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Die deutsche Sprache in Afrika

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Zuerst war Deutsch die verhasste Sprache der Kolonialherren. Heute aber interessieren sich immer mehr Afrikaner für die deutsche Sprache, schildert der kamerunische Germanist David Simo.

Streiten über Deutsch: Simo Illu 1

Die deutsche Sprache hat in Afrika eine Geschichte. Sie kam zunächst als eine Herrschaftssprache im Zuge der Kolonisation nach Afrika. Auch in diesem Kontext war ihre Einführung als Kommunikationssprache mit den Einheimischen alles andere als selbstverständlich. Viele Deutsche wollten gar nicht, dass die Afrikaner Deutsch lernen – und zwar aus unterschiedlichen Gründen: Die einen meinten, die Seele der Afrikaner könnte durch diese fremde europäische Sprache pervertiert und zerstört werden. Andere waren der Meinung, dass sie sich auch ohne die deutsche Sprache mit ihren Arbeitern verständigen konnten, zumal sich an manchen Küsten ein Pidgin, also eine reduzierte Sprachform, etabliert hatte, das als Lingua franca diente.

Andere Stimmen äußerten Zweifel, ob die Afrikaner überhaupt fähig seien, die deutsche Sprache zu lernen. Und wieder andere warnten davor, dass der Kontakt der Afrikaner zur deutschen Sprache und gar Kultur gefährliche Folgen haben könnte, zumal ihnen dadurch ein Bewusstsein vermittelt werde, das aus ihnen renitente und nicht mehr kontrollierbare Subjekte machen könnte. Die Diskussion wurde also von Deutschen geführt; die Afrikaner galten in dieser Debatte nicht als autonome Subjekte mit einem eigenen Willen.

Ausdruck der Unterwürfigkeit

Schließlich wurde die deutsche Sprache als Schulsprache eingeführt. Sie wurde für sie die Sprache des Herrn, durch die sie Befehle empfingen und ihre Unterwürfigkeit ausdrückten. Aber schon bald zeigte sich, dass der Kontakt mit dieser Sprache für die Afrikaner ganz andere, nicht geplante Auswirkungen haben sollte.

Der König der Bamun, Njoya in Kamerun, erfand während seiner Regierungszeit zwischen 1894 und 1933 eine Geheimsprache und -schrift. Die Erfahrung mit der deutschen Sprache animierte ihn dazu, die Deutschen zu imitieren. Er sprach und schrieb nicht einfach nur Deutsch, sondern schuf eine eigene Sprache mit einem eigenen Alphabet, womit er über seine Geschichte und Kultur schreiben konnte. Diese von ihm erfundene Geheimsprache beinhaltet deutsche Laute, die aber eine ganz andere Bedeutung haben. Es wurde also etwas Neues geschaffen, statt nur nachzuahmen.

Streiten über Deutsch: Simo Illu 2

Dieses Beispiel zeigt, dass beim interkulturellen Kontakt, auch in einem asymmetrischen Kontext, der Modus der Kommunikation nicht nur Diffusion und Akkulturation ist. Die Afrikaner haben sich viele deutsche Wörter angeeignet und in ihre eigenen Sprachen eingeführt und ihnen neue Bedeutungen gegeben. Diese Wörter benennen nicht nur die Realität, sondern halten auch das Gedächtnis für das Durchgemachte und Erlittene lebendig.

Deutsch als Unterrichtsfach – nicht überall beliebt

Heute bietet die Geografie der deutschen Sprache in Afrika ein ausdifferenziertes Bild. In manchen Ländern wird Deutsch als Schulfach angeboten. Im südlichen Afrika etwa etablierte sich Deutsch als Unterrichtsfach schon im 19. Jahrhundert. Es war zunächst die Sprache der deutschen Einwanderer sowohl in Südafrika als auch in Namibia, wurde dann aber auch als Fremdsprache in Südafrika angeboten – zunächst nur für die Weißen, später auch für die Nicht-Weißen. Inzwischen wird das Deutsch-Angebot an ehemals schwarzen Schulen immer wichtiger, während an ehemals weißen Schulen das Interesse an der deutschen Sprache sinkt. Insgesamt ist die deutsche Sprache in Südafrika auf dem Rückzug; immer weniger Menschen lernen Deutsch in der Schule oder studieren Germanistik an der Universität.

