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"Die Griechen haben schon viel überlebt"

12. April 2010

Griechenland hat es zurzeit nicht leicht. Von "raus aus der Eurozone" bis zu "keine Hilfsleistungen" - die Palette der Vorwürfe ist breit. Davon war auch auf einer Diskussionsrunde in Berlin die Rede.

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Symbolbild Griechenland (Grafik: DW)

Der "Verein Berliner Kaufleute und Industrieller", kurz: VBKI, ist einer der ältesten Wirtschaftsclubs in Deutschland. 1879 gegründet, hat der VBKI seit dem Deutschen Kaiserreich einen beträchtlichen Einfluss in der Stadt ausgeübt - nicht nur als ein Netzwerk von Gleichgesinnten, sondern auch als ein Interessensvertreter der Wirtschaft. Und da ist es nur naheliegend, dass sich die Mitglieder fragen, was ist los mit der Krise in Griechenland, inwiefern werden auch Deutschland und der Euro in Mitleidenschaft gezogen?

Thilo Sarrazin (Foto: DPA)
Thilo SarrazinBild: picture-alliance/ dpa

Trotz einem attraktiven Champions-League-Fußballspiel im Fernsehen und Schulferien nahmen sich rund 200 Berliner Unternehmer die Zeit, um auf diese Fragen Antworten von Experten zu bekommen, insbesondere von Thilo Sarrazin. Der ehemalige Berliner Finanzsenator ist heute Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank. Er erfreut sich in Unternehmerkreisen einer gewissen Beliebtheit - obwohl er Sozialdemokrat ist. Denn Sarrazin redet Klartext. Er nimmt Hartz-IV-Empfänger ins Visier, die sich, anstatt hohe Heizkosten zu produzieren, warme Pullover überziehen sollten. Oder auch Muslime in Deutschland, die anstatt sich zu integrieren, "Kopftuchmädchen" in die Welt setzen würden.

Komplimente von Thilo Sarrazin

Das Themenspektrum, zu dem Sarrazin eine Meinung hat, ist breit - so auch zu Griechenland. Er gab sich als Experte: Als er 2002 Finanzsenator in Berlin wurde, war das Haushaltsdefizit der deutschen Hauptstadt "exakt das gleiche, wie das von Griechenland heute, nämlich 30 Prozent". Sein Ratschlag an die Griechen: "Macht es wie ich, erhöht die Steuern, kürzt die Löhne, verringert die Staatsausgaben." Sieben Jahre habe er das als Berliner Finanzsenator mit Erfolg gemacht. Aber, so fragt jemand aus dem Publikum besorgt, werden die Griechen denn soviel Vernunft aufbringen? "Die Griechen sind ja nicht debil", erwidert Sarrazin.

Und das war nicht das einzige Kompliment, zu dem sich der Preuße aus ostelbischem Landadel hinreißen ließ: "Die Griechen haben viel überlebt. Sie haben 500 Jahre Türkenherrschaft überlebt, sie haben die bayerischen Könige überlebt, sie haben schon einige Staatsinsolvenzen überlebt, sie haben den Zweiten Weltkrieg und den Bürgerkrieg überlebt, sie werden auch diese nötigen Einsparungen überleben, wenn sie denn mal wissen, dass sie unvermeidlich sind."

Fakelaki oder Kafelaki?

Da er schon mal dabei ist, rechnet Sarrazin den Griechen vor, dass sie mit dem Fakelaki-Spiel, also dieses Jeder-Schmiert-Jeden-Spiel, sofort aufhören sollten, "weil jeder im Durchschnitt so viele Umschläge bekommt, wie er weiterreichen muss". Als Finanzexperte könne er versichern, dass das ein Null-Summen-Spiel sei. Obwohl Sarrazin die ganze Zeit von "Kafelaki" spricht statt von "Fakelaki", versteht jeder im Saal, was gemeint ist.

Joachim Starbatty (Foto: DPA)
Joachim StarbattyBild: dpa

Auch Joachim Starbatty meint es an diesem Abend gut mit den Griechen. Mancher erinnert sich vielleicht, dass der Tübinger Volkswirtschaftsprofessor Ende der 1990er-Jahre erfolglos gegen die Euro-Einführung in Deutschland klagte. Griechenland und die anderen Piigs hätten die Bedenken von damals ja nur bestätigt, so Starbatty. "Piigs" klingt fast wie das englische Wort für Schweine, ist aber das Akronym für Portugal, Italien, Irland, Griechenland und Spanien - Länder also, die kurz vor dem wirtschaftlichen Kollaps stünden. Deutschland stehe dagegen gut da, weil es wie eh und je auf Haushaltsdisziplin achte, während "für die Griechen Tricksen als Sportdisziplin" gelte.

Und dennoch scheint Starbatty sie zu mögen. Ausdrücklich und wiederholt erklärt er, dass "die Griechen sympathisch" seien und jeder, der einen Griechen kenne, wisse das. Wohl aus dieser starken Empathie, die er für die Hellenen empfindet, rät er ihnen, aus der Eurozone auszutreten, ihre Drachme wieder einzuführen und sie gleich um 40 Prozent abzuwerten, damit sie international konkurrenzfähig werden. Denn, was jetzt Ministerpräsident Papandreou mit seinen Griechen mache, erinnere an die strenge Spar-Politik des deutschen Reichskanzlers Heinrich Brüning Anfang der 1930er-Jahre. Auch der habe "versucht, mit einer Austerity-Politik internationales Renommee wieder zurück zu gewinnen. Das hat natürlich dazu geführt, dass die Arbeitslosigkeit sich verhärtet hat und die Radikalisierung fortschreitet".

"Von uns kriegt ihr nichts"

Hans D. Barbier (Foto: DPA)
Hans D. BarbierBild: dpa

Während Starbatty und Sarrazin so etwas wie Anteilnahme zeigen und auch nicht mit guten Ratschlägen geizen, fordert der dritte Teilnehmer auf dem Podium, Hans D. Barbier, Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, dass alle in der EU den Griechen klipp und klar sagen sollten: "Von uns kriegt ihr nichts."

Aber, möchte man einwenden, hat die griechische Regierung bislang Hilfe verlangt? Oder wird ihr das nur immer wieder unterstellt? Auch egal, an diesem Abend wird nicht mit dem Florett gekämpft, sondern mit dem Degen. Barbier setzt zum finalen Hieb an: "Jeder Satz, der aus so großen Ländern wie Frankreich und Deutschland kommt und das Wort Hilfe enthält, wirkt für die Griechen wie Schnaps für den Alkoholiker."

Autor: Panagiotis Kouparanis
Redaktion: Kay-Alexander Scholz