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Die deutsche Schule in Kabul

Peter Philipp14. Dezember 2001

In Kabul existiert seit 1924 eine deutsche Schule, die Amani-Oberrealschule. Dass Schüler und Lehrer genug Lehrmaterial sowie Lebensmittel und Kleidung bekommen, dafür sorgt ein Förderverein in Deutschland.

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Die Amani-Oberrealschule in KabulBild: FAOK

Dr. Detlef Meyer-Oehme, pensionierter Oberstudiendirektor bei Freiburg, ist mit der Amani Schule verbunden wie kein zweiter: Er verbrachte zwei jeweils sechsjährige Perioden als Lehrer für Biologie und Chemie an der Schule und er leitet heute einen Förderverein in Deutschland, der sich darum kümmert, dass die Schule Lehrmaterial bekommt, vor allem aber: Dass Lehrer und Schüler mit dem Nötigsten versorgt werden - oft genug nicht Bücher, sondern Lebensmittel und Kleidung. Denn die Schule hat unter den Wirren des Landes natürlich auch gelitten.

Schule blieb immer erhalten

"Erstaunlich ist, dass die Schule unter allen Regierungssystemen immer erhalten blieb. Das fing unter Emir Amanullah an und bis hin zu den Taliban ist diese Schule immer besonders gefördert worden, erhalten worden". Sie habe natürlich zum Teil sehr gelitten, vor allem bei dem Bürgerkrieg in den neunziger Jahren, aber es gebe auch andere Schulen, die noch stärker gelitten hätten. "Insofern sind wir froh, dass 1999 etwa dort wieder Unterricht beginnen konnte, und das ist vor allem der Arbeit der Construction Unit des German Medical Service zu verdanken, dass die Schule wieder so instand gesetzt wurde, dass hier einigermaßen intakte Unterrichtsräume in größerer Zahl wieder zur Verfügung standen". Natürlich dürfe man sich kein falsches Bild machen, wenn man das Wort "Gymnasium" oder "Oberrealschule" höre. Die Schule habe bis heute noch keinen Strom und keine Wasserleitung und keine Abwasserleitungen, das sei eben alles kaputt gegangen.

Prestige-Objekt Deutschlands

Immer wieder wurde aber neu begonnen und die Schule ist deswegen - obwohl aus politischen oder militärischen Gründen streckenweise ohne jede direkte deutsche Beteiligung - zu einem Prestige-Objekt Deutschlands in Afghanistan geworden. Mit einem entsprechenden Stellenwert bei der Bevölkerung des Landes und auch der Folge, dass erstaunlich viele Afghanen Deutsch sprechen, so Detlef Meyer-Oehme. "Die Amani-Oberrealschule hatte einen enormen Stellenwert in Afghanistan. Sie gehörte zu den führenden Schulen im Lande, und zahlreiche Führungskräfte sind dort ausgebildet worden. Viele Absolventen haben dann auch später Fortbildungsstudien in Deutschland absolviert, vor allem Ärzte und Ingenieure".

Das direkte deutsche Engagement brach denn auch nicht auf afghanische Initiative ab, sondern vermutlich unter Druck von außen. In den achtziger Jahren hätten die Kommunisten die Zusammenarbeit eingestellt, sagt Meyer-Oehme, "aber das war wohl auf Druck der Russen. Das war wohl keine afghanische Entscheidung, das kann ich mir kaum denken".

Nach der sowjetischen Besatzung hat die Schule - zur Zeit der Mudjahedin - wohl am meisten gelitten. So, wie die Stadt Kabul selbst auch. Unter anderem wurden vorübergehend Truppen in den inzwischen neuen Schulgebäuden untergebracht und die Schule wurde regelrecht geplündert. "Es waren damals zeitweilig 1000 Soldaten kaserniert, und die haben dort ein Chaos hinterlassen und haben die Deckenbalken herausgerissen, die kupfernen Elektrokabel entwendet und nach Pakistan verkauft, die Türen und Fenster verheizt und eine riesige Kloake hinterlassen".

Taliban wollten Koranschule einrichten

Unter den Taliban ist die Schule erstaunlicherweise am wenigsten in Mitleidenschaft gezogen worden. Die islamistischen Fanatiker hatten zwar vor, eine Koranschule daraus zu machen, das konnte jedoch durch den energischen Einsatz einer in Kabul verbliebenen Ortskraft der Botschaft verhindert werden.

Meyer-Oehme hat seiner Schule über die Jahre hinweg die Treue gehalten und sie - über seinen Förderverein wie auch im persönlichem Einsatz vor Ort - auch immer wieder mit dem Nötigsten versorgt. In diesen Wochen und sicher auch auf absehbare Zeit werden die Bedürfnisse der Schule natürlich unverändert groß sein und wahrscheinlich noch wachsen. "Zweck und Ziel unseres Fördervereins ist die ideelle und materielle Unterstützung der Schule. Wir fördern alle Maßnahmen, die der Ausbildung von afghanischen Buben - es ist ja eine Jungenschule - zu gute kommen". Das war vordringlich in der schwierigen Zeit humanitäre Hilfe an die Lehrer in Gestalt von Lebensmittelspenden, also Naturalien, "und zum anderen auch die Versorgung mit Lehrmitteln, angefangen bei den Deutschbüchern, bis über Turnschuhe und Volleybälle und mathematische Modelle und Chemikalien und ein Mikroskop und biologische Schautafeln und physikalische Geräte".

Abgesagte Reise wird nachgeholt

Der rüstige Pensionär wollte eigentlich auch in diesem Herbst seine Schule in Kabul besuchen, das wurde aber durch die militärischen Ereignisse verhindert. Er brennt aber förmlich darauf, diese Reise nachzuholen und dann vielleicht auch wieder länger in Kabul zu bleiben. Und dann würde auch seine Frau mitkommen und sich um Mädchenbildung besonders kümmern.