Anders ist es in den Ländern Nordafrikas – abgesehen von Libyen und Mauretanien – und im frankophonen Westafrika. Hier hat sich Deutsch als Schul- und Universitätsfach nicht nur auf einem hohen Niveau konsolidiert, es gibt sogar einen Zuwachs an Deutsch-Lernern. In den frankophonen Ländern wurde Deutsch bereits in der Kolonialzeit eingeführt. Zunächst war es die Sprache der Feinde und wurde im Geist der Revanche unterrichtet, bevor Deutsch im Zuge der Annäherung zwischen Frankreich und Deutschland zur Sprache der Verbündeten wurde.

Wer Deutsch lernt, tut es freiwillig

Nach der Unabhängigkeit übernahmen die meisten frankophonen Staaten das schon eingeführte französische Curriculum. Die Fächer erhielten jedoch eine neue Perspektive und Legitimation. Der Deutschunterricht wurde als Symbol der allseitigen Öffnung zur Welt gesehen und als Zeichen des Willens der neuen Staaten, ihren wirtschaftlichen und kulturellen Kontakt nicht auf die ehemalige Kolonialmacht zu beschränken, sondern auch zu anderen Ländern zu erweitern. Auch in einigen anglophonen Staaten wurde nach der Unabhängigkeit Deutsch als Unterrichtsfach eingeführt, es erfuhr aber nie die Bedeutung wie im frankophonen Afrika. In meiner Heimat Kamerun lernen heute 150.000 Schüler Deutsch; knapp 1.000 Studenten sind für das Fach Germanistik an insgesamt vier Universitäten eingeschrieben.

Streiten über Deutsch: Simo Illu 3

Warum lernen so viele Afrikaner Deutsch? Immerhin ist Deutsch an den Schulen und Universitäten ein Wahlfach, kein Pflichtfach. Wer Deutsch lernt, tut es freiwillig. Außerdem gilt es als ein schwieriges Fach. Offenbar kommen aber viele Afrikaner in Kontakt mit der deutschen Sprache und finden Gefallen daran. Der Grund dafür ist oftmals nicht die Sprache selbst, sondern ihre Funktion als Brücke zu deutscher Musik, Literatur, Philosophie und Wissenschaft – natürlich auch zum deutschen Fußball. Und dann gibt es noch die pragmatischen Erwägungen: den Wunsch, in Deutschland zu studieren oder zu leben, den beruflichen Ein- oder Aufstieg als Deutschlehrer oder Diplomat, als Tourismusfachmann oder -frau. In Kenia beispielsweise ist Deutsch längst zur Pflichtsprache geworden für all jene, die in der Tourismusbranche arbeiten. Denn aus keinem Land kommen so viele Urlauber nach Kenia wie aus Deutschland; die Branche musste sich darauf einstellen. In Kamerun ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten, auch hier werden bereits deutschkundige Fremdenführer ausgebildet.

Attraktivität der deutschen Sprache

Die Zukunft der deutschen Sprache in Afrika hängt also von vielerlei ab. Natürlich vom Rang der deutschsprachigen Länder und speziell von Deutschland in der Weltwirtschaft und Politik. Von diesem Rang hängen auch die Sichtbarkeit und die Attraktivität der deutschen Sprache ab. Wenn es darüber hinaus hochwertige geistige, künstlerische und wissenschaftliche Produkte sowie Bildungsmöglichkeiten gibt, die in deutscher Sprache produziert und angeboten werden, wird es immer Menschen geben, die diese Sprache erlernen. Wenn die Deutschen aber meinen, dass sie diese Angebote ebenso gut in englischer Sprache machen können, dann wird es immer weniger Gründe geben, Deutsch zu lernen.

NICHT LÖSCHEN!! Weißzeile für Projekt Sprache von Welt? Streiten über Deutsch
David Simo (Foto: privat)

Professor David Simo, Jahrgang 1951, leitet das Institut für Germanistik an der Universität von Jaunde, Kamerun. Zu seinen Fachgebieten gehören die neuere und neueste Deutsche Literatur sowie Postkoloniale Theorie und Kritik. Er beschäftigt sich intensiv mit den politischen und kulturellen Beziehungen zwischen Deutschland und Afrika. 2008 wurde er mit dem Reimar Lüst-Preis der Humboldt-Stiftung für herausragende Geistes- und Sozialwissenschaftler aus dem Ausland ausgezeichnet.


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