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Die Zukunft der EU

27. Juli 2008

Das eigentliche Erfolgskonzept der europäischen Integration darf nicht in eine Patchwork-Lösung abgewandelt werden, meint Elmar Brok. Ein Kerneuropa mit Staaten 1., 2. und 3. Klasse darf es nicht geben.

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Die EU ist das erfolgreichste politische Projekt der deutschen Geschichte und Europas. Niemals zuvor gab es Frieden, Freiheit, Wohlstand und soziale Entwicklung gleichzeitig und so lange. Nach mehreren Erweiterungsrunden und fortschreitender politischer Integration sind heute fast 500 Millionen Bürgerinnen und Bürger in einer Rechts- und Wertegemeinschaft verbunden. Jetzt muss sich die Europäische Union konsolidieren und konzentrieren, um den neuen inneren und äußeren Herausforderungen des gewachsenen Europas erfolgreich begegnen zu können.

Das irische "Nein" zum Vertrag von Lissabon hat vielerorts Diskussionen über die europäische Einigung insgesamt sowie ihre Methode in Gang gesetzt. Es gibt dabei gut gemeinte Ratschläge wie auch heuchlerische Auftritte von Europagegnern.

Der Vertrag, der inhaltlich, leider nicht von der klaren Form her, auf dem Entwurf des Verfassungsvertrages fußt, soll gerade eine Antwort auf Mängel der EU sein. Mit der Ablehnung werden die notwendigen Reformen verhindert. Das ist schon skurril. Manchmal hat man den Eindruck, dass einige Kritiker des Vertrages ihn auch nicht gelesen haben.

Souveränität gibt's nur gemeinsam

Das demokratische Defizit, Zentralismus-Ängste, mangelnde Bürgerrechte, soziale Unausgewogenheit, Europa als Teil des Globalisierungsproblems, fehlende Werteorientierung sind einige der Diskussionspunkte.

Auch erwarten viele Bürger mehr europäische Lösungen in Fragen wie der Außen- und Sicherheitspolitik, der Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Terrorismus, eines gerechten Ordnungsrahmens der globalisierten Wirtschaft und der Migration, der Energiesicherheit und des Klimawandels. Viele Bürger haben erkannt, dass die einzelnen europäischen Mittel- und Kleinstaaten in der heutigen Welt diese Aufgaben nicht mehr allein bewältigen können, dass nur gemeinsam die Souveränität für unsere Völker zurückgeholt werden kann.

Die klare Kompetenzzuordnung und die Stärkung des Subsidiaritätsprinzips, die Stärkung der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments als gleichberechtigter Mitgesetzgeber mit dem Rat, die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen im EU-Ministerrat auf wichtige Bereiche wie der Justiz- und Innenpolitik, die Rechtsverbindlichkeit der Charta der Grundrechte und der Ausbau der EU-Außen- und Sicherheitspolitik mit einem "Außenminister" an der Spitze geben der EU bessere Instrumente und Mechanismen an die Hand, um ihre politische und wirtschaftliche Stärke optimal und verantwortungsbewusst zu nutzen.

Gefahren einer Patchwork-Lösung

Elmar Brok
Elmar Brok, Europa-Parlamentarier und Pfeifenraucher des Jahres 2007Bild: pa / dpa

Die Annahme, dass bei einer Ablehnung des Vertrages von Lissabon durch "Zerstörung" der bisherigen Ordnung ein neues Europa entstehen würde ist falsch. Nein, es bliebe der Vertrag von Nizza mit weniger Demokratie, Handlungsfähigkeit, Subsidiaritätskontrolle und Transparenz übrig.

Im Gegenteil: Es bestünde die Gefahr eines neuen Kerneuropas, das die gemeinsame Rechtsordnung, die das eigentliche Erfolgskonzept der europäischen Integration ist, in eine Patchwork-Lösung veränderte und das intergouvernementale Europa mit der Übermacht der großen Staaten, das wir aus historischer Erfahrung doch überwinden wollten, erneut entstehen ließe. Gerade wir Deutschen wollen mit unseren Nachbarn in dieser Rechtsordnung leben und lehnen deshalb Staaten 1., 2. oder 3. Klasse ab.

Aber es muss auch klar sein, dass die Bürger Sorge vor den Problemen der Globalisierung haben und Europa als Teil des Problems und nicht der Lösung betrachten. Darum muss es der die EU gelingen im Meer der Globalisierung Wettbewerbsfähigkeit und soziale Gerechtigkeit miteinander zu verbinden und Schutz bieten. Die Charter der Grundrechte und die soziale Querschnittsklausel des neuen Vertrags werden dazu ihren Beitrag leisten.

Dies gilt auch für die Wahrung nationaler, insbesondere kultureller Identität, und der "Einheit in Vielfalt".

EU muss durch praktische Arbeit überzeugen

Die EU braucht nun eine Phase der Konsolidierung nach Binnenmarkt, Euro und Erweiterung. Die Umsetzung von Gesetzgebung hat Vorrang vor neuer. Und auch die Erweiterung kann nicht ungebremst fortgesetzt werden. Vor allem muss nach Verabschiedung des Vertrages von Lissabon erst einmal Schluss sein mit institutionellen Debatten. Wir müssen uns in den Institutionen auf das konzentrieren, was der Bürger für notwendig erachtet. Die EU muss durch ihre praktische Arbeit überzeugen. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die EU durch Überregulierung die Bürger malträtiert. Der wirtschaftliche und soziale Nutzen für den Bürger, Verbraucherschutz für den mündigen Bürger, Umweltschutz in Balance mit Wirtschafts- und Sozialpolitik sind Felder, in denen die EU äußerst erfolgreich war, es aber auch hin und wieder übertrieben hat.

Vor allem muss aber auch deutlich gemacht werden, dass wir Europäer nur gemeinsam in dieser Welt unsere politischen und wirtschaftlichen Interessen erfolgreich vertreten können. Nur gemeinsam können wir unsere wertgebundene, auf Prävention den Schwerpunkt legende Politik in der transatlantischen Allianz verwirklichen und unsere Interessen gegenüber China, Indien und Russland vertreten.

Dies gilt auch für die Durchsetzung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Stabilität in unserer Nachbarschaft.


Elmar Brok ist Europa-Abgeordneter der CDU. Er gehört dem Vorstand der Europäischen Volkspartei an und war einer der drei Vertreter des Europaparlaments in der Regierungskonferenz, die den Vertrag von Lissabon ausgearbeitet hat.