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Die Lage in Gaza ist katastrophal

17. März 2010

Ein Jahr nach dem Krieg warten die Menschen im Gaza-Streifen noch immer auf Unterstützung. Selbst die versprochenen Wiederaufbauhilfen sind bei den Menschen nicht angekommen und die humanitäre Situation spitzt sich zu.

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Palästinenser sitzen auf den Trümmern ihrer Wohnhäuser im Gazastreifen (Foto: AP)
Die Menschen im blockierten Gaza-Streifen warten nach wie vor auf HilfeBild: AP

Die Menschen im Gazastreifen sind lebendig, aber sie leben nicht, sagt John Ging, Direktor von UNRWA, des UN-Flüchtlingshilfswerks für die palästinensischen Flüchtlinge in Gaza bei einem Besuch in Berlin. Und Mkhaimar Abusada, Politikwissenschaftler an der Al Azhar Universität in Gaza stimmt ihm zu und erklärt: "Wir sterben unter der Besatzung."

Wie im Gefängnis

Nur mit Mühe und mit Hilfe deutscher Diplomaten konnte der Wissenschaftler den Gazastreifen verlassen, um in Berlin an einer Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung teilzunehmen. Aber ob und wann er zurückkehren kann, weiß er nicht. Denn der Gazastreifen ist wie ein Gefängnis. Man kommt nicht hinaus und nicht hinein.

Palästinenser heben Hilfslieferungen von einem Lkw (Foto: AP)
Hilfe des UN-Flüchtlingshilfswerks für die Menschen in GazaBild: AP

Gaza ist mit der Außenwelt durch sieben Grenzübergänge verbunden, sechs Grenzübergänge mit Israel und einen mit Ägypten. All diese Übergänge seien vollkommen geschlossen, außer für humanitäre Zwecke, so der Politikwissenschaftler. "Die überwältigende Mehrheit der Palästinenser sitzt in Gaza in der Falle. Wir sprechen von 1,5 Millionen Palästinensern, die sich im Grunde nicht bewegen können."

Humanitäre Lage katastrophal

Ein Jahr nach dem Gazakrieg hat sich an der Situation der Menschen in dem kleinen Küstenstreifen nichts geändert. Die humanitäre Lage ist katastrophal, stellt UNRWA-Direktor John Ging fest. "Für die einfachen Menschen ist das Leben in Gaza unerträglich hart." Mehr als 80 Prozent der Einwohner seien von Lebensmittelspenden der UNO abhängig um zu überleben, betont Ging und fügt hinzu: "300.000 von ihnen sind völlig mittellos, das bedeutet, dass sie zum Beispiel noch nicht mal Geld haben, um Seife oder Waschmittel für ihre Kleider zu kaufen. Es sei denn, sie bekommen eine kleine Bargeldspende zusätzlich zur Lebensmittelhilfe."

Wiederaufbauhilfe kommt nicht an

Auch frisches Trinkwasser gibt es nicht mehr. 90 Prozent des verfügbaren Wassers ist verseucht und entspricht nicht den Mindestanforderungen der Weltgesundheitsorganisation. Die Liste der Mängel ist lang, aber die nach dem Gazakrieg von der internationalen Staatengemeinschaft zugesagte Wiederaufbauhilfe kommt nicht an. Auf der Scharm-el-Scheich-Konferenz seien 4,5 Milliarden Dollar bereitgestellt worden, erinnert sich Ging. "Nicht ein Dollar für den Wiederaufbau ist im vergangenen Jahr bei den Menschen in Gaza angekommen."

Warten auf Hilfe: Flüchtlinge im Lager Jabaliya im Gazastreifen (Foto: dpa)
Warten auf Hilfe: Flüchtlinge im Lager Jabaliya im GazastreifenBild: picture alliance/dpa

Doch nicht erst seit dem Ende des Krieges ist der Gazastreifen von der Außenwelt abgeriegelt. Schon im Jahr 2007, nach der gewaltsamen Machtübernahme der Hamas, verhängte Israel eine strenge Blockade. Mit katastrophalen Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung und für die Infrastruktur, sagt der Politikwissenschaftler Mkhaimar Abusada.

EU-Hilfe funktioniert nicht

"In den vergangenen drei Jahren sind keinerlei Baumaterialien hereingekommen. Das heißt, es wurde keine einzige Schule gebaut, keine Klinik und kein Haus. Wenn wir uns aber die Geburtenrate in Gaza anschauen, die bei 4,5 Prozent liegt, wie viele Schulen müsste man bauen, wie viele Kliniken und Häuser, die wir nur wegen der hohen Geburtenrate benötigen würden."

Für die Blockade des Gazastreifens hat Israel die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Auch die Europäische Union schließt Kontakte mit der Hamas-Regierung aus und boykottiert den Gazastreifen seit dem Wahlsieg der Hamas im Jahr 2006. Entwicklungszusammenarbeit soll trotzdem geleistet werden, unter Umgehung der Hamas und mit Hilfe von Nichtregierungsorganisationen.

Hilfe nur mit Israels Wohlwollen

Vorbereitungen für Gaza-Geberkonferenz in Scharm el Scheich (Foto: AP)
2009 fand in Ägypten eine Geberkonferenz für Gaza stattBild: picture-alliance/ dpa

Doch das funktioniert in den meisten Fällen nicht. Denn auch die Helfer sind von Israels Wohlwollen abhängig, um in den Gazastreifen zu kommen und Hilfe zu leisten. So liegen lebensnotwendige Projekte, wie eine Kläranlage, die mit deutscher Hilfe gebaut werden soll, auf Eis. John Ging, der irische UNRWA-Chef in Gaza ist bekannt dafür, dass er kein Blatt vor den Mund nimmt. So auch bei seinem Besuch in Berlin. Es sei ein Hohn und eine Tragödie, dass die internationale Staatengemeinschaft, das Problem verschlimmere anstatt es zu lösen, so Ging.

"Die Besatzung ist zerstörerisch und entstellend. Und ich muss sagen, dass die erste Verantwortung bei uns, bei der internationalen Gemeinschaft liegt. Wir haben alle im Stich gelassen. Ich erinnere an das, was Martin Luther King sagte: 'Am Ende werden wir uns nicht an die Worte unserer Feinde erinnern, sondern an das Schweigen unserer Freunde'."

Autorin: Bettina Marx

Redaktion: Stephanie Gebert

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