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Politik

Tschechiens Kaninchenzüchter fürchten die EU

Luboš Palata
15. Juni 2021

Die Abschaffung der Käfighaltung in der EU könnte für die traditionelle Kaninchenzucht in der Tschechischen Republik das Aus bedeuten - wenn Kaninchenställe als Käfige definiert werden.

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Jitka Kotusová, eine Kaninchenzüchterin aus dem tschechischen Úvaly
Kaninchenzüchterin Jitka Kotusová mit zwei ihrer Tiere. Im Hintergrund: Traditionelle KaninchenställeBild: Luboš Palata

Jitka Kotusová schüttelt den Kopf. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich Kaninchen irgendwo großartig anders verhalten als im Kaninchenstall," sagt die Nebenerwerbslandwirtin, die in der mittelböhmischen Stadt Úvaly einen kleinen Bauernhof mit ein paar Hühnern, Ziegen, Gänsen und einigen Dutzend Kaninchen betreibt. "Sicherlich nicht die, die von Kaninchenschau zu Kaninchenschau fahren, wie meine es tun", fügt sie im Gespräch mit der DW hinzu.

"Schon mein Großvater hat zu Hause Kaninchen gezüchtet", erzählt Kotusová, die auch als Preisrichterin für den tschechischen Kaninchenzüchterverband tätig ist und mit ihren Tieren schon viele Kaninchenschauen gewonnen hat. Auch wenn einige ihrer Kaninchen "im Backofen" landen - das Hauptziel der 40-Jährigen ist, die besten Exemplare zu züchten und als Zuchttiere zu verkaufen. Denn während das Fleisch eines Kaninchens in Tschechien zehn bis fünfzehn Euro kostet, kann ein Tier mit Stammbaum schon mal hundert Euro einbringen.

Ausstellungsexemplare der Chinchilla-Kaninchenrasse bei einer Kaninchenschau in Tschechien
Zwei Exemplare der Kaninchenrasse "Chinchilla" auf dem Bauernhof von Jitka KotusováBild: Luboš Palata

Dieses Geschäft, das gleichzeitig das Hobby von tausenden Kaninchenzüchtern in der Tschechischen Republik ist, könnte nun durch eine EU-weite Petition und die anschließende Resolution erschüttert werden, die das Europäische Parlament (EP) am 10. Juni 2021 verabschiedet hat. Denn darin wird die Europäische Kommission aufgefordert, bis zum Jahr 2027 jegliche Käfighaltung von Tieren in der Europäischen Union zu verbieten.

Die tschechischen EP-Abgeordneten haben die Resolution begrüßt - nicht zuletzt, weil Tschechien bereits 2020 ein nationales Verbot der Käfighaltung bis 2027 beschlossen hatte. "Ein europaweites Verbot beseitigt den unfairen Wettbewerb mit Ländern, die die Käfighaltung noch nicht verboten haben, und das in- und außerhalb der EU", erklärt die tschechische Europaabgeordnete Michaela Šoldrová (EVP) gegenüber der DW.

Hühner sind keine Kaninchen

Auch Dita Charanzová (Renew Europe), die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, begrüßt die Annahme der Resolution: "Ich habe die Initiative für ein Ende des Käfigzeitalters begrüßt, der sich rund 1,4 Millionen EU-Bürger angeschlossen haben, darunter etwa 50.000 Tschechen, und ich habe sie bei der Abstimmung über die Resolution gerne unterstützt", erklärt Charanzová gegenüber der DW.

Dita Charanzová Vizepräsidentin des Europäischen Parlament
Dita Charanzová (Renew Europe), die Vizepräsidentin des Europäischen ParlamentsBild: EP

Die Resolution, die von einer klaren Mehrheit aller EP-Abgeordneten unterstützt wurde, dehnt das Verbot der Käfighaltung jedoch auf alle Nutztiere aus - also auch auch auf Kaninchen. Die aber waren nicht Gegenstand des tschechischen Verbots der Käfighaltung, die in erster Linie auf Hühner zur Produktion von Eiern abzielte.

Stall oder Käfig?

