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Die "Liemba": Seit über 100 Jahren in Afrika auf Kurs

Marc von Lüpke-Schwarz3. August 2013

Was haben die mongolische Steppe, ein See in Afrika oder die US-Prärie gemeinsam? Dort findet sich ein Stück Deutschland. Dahinter stehen Geschichten, die bizarr, amüsant und tragisch sind. Der dritte Teil der Serie.

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Die Graf Goetzen 1913 auf der Meyer Werft in Papenburg (Foto: dpa)
Die Graf Goetzen 1913 auf der Meyer Werft in PapenburgBild: picture alliance/dpa

Wenn ein dauerbetrunkener Kapitän und eine Missionarin auf einem afrikanischen See gegen ein deutsches Schiff kämpfen, kann das durchaus Stoff für großes Kino abgeben: Es geht um den Film "African Queen" mit Humphrey Bogart und Katherine Hepburn in den Hauptrollen aus dem Jahr 1951.  Auf dem Tanganjika-See war ihr Widersacher das deutsche Kriegsschiff "Königin Luise". Durch mehr Glück als Verstand schickte das ungleiche Paar den Gegner auf den Grund des Sees. Soweit die Filmhandlung. Fakt ist, dass die "Königin Luise", ein reales Vorbild hat. Es ist die "Liemba". Sie wurde 1913 im fernen Papenburg erbaut und ursprünglich auf den Namen "Graf Goetzen" getauft.

Missionarin und dauerbetrunkener Kapitän: Szene aus African Queen
Missionarin und dauerbetrunkener Kapitän: Szene aus African Queen

5.000 Kisten nach Afrika

Die Geschichte der "Graf Goetzen" ist ein Stück deutscher Kolonialgeschichte. Kaiser Wilhelm II. ordnete  den Bau 1913 an. Das Schiff sollte auf dem fernen Tanganjika-See, an dessen Ufer die Kolonialreiche von Deutschen, Briten und Belgiern grenzten, ein Zeichen deutscher Macht setzen. Nicht nur die Europäer sollten beeindruckt werden, sondern auch die Afrikaner. Folgerichtig benannte man das Schiff nach Gustav Adolf Graf von Götzen. Dieser hatte als Gouverneur Deutsch-Ostafrikas in den Jahren 1905-1907 den sogenannten "Maji-Maji-Aufstand" gegen die deutsche Kolonialherrschaft blutig niedergeschlagen.

Doch bevor das Passagier- und Frachtschiff auf dem Tanganjika-See seine Aufgabe übernehmen konnte, musste es erst einmal dorthin geschafft werden. Die Entfernung zwischen Papenburg im Emsland, wo das Schiff gebaut wurde, und dem See im mittleren Afrika schien schier unüberwindlich. Die Lösung war so einfach wie im Detail beschwerlich: Man nietete das Schiff im Bau nur provisorisch zusammen, um es anschließend fein säuberlich und exakt nummeriert in knapp 5.000 Kisten zu verpacken.

Der Dampfer "Goetzen" wird am Ufer des Tanganjika-Sees zusammengebaut, Foto von 1914 (Foto: picture-alliance)
Der Dampfer "Goetzen" wird am Ufer des Tanganjika-Sees zusammengebaut, Foto von 1914Bild: picture-alliance/akg-images

Diese Kisten mit einem Gewicht von 1.200 Tonnen transportierte man auf Frachtschiffen gen Daressalam, der Hauptstadt der Kolonie Deutsch-Ostafrika. Nun ging es über Land, per Eisenbahn, weiter Richtung Tanganjika-See. Die Bahnlinie allerdings endete rund 30 Kilometer vor dem Gewässer. So mussten afrikanische Träger die vielen Kisten schultern und zum See tragen. Hier baute der Schiffsbaumeister Anton Rüter aus Papenburg mit zwei weiteren Deutschen und der Hilfe vieler Einheimischer das 67 Meter lange Schiff wieder zusammen.

Die Arbeit kam gut voran, Rüter schrieb nach Hause: "Ich beschäftige jetzt 20 fleißige Inder und 150 Schwarze. Wenn das Nieten beginnt, werden vermutlich 100 zusätzliche Schwarze gebraucht." Beim Anblick der fertigen "Graf Goetzen" trauten Belgier und Briten kaum ihren Augen. Mit der friedlichen Schifffahrt auf dem Tanganjika-See wurde es jedoch für längere Zeit nichts: Bei Fertigstellung des Schiffes herrschte bereits der Erste Weltkrieg. So lieferte sich die "Graf Goetzen", verstärkt durch Panzerplatten und mit Kanonen ausgerüstet, bald einen Kampf mit den Briten und Belgiern. Erstere hatten ebenfalls in einer Meisterleistung zwei kleine Kanonenboote herangeschafft. Der Stoff für den Filmklassiker "African Queen" war geboren.

Eine Geschützmannschaft auf dem deutschen Dampfer Graf Götzen im Oktober 1916 auf dem Tanganjika-See
Eine Geschützmannschaft auf dem deutschen Dampfer Graf Götzen im Oktober 1916 auf dem Tanganjika-SeeBild: cc

Der Kampf um den Tanganjika-See ging letztendlich jedoch nicht auf dem Wasser verloren. Als die deutschen Truppen an Land in die Defensive gingen, versenkte Schiffsbaumeister Rüter die "Goetzen" 1916 von eigener Hand. Sie sollte nicht dem Feind in die Hände fallen.

Eine neue Chance

Doch die "Goetzen" lebt, unter dem Namen "Liemba“ befährt sie bis heute den 673 Kilometer langen Tanganjika-See. Die Belgier hoben nach Kriegsende das Schiff und machten es wieder flott. Seitdem bildet es, mit einigen Unterbrechungen, für die Menschen am Tanganjika-See die wichtigste und oft einzige Verkehrsverbindung. Die fast 100 Jahre alte "Liemba" wird heute vom Zahn der Zeit bedroht. Das Schiff befindet sich in einem schlimmen Zustand. Nun jedoch, in ihrem zweiten Leben, kann sie das tun, wofür sie eigentlich gebaut worden war: die Menschen am Tanganjika-See zu verbinden.

Die Liemba im Jahr 2002 (Foto: Imago McPHOTO)
Die Liemba im Jahr 2002Bild: Imago