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Die französische Debatte um "Amen"

28. Februar 2002

Kaum war das "Amen"-Plakat vor zwei Wochen bei der Berlinale vorgestellt worden, entbrannte der Streit darum.

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Kirche versus Gericht

Die Gerichtsklage einer katholischen Vereinigung (Agrif) gegen das Plakat des italienischen Fotografen Oliviero Toscani, der auch schon umstrittene Anzeigen der Firma Benetton fotografiert hatte, war in der vergangenen Woche gescheitert.

Die Vereinigung hatte eine "Verletzung religiöser Gefühle" geltend gemacht. Nur eine verengende Interpretation der Botschaft des Plakats könne es als einen Angriff auf die Religion missverstehen, argumentierte das Gericht. Es verwies auf das Schuldbekenntnis des französischen Episkopats vom 30. September 1997, in dem bedauert wurde, dass "die Kirche durch ihr Schweigen schwerwiegende Menschenrechtsverletztungen zugelassen hat".

Die Debatte in der Presse

Das sind die Positionen der französischen Presse:

  • Die linksliberale "Libération" befindet die Verbindung von Christen- und Hakenkreuz für "ungerecht": Nur ein extremer Flügel der protestantischen Kirche habe damals eine Verschmelzung der christlichen und nationalsozialistischen Weltanschauungen angestrebt. Zugleich zeigte sich das Blatt zuversichtlich, dass die Debatte nicht wieder am Ausgangspunkt von 1963 ansetzen werde. Seit der Veröffentlichung von Hochhuths Drama sei die "Passivität und das stillschweigende Entgegenkommen" von Papst Pius XII. im Umgang mit den Nazis allgemein bekannt.
  • Im "Figaro" verteidigte der konservative Autor Jean-Yves Riou den Papst und machte darauf aufmerksam, dass Pius XII. sich 1940 indirekt an einem Umsturzplan gegen Adolf Hitler beteiligt habe.
  • Unter dem Titel "Pius XII" - Hitlers Papst" wies die Zeitung "Le Monde" darauf hin, dass eine umfassende Klärung der historischen Tatsachen bislang nicht möglich war. Zwar wurden nach dem Erscheinen des "Stellvertreters" Dutzende Aktenbände des Vatikan über die Ära des Nationalsozialismus veröffentlicht. Aber die geplante Zusammenarbeit einer gemischten jüdisch-christlichen Kommission in den Archiven des Vatikan sei im Juli 2001 "kläglich gescheitert", weil der Vatikan noch immer nicht den Zugang zu allen Originaldokumenten gewährleistet habe.

Der Regisseur Constantin Gavras hat das umstrittene Plakat zur Verfilmung von Hochhuths Drama mit Vorwürfen gegen die Kirche verteidigt. Gegenüber der französischen Tageszeitung "Le Figaro" äußerte er, in der Nazizeit hätten deutsche Kirchenvertreter beide Abzeichen getragen. Das sei dokumentiert.(dpa/cg)