Die europäische Kampagne gegen die Käfighaltung aller Nutztiere könnte nun die tschechischen Kaninchenzüchter gefährden. Dabei können sich Kleinbauern in dem EU-Land nicht vorstellen, Kaninchen anders zu halten als in Ställen. "So machen wir das hier schon seit dem 19. Jahrhundert", sagte Tomáš Červinka, der stellvertretende Vorsitzender der tschechischen Zentralen Fachkommission der Kaninchenzüchter (ÚOK), gegenüber der DW.

Tschechien  Kaninchenzucht
Blick in einen traditionellen KaninchenstallBild: Luboš Palata

Bei der EU-Initiative komme es nun darauf an, wie der traditionelle Kaninchenstall eingeordnet wird: "Kleine tschechische Kaninchenfarmen werden nicht wie klassische Käfigfarmen geführt. Ein Kaninchenstall ist kein Käfig, sondern in der Regel ein sogenannter Wurfstall mit einem festen Boden", erklärt der Tierarzt und Vorsitzende des tschechischen Instituts für Kaninchenzucht, Miloslav Martinec, gegenüber der DW. "Deshalb ist nun die Frage, wie diese Käfige in der europäischen Richtlinie definiert werden."

Kaum Alternativen

Seinen Mitgliedern empfiehlt der Verband zum Beispiel, dass große Kaninchenrassen einen Stall von mindestens einem Quadratmeter haben sollten. Anders sieht es in großen Zuchtbetrieben mit vielen Tausend Kaninchen aus, von denen es auch in Tschechien einige gibt und wo laut Martinec tatsächlich manchmal Käfige eingesetzt werden, die diesen Namen auch verdienen.

Tschechien Industrielle Käfigzucht von Kaninchen
Blick in einen Käfig in einem großen Kaninchen-Zuchtbetrieb in TschechienBild: ÚOK-Archiv

Für große Züchter gibt es laut Tierarzt Doktor Martinec kaum Alternativen zur dieser Form der Haltung. "Wegen Parasiten- und Infektionskrankheiten ist es für die Gesundheit der Tiere am besten, wenn der Käfig einen Rost statt eines festen Bodens hat", so der Veterinär. "Wenn dabei jedoch ausreichend Qualitätseinstreu zur Verfügung gestellt wird, ist diese Haltung für die Tiere natürlicher und artgerechter als die Haltung in kleinen Ställen", fügt er hinzu.

Mehr Wohnzimmer, weniger Backofen

Für den Tierarzt Martinec ist es denkbar, dass Kaninchen in Zukunft in "halbwilden" Gehegen gehalten werden, wo sie sich ihre Bauten wie in der Natur graben können. Dies wäre jedoch ein Problem im Hinblick auf die vorbeugende Impfung gegen Krankheiten, an denen Kaninchenpopulationen heute häufig leiden, wie z. B. Myxomatose. "Prinzipiell ist eine Haltung in Gehegen aber möglich", so Martinec, "aber dabei ist die Rentabilität der Kaninchenzucht für Fleisch nicht mehr gegeben."

Kaninchenzucht, auch in kleinem Maßstab, sei Teil der Landwirtschaft. "Die Selbstversorgung mit Kaninchenfleisch und Eiern hat bei uns Tradition", resümiert Martinec, der seit 50 Jahren selbst Kaninchen züchtet. "Wenn die Zuchtstandards befolgt werden, kann auch ein einfacher Kaninchenstall sowohl gut für das Tier sein, als auch für die Selbstversorgung der Familie", fügt er hinzu.

Letztendlich aber ist das goldene Zeitalter der Kaninchen in Tschechien ohnehin vorbei - es sei denn, man zählt den Boom der "Mini-Kaninchen" als Spielgefährten für Kinder in Privatwohnungen mit. Der Verbrauch von Kaninchenfleisch dagegen ist in den vergangenen zwanzig Jahren von drei Kilogramm pro Person und Jahr auf nur noch 1,5 Kilogramm gesunken. Jitka Kotusová, die Kaninchenzüchterin aus Úvaly, sieht das auch in ihrer Umgebung: "Vor dreißig Jahren gab es neunzig von uns im lokalen Verein, heute sind wir nur noch neun."

Luboš Palata Europaredakteur der tschechischen Tageszeitung "Deník".