Bis in die 1990er Jahre war das Auto der Deutschen "liebstes Kind". Heute ist es vor allem jungen Leuten egal: In den Städten ist man ohne Auto besser unterwegs. Und mit dem Internet kann man die ganze Welt erreichen.
Früher wurde man in Deutschland mit 21 Jahren volljährig. Doch richtig erwachsen war man erst, wenn man den Führerschein und ein eigenes Auto hatte. Auch Heribert Schröder kaufte sich in den 70er Jahren pünktlich zu seinem 21. Geburtstag für 150 D-Mark einen eigenen Gebrauchtwagen. Ab diesem Tag werkelte er fast jede freie Minute daran herum. Vor allem für junge Männer war das Auto damals ein wichtiges Statussymbol, das ihnen ein Gefühl von Freiheit gab. Plötzlich konnte man ferne Ziele erreichen und natürlich auch die Mädchen beeindrucken.
Dass sich die Liebe der Deutschen zum Auto heute verändert hat, muss die Automobilindustrie jetzt schmerzlich zur Kenntnis nehmen. Circa 40 Prozent der jungen Erwachsenen in den Städten ist das eigene Auto nicht mehr wichtig, und der Anteil der jungen Neuwagenkäufer hat sich mehr als halbiert. Die neuen Statussymbole heißen iPhone und iPad, glaubt der Automobil-Experte Stefan Bratzel. Denn durch die soziale Vernetzung im Internet kann man Menschen vom anderen Ende der Welt kennenlernen, ohne sich selbst auf den Weg machen zu müssen.
Dazu kommt, dass es in den Städten nicht genug Parkplätze gibt, Autofahrer oft im Stau stehen und Autos die Umwelt belasten. Zudem seien die öffentlichen Verkehrsmittel wie Busse und Bahnen wesentlich besser als früher, meint Bratzel. Weil neue Kunden fehlen, muss die Autoindustrie jetzt umdenken. Peugeot hat in Berlin ein Carsharing-Projekt ins Leben gerufen. Dass ein Autohersteller seine Autos nicht verkauft, sondern an mehrere Leute verleiht, ist neu. Aber das Ziel bleibt gleich: Der Kunde soll sich natürlich bei jeder Fahrt ein bisschen mehr in das Auto verlieben und später doch ein eigenes Auto kaufen.
Glossar
jemandes "liebstes Kind" (Genitiv) – umgangssprachlich für: etwas, das man besonders gerne mag
volljährig – so alt, dass man z.B. wählen darf; erwachsen
D-Mark, die – Abkürzung für: Deutsche Mark; Währung in Deutschland von 1948 bis 2001
Gebrauchtwagen, der – ein Auto, das vorher einer anderen Person gehört hat
an etwas herumwerkeln – umgangssprachlich für: an etwas arbeiten; etwas reparieren
Statussymbol, das – ein Gegenstand, mit dem man seine hohe gesellschaftliche Stellung zeigen will
jemanden beeindrucken – dafür sorgen, dass jemand einen toll findet und bewundert
Automobilindustrie, die – die Gemeinschaft der Autohersteller
etwas schmerzlich zur Kenntnis nehmen – etwas Unerfreuliches feststellen
Anteil, der – ein Teil vom Ganzen
etwas halbiert sich – etwas nimmt genau um die Hälfte ab
soziale Vernetzung, die – der Kontakt, den Menschen durch das Internet miteinander bekommen können, z.B. bei Facebook
sich auf den Weg machen – hier: sich fortbewegen
Stau, der – eine Reihe von Autos, die sich gar nicht oder nur langsam weiter bewegen
öffentlichen Verkehrsmittel, die – Fahrzeuge, in denen jeder gegen Geld mitfahren kann
umdenken – seine Meinung ändern
Carsharing, das (aus dem Englischen) – ein Leihangebot für Autos, bei dem sich mehrere Personen ein Auto miteinander teilen
etwas ins Leben rufen – etwas gründen
Fragen zum Text
1. Früher wollten viele junge Männer ein eigenes Auto haben, um …
a) mit dem Verleih Geld zu verdienen.
b) junge Frauen kennenzulernen und Anerkennung zu bekommen.
c) nicht so viel Geld für Busse und Bahnen bezahlen zu müssen.
2. Heute kaufen sich die meisten kein eigenes Auto, weil …
a) sie mit öffentlichen Verkehrsmitteln seltener im Stau stehen und die Umwelt schonen.
b) sie lieber Motorrad fahren.
c) sie keinen Führerschein bekommen.
3. Die Automobilhersteller versuchen, neue Verkaufsideen …
a) auf den Weg zu machen.
b) zur Kenntnis zu nehmen.
c) ins Leben zu rufen.
4. Die Automobilindustrie möchte erreichen, …
a) dass die Menschen wieder mehr Autos kaufen.
b) mehr Autos zu kaufen.
c) dass mehr junge Leute ein Auto kaufen.
5. Bestimmen Sie die Wortart: "Dass Peugeot Autos verleiht, ist neu."
a) "Dass" ist ein Relativpronomen.
b) "Dass" ist eine Konjunktion.
c) "Dass" ist ein Demonstrativpronomen.
Arbeitsauftrag
Welche Art Statussymbole gibt es heute? Warum lassen sich viele Menschen davon beeindrucken? Machen Sie sich dazu Gedanken und sprechen Sie darüber im Kurs.
Autoren: Jutta Wasserrab/Matthias Mayr
Redaktion: Raphaela Häuser