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Rohstoffe aus Afrika in deutschen Autos

Audrey Parmentier, Peter Hille14. September 2012

Sind die S-Klasse von Mercedes und der Audi A3 afrikanische Autos? Zumindest zum Teil, denn die deutsche Automobilindustrie ist abhängig von Rohstoffen, wie Bauxit oder Kupfer, die häufig aus Afrika stammen.

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Arbeiter montiert Auto-Karosserie bei BMW (Foto: AP)
Bild: AP

Wenn der Umweltaktivist Samuel Nguiffo durch Berlin läuft, dann sieht er auf den Straßen der deutschen Hauptstadt unzählige Autos von Audi, BMW, VW und Mercedes. Meist in schwarz, grau oder weiß, und oft mit glänzendem Lack. "Diese Luxuskarossen sind schön!", schwärmt der Kameruner im Gespräch mit der DW. Bei ihm in Westafrika sehe man diese Wagen ebenfalls auf den Straßen, wenn auch viel seltener. "Hinter dem Steuer sitzen die Konzernchefs, die sich die Wagen mit dem Geld aus Rohstoffgewinnen gekauft haben!"

Nguiffo, Direktor des Zentrums für Umwelt und Entwicklung in Yaoundé, denkt beim Blick auf die Karosserien vor allem an die Rohstoffe, aus denen sie bestehen. Denn in jedem Auto steckt eine Menge Metall - und das kommt oft aus Afrika. Mehr als 100 Kilogramm Aluminium sind heute in jedem Mittelklassewagen verbaut, der aus Fabriken deutscher Autobauer rollt. Audi etwa fertigt die Kotflügel und die Motorhaube des neuesten A3-Modells komplett aus Aluminium. Das Metall sorgt dafür, dass die Autos leichter und damit spritsparender sind.

Infografik Rohstoffe im Auto (Foto: DW)

Wo kommt das Aluminium her?

Auch in Nguiffos Heimatland Kamerun wird ein Aluminium-Rohstoff abgebaut: Bauxit. In den Tagebau-Minen Westafrikas holen große Bagger das Erz aus der Erde, aus dem das Leichtmetall für die Autobauer entsteht. Besonders reich an Bauxit ist Guinea: Von dort stammen fast drei Viertel des Aluminiums, das in Deutschland verarbeitet wird. Ein Segen für diese Länder? Eher nicht - Nguiffo jedenfalls spricht von einem "Rohstoff-Fluch", denn: "Die Staaten vieler afrikanischer Länder kontrollieren den Rohstoffabbau nicht ausreichend", kritisiert er.

In den Minen würden oft Kinder und Frauen zu harter Arbeit eingesetzt, sagt Nguiffo. Die Gehälter der Arbeiter seien lächerlich gering. Etwa in den Kupferminen der Demokratischen Republik Kongo, wo die Grubenarbeiter rund 150 Dollar im Monat verdienten. Sie holen dort das Kupfer aus der Erde, mit dem später im Kupferkabel  Scheibenwischer, Fensterheber oder Türschlösser der neuen Autos elektronisch gesteuert werden.

Verseuchtes Trinkwasser

Nicht nur der geringe Verdienst der Arbeiter sei ein Problem im Kongo, sagt Jean Claude Katende. Er ist Präsident der ASADHO, der Afrikanischen Vereinigung zum Schutz der Menschenrechte. "Es gibt zusätzlich das Problem der Umweltverschmutzung", so Katende im Gespräch mit der DW. Die meisten Minen verbrauchten viel Wasser und leiteten die Abwässer einfach in die Flüsse. Das habe schlimme Auswirkungen auf die Felder der Bauern in derselben Gegend. "Und für die Menschen, deren Trinkwasser verschmutzt wird", so Katende.

Bauxit-Abbau in der Débélen-Mine in Guinea (Foto: Bob Barry)
Bauxit-Abbau in GuineaBild: DW/Bob Barry

Wie also kann der Rohstoffabbau umwelt- und menschenfreundlicher werden? Dazu müsste zunächst klar sein, wer welche Verantwortung trägt in der langen und komplizierten Zuliefererkette der Automobilindustrie. Mit dieser Frage beschäftigt sich die Studie "Vom Erz zum Auto“, die die kirchlichen Organisationen "Misereor" und "Brot für die Welt" am Donnerstag (13.09.2012) in Berlin vorgestellt haben. Verantwortlich seien zum einen die Minenbetreiber und die Autokonzerne, aber auch die Regierungen der Export- und der Importstaaten. "Wo soll man da anfangen?", fragt Umweltaktivst Katende. Er meint, dass man vor allem dort Druck aufbauen müsse, wo die Autos verkauft werden. "Denn wenn die Kunden sagen: Ich möchte keine Autos mit Rohstoffen kaufen, die unter solchen Umständen hergestellt werden, dann kann das ein Umdenken einleiten."

Wer kontrolliert?

Schon heute gibt es Kontrollinstrumente für den Import von Rohstoffen. Etwa die Leitsätze für multinationale Unternehmen von der OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Sie macht Vorgaben zur Einhaltung von Menschenrechten, Arbeits- und Sozialstandards, sowie zum Umweltschutz. Oder die freiwillige Initiative Global Compact, die sich zuletzt besonders mit der Problematik längerer Lieferketten befasst hat. Denn in der Autobranche weiß derjenige, der den Wagen am Ende zusammenschraubt, oft gar nicht genau, wo die Rohstoffe für seine Einzelteile nun eigentlich herkommen. Das eigentliche Problem aber bleibt: Am Ende muss jemand in den Abbaugebieten die Einhaltung solcher Leitsätze kontrollieren.  

Männer arbeiten über Tage in einer Kupfermine im Kongo (Foto: AFP/Getty Images)
Kupfermine im KongoBild: AFP/Getty Images

Keine Lösung absehbar?

Der deutsche Autohersteller BMW ist sich der Problematik wohl bewusst. BMW-Sprecher Frank Wienstroth erklärt gegenüber der DW, dass der Konzern von seinen Lieferanten die Einhaltung international anerkannter Vorgaben zu Menschenrechten und Arbeits- und Sozialstandards verlange. Außerdem habe sich BMW der "Global Compact"-Initiative angeschlossen. Bei Verstößen von Lieferanten gegen gültige Kriterien beende man im Extremfall die Geschäftsbeziehung. Dazu muss der Autobauer allerdings ersteinmal von solchen Verstößen erfahren. Gleiches gilt für Pläne von BMW, nur noch über zertifizierte Lieferketten einzukaufen. Dann würde BMW von seinen Zulieferern verlangen, für jeden Schritt nachzuweisen, dass keine Sozial- und Umweltstandards verletzt wurden - zum Beispiel vom Kupferabbau bis zum fertigen Kabel. "Hier ist aber keine kurzfristige Lösung absehbar", so Wienstroth.

Der Anwalt und Menschenrechtler Jean-Claude Katende aus der Demokratischen Republik Kongo; (Foto: Audrey Parmentier)
Menschenrechtsanwalt Jean-Claude KatendeBild: Audrey Parmentier

Für Menschenrechtsanwalt Jean-Claude Katende stehen deshalb vor allem die Aktionäre in der Pflicht, denen die Autokonzerne gehören. Sie müssten sich für den Schutz der Minenarbeiter und der Menschen in den Abbaugebieten einsetzen. Katendes Hoffnung ist, dass sich Deutschland bei diesem Thema irgendwann an die Spitze der Europäischen Union setzt: Über die europäische Gesetzgebung könnte Berlin erreichen, dass möglichst viele Staaten beim Rohstoffabbau die internationalen Standards einhalten.