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"Die Konsolidierung der Mitte-Rechts-Kräfte ist nötig"

9. August 2007

Nico Lange von der Konrad-Adenauer-Stiftung in Kiew über das neue Bündnis der präsidentenfreundlichen Kräfte, das programmatische Profil und die Bereitschaft zu ungewöhnlichen Zugeständnissen.

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Bild: DW

DW-RADIO/Ukrainisch: Die Konrad-Adenauer-Stiftung ist seit langem Partner der Mitte-Rechts-Parteien in der Ukraine. Wie bewerten Sie die Bildung des neuen Wahlbündnisses "Unsere Ukraine - Volks-Selbstverteidigung"?

Nico Lange: Die Konsolidierung der Mitte-Rechts-Kräfte in der Ukraine ist sicher nötig. Es gibt seit längerer Zeit Bestrebungen und immer wieder neue Anläufe, um diese Mitte-Rechts-Kräfte zu konsolidieren, insofern macht es aus meiner Sicht Sinn, so ein Wahlbündnis aufzustellen. Und auch die damit verknüpften Überlegungen, daraus eine gemeinsame Mitte-Rechts-Partei entstehen zu lassen, sind sicher sinnvoll. Das war schon immer eine Schwäche der Mitte-Rechts-Kräfte wie auch der sogenannten demokratischen Kräfte in der Ukraine generell, dass es immer wieder Spaltungen gab, dass es unterschiedliche Richtungen gab und dass es nicht gelang, eine gemeinsame Sprache zu finden und eine gemeinsame starke politische Kraft aufzustellen.

Was meinen Sie, kann man beim Bündnis "Unsere Ukraine – Volks-Selbstverteidigung" mit Jurij Luzenko an der Spitze überhaupt von einer politischen Mitte-Rechts-Kraft sprechen?

Wir stehen generell in einem Land wie der Ukraine vor dem Problem, dass wir zwar mit diesen Worten "Mitte-Rechts-Partei", "Mitte-Rechts-Kräfte" und so weiter operieren, aber diese Maßstäbe und dieses Links-Rechts-Schema auf die Ukraine im Grunde gar nicht anwendbar ist. Was Luzenko betrifft, so zielt er mit vielen seiner Aussagen auf Wähler ab, die möglicherweise von der wahrscheinlich dann nicht mehr im Parlament befindlichen Sozialistischen Partei der Ukraine sozusagen übriggeblieben sind. Luzenko ist kein völlig neuer Partner, eher ein alter Bekannter, wie andere, die sich auf der Wahlliste befinden.

Aber dieser "altbekannte" Sozialist führt ein Mitte-Rechts-Wahlbündnis an, das ist doch unbestritten!

Ich würde dies positiv umformulieren. Es ist doch eine erstaunliche Entwicklung, dass man bereit ist, in einer Partei wie Unsere Ukraine persönliche Ambitionen möglicherweise zurück zu stellen, um ein Gesamtprojekt auf den Weg zu bringen, das eine möglichst maximale Aufstellung demokratischer Kräfte für diese Wahlen zusammen bringt. Dass Unsere Ukraine den ersten Listenplatz hergegeben hat, um das Gesamtprojekt möglich zu machen, ist in der politischen Landschaft der Ukraine nicht unbedingt üblich. Es war immer ein Problem, das man mit diesen vielen kleinen Parteien hatte, die nur sehr schwer und umständlich zu Zugeständnissen zu bewegen waren.

Wird das neue Bündnis ein klares eigenes Profil finden, eine verständliche Ideologie vermitteln können?

Unsere Ukraine

ist nicht die einzige Partei in der Ukraine, die Probleme damit hat, ein programmatisches Profil und ein Bild davon zu entwerfen, wie sie die Ukraine weiter entwickeln will. Die Frage ist durchaus offen, inwieweit es diesem Wahlbündnis und dem, was dann daraus hervorgeht, gelingen wird, ein programmatisches Konzept zu entwickeln. Wenn man sich die Themen des Wahlbündnisses ansieht - wie Abgeordnetenimmunität, Weiterentwicklung der Verfassung, Sozialreformen - die bis jetzt eine Rolle spielen, dann sind sie zunächst sehr relevant für die Weiterentwicklung der Ukraine. Der letzte Konflikt hat klar gezeigt, dass im Bereich Rechtsstaatlichkeit und beim Selbstverständnis der Abgeordneten tatsächlich Kernprobleme liegen und dass man zunächst diese Dinge thematisieren und in Angriff nehmen muss, genau so wie Verfassungsregelungen, die offensichtlich immer wieder begünstigen, dass solche Konflikte zustande kommen – sei es, weil sie unklar gefasst sind, sogar Widersprüche enthalten oder weil sie für ein Wahlsystem geschrieben worden sind, das längst geändert worden ist.

Das Bündnis Unsere Ukraine bemüht sich als "Partei nach europäischem Vorbild" zu präsentieren. Was macht es Ihrer Meinung nach "europäisch"?

Dass man über die Auseinandersetzung innerhalb von Unsere Ukraine und die Bildung des Wahlblocks ständig diskutiert und darüber öffentlich berichtet, hat doch etwas demokratisches, etwas europäisches. Es gibt auf der anderen Seite Parteien in der Ukraine, über deren interne Diskussionen, über deren interne Ausrichtung, über das Zustandekommen der Wahllisten und der Programmatik man gar nichts erfährt. Da ist die Offenheit, die es bei Unsere Ukraine gibt, vielleicht in Hinweis darauf, dass es diese Partei ernst damit meint, sich intern zu demokratisieren.

Das Gespräch führte Eugen Theise
DW-RADIO/Ukrainisch, 18.7.2007, Fokus Ost-Südost