alexander Scholz