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Die Insel und das Internet

Kersten Knipp17. März 2015

Viele Kubaner haben nur beschränkten Zugang zum Internet. Jetzt stellt der Künstler Kcho der Öffentlichkeit sein privates Netzwerk zur Verfügung: Ein kleiner, aber wichtiger Schritt auf dem Weg zur digitalen Freiheit.

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Menschen nutzen das freie Wi-Fi des Künstlers Kcho in Havanna, 11.3. 2015 (Foto: AP)
Bild: picture-alliance/AP Photo/Boylan

Merkwürdig verbogene Holzboote, mit denen man nicht rudern kann; oder eine Arche, die viel zu klein für die vielen Menschen ist, die sich auf sie retten wollen: Das sind zwei der eigentümlichen nautischen Motive, denen sich der kubanische Künstler Alexis Leyva Machado, genannt "Kcho", immer wieder widmet. Man könnte in ihm einen Chronisten der verhinderten Seefahrt sehen. Was das heißt, wissen die Kubaner nur allzu gut. Zu Tausenden haben sie seit Fidel Castros Revolution von 1959 versucht, die Insel zu verlassen. Oft waren ihre Bemühungen vergeblich, da sie entweder an den Grenzwächtern oder am südlichen Atlantik scheiterten, der die Flucht von Kuba nach Miami zu einem Himmelfahrtskommando werden ließ.

Es ist eine scharfe Kritik, die Kcho in seinen Werken zum Ausdruck bringt. Jedenfalls kann man sie so deuten, muss das aber nicht. Wer will, kann sich auch in eine nicht-politische Lesart flüchten. Diese hat sich offenbar der kubanische Staat zu eigen gemacht - und sich bereits vor Jahren entschlossen, gute Beziehungen zu Kcho zu pflegen. So gute, dass er ihm auch einen eigenen Internetanschluss zugesteht. Den stellt der in Havanna lebende Künstler nun seinen Landsleuten zur Verfügung. Damit führte er das erste öffentlich zugängliche - und von der Regierung geduldete - WLAN in der kubanischen Hauptstadt ein.

Fidel Castro besucht eine Ausstellung von Kcho, 9.1. 2014 (Foto: EPA)
Freund der schönen Künste: Fidel Castro (l.) besuchte 2014 eine Ausstellung mit Werken von Kcho (r.)Bild: picture-alliance/dpa/Cubadebate

Kaum erschwingliche Gebühren

Die Kosten für den digitalen Umschlagplatz - rund 900 US-Dollar im Monat - trägt der Künstler selbst. Für viele seiner Landsleute ist das eine große Erleichterung. Denn eine Stunde Surfen im Netz kostet in kubanischen Internetcafés rund viereinhalb US-Dollar - ein unerschwinglicher Preis für die meisten Kubaner, deren Monatseinkommen oftmals gerade einmal 20 US-Dollar im Monat beträgt. Zudem ist die Datenübertragung aufgrund der veralteten Technik extrem langsam. Doch vor allem wird die Kommunikation überwacht.

Der Preis ist eines der Instrumente, mit denen der kubanische Staat den Internetzugang seiner Bürger bislang beschränkt hat. Offiziell wird das hohe Entgelt mit dem in den frühen 1960er Jahren eingeführten US-Embargo gegen Kuba begründet. Die Organisation "Reporter ohne Grenzen" (RoG) lässt dieses Argument aber nicht gelten. Für sie ist der bis heute eingeschränkte Internetzugang nur ein weiteres Element im kubanischen Zensursystem. "Auf Kuba gibt es keine technischen Probleme, die den Zugang zum Internet verhindern", schrieb RoG im Frühjahr 2014. "Es geht auf das Bemühen der Regierung zurück, das Netz zu kontrollieren. Denn sie sorgt sich, dass über das Netz kritische Informationen verbreitet werden können." Auch das trägt dazu bei, dass Kuba auf der jüngsten RoG-Rangliste zur Pressefreiheit auf Position 169 rangiert - von 180 Plätzen insgesamt.

Bereits 2009 erlaubte die US-Regierung amerikanischen Internetprovidern, der Insel ihre Dienste beim Ausbau des Internets anzubieten. Doch die kubanische Regierung lehnte ab. Sie entschied sich stattdessen zur Zusammenarbeit mit der Regierung von Venezuela. Beide Länder vereinbarten, ein Unterseekabel zu verlegen, das seit 2014 in Betrieb ist. Noch ist die Nutzung aber hauptsächlich den Regierungen der beiden Länder vorbehalten.

Ein Internetcafé in Havanna, Juni 2013 (Foto: EFE)
Internetcafé in HavannaBild: picture-alliance/dpa/A. Ernesto

Zugangsbeschränkungen werden unterlaufen

Schätzungen gehen davon aus, dass nur wenige Prozent der Kubaner Zugang zum Netz haben. Und auch sie können das Netz von zu Hause aus nur über den staatlichen Provider nauta.cu erreichen.

Doch die Kubaner haben Mittel und Wege gefunden, die Zugangsbeschränkungen zu umgehen. So existieren eine Reihe illegaler Netzwerke. Viele Bürger nutzen die Internetanschlüsse kubanischer Unternehmen auch zur privaten Nutzung. Andere wiederum beschaffen sich über das von der Regierung bereits seit längerem zugelassene Netzwerk für den E-Mail-Verkehr Zugang zum Internet. Entsprechende Anleitungen kursieren im Netz - so etwa auf 14medio.com, der von Havanna aus betriebenen Website der kubanischen Bloggerin Yoani Sanchez. Der Umstand, dass die Seite der 2008 von der Deutschen Welle ausgezeichneten Bloggerin von den kubanischen Behörden geduldet wird, ist ein Hinweis darauf, dass die Staatsführung gewillt scheint, ihren Bürgern mehr Rechte bei der Nutzung der internationalen Kommunikationsnetze zuzugestehen. Zugleich bietet die Website mittels der dort etablierten Foren der Regierung potenziell auch ein Instrument, einem kritischen Publikum ihre eigene Sicht der Dinge darzulegen.

Die Bloggerin und Aktivistin Yoani Sanchez, 2013 (Foto: Silke Wünsch)
Bloggt für die Freiheit: Yoani SanchezBild: DW/S. Wünsch

Insgesamt scheint es, als käme Bewegung in den kubanischen Kommunikationsmarkt. So wurde im Zuge der von der Regierung Obama vorangetriebenen Annäherung zwischen Washington und Havanna vor kurzem erstmals seit 15 Jahre wieder eine direkte Telefonverbindung geschaffen.

Der Internetzugang ist für viele Kubaner aber weiterhin beschränkt. Wenn der Künstler Kcho sein Netzwerk nun seinen Landsleuten zur Verfügung stellt, ist das ein weiterer Schritt aus der internationalen Isolation. Kuba mit Booten zu verlassen, ist weiterhin riskant. Auf den Strömen des Internets hingegen ist der Sprung über das tiefe Wasser inzwischen gefahrlos möglich.