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Literatur

Die Aufrechte: Schriftstellerin Monika Maron zum 80.

3. Juni 2021

Zwischen Ost und West, links und rechts, gestern und heute - immer war sich Monika Maron ihr eigener Kompass. Nun wird die streitbare Autorin 80 Jahre alt.

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Die Schriftstellerin Monika Maron mit Zigarette in der Hand
Die Schriftstellerin Monika Maron 2016 während eines InterviewsBild: picture alliance/dpa/K-D. Gabbert

Für manche ist Monika Maron die bedeutendste DDR-Autorin neben Christa Wolf. Zu den Aufsehen erregendsten Gegenwartsautorinnen des inzwischen wiedervereinigten Deutschlands zählt sie zweifelsohne. Doch anders als die hochdekorierte Wolf (1929-2011) erlangte Maron ihren Schriftstellererfolg nicht bereits im sozialistischen Teil Deutschlands, wo sie von 1951 bis 1988 lebte. Ihr Debütroman "Flugasche" (1981) durfte dort nicht erscheinen, es war immerhin das erste "Umwelt-Buch" der DDR, das offen gravierende Umweltsünden anprangerte. Maron griff darin auf Erfahrungen als Industriereporterin im ostdeutschen Chemierevier zurück. "B.", also Bitterfeld, so schrieb sie, sei "die schmutzigste Stadt Europas".

"Flugasche" erschien also im westdeutschen Verlag S. Fischer. Da war Maron 40 Jahre alt. Nach dem Abitur hatte sie ein Jahr als Fräserin in einem Industriebetrieb gearbeitet. Dann studierte sie Theaterwissenschaften und Kunstgeschichte, arbeitete als Regieassistentin beim Fernsehen, und schrieb schließlich als Reporterin für die "Wochenpost" und die Frauenzeitschrift "Für Dich".

Die Anfänge als Schriftstellerin

Erst 1976 beginnt Monika Maron in Ost-Berlin als freie Schriftstellerin zu arbeiten. In frühen Romanen schreibt sie über das Leben im totalitären Überwachungsstaat. Nach der Wende weitet sich ihr Radius. Nun wird sie zur Chronistin des gesamtdeutschen Alltags. Besonders hart geht sie zunächst mit den Ostdeutschen ins Gericht: Die fühlten sich als Opfer der Wessis und täten so, als wüssten sie nicht, wie kaputt ihr Land gewesen sei.

"Animal Triste" von Monika Maron

Ihre oft unangepassten und widersprüchlichen Romanfiguren schickt sie auf die Suche nach individuellen, zeitgemäßen Lebensentwürfen. Teilweise ziehen sich ihre Geschichten über mehrere Bücher. Ob in "Flugasche", "Die Überläuferin" von 1986, "Stille Zeile Sechs" aus 1991, "Animal Triste" (1996), "Endmoränen" (2003) oder "Ach Glück" (2007) - häufig ecken die Protagonistinnen an, werden ausgegrenzt oder grenzen sich selbst aus. Sie verweigern sich, rechnen ab oder verfolgen eigene Träume, nicht selten radikal.

Bei allem, was sie - in einer sehr plastischen, eindringlichen und häufig Ich-bezogenen Sprache zu Papier bringt - bleibt Monika Maron eigenwillig, aber auch literarisch anspruchsvoll: Für ihren Roman "Bitterfelder Bogen" (2009) etwa kehrt sie nach 30 Jahren für eine neuerliche Bestandsaufnahme in die Stadt zurück. Sie erzählt von der Wiederauferstehung einer Region, die einst Synonym für marode Wirtschaft und Umweltzerstörung war und die sich nun zu einem "Solar Valley" gemausert hat. In "Munin oder Chaos im Kopf" (2018) bringt sie die junge Berlinerin Mina ins Gespräch mit einer schlauen Rabenkrähe.

In "Artur Lanz" (2020), ihrem jüngsten Roman, noch erschienen im Verlag S. Fischer, geht es um Männer und ihren Machtverlust, und um die Frage, was in dieser Gesellschaft noch gesagt werden darf, ohne den linken Mainstream infrage zu stellen. "Munin oder Chaos im Kopf" und "Artur Lanz" wurden denn auch als Thesenromane gelesen. Hier wie dort legt Maron ihren Figuren Meinungen zu Gender, Zuwanderung und Islam in den Mund. Viele Leserinnen und Leser sind irritiert: Ist Monika Maron islamfeindlich? Oder antiemanzipatorisch? Hat sich die einst linke Intellektuelle aus der DDR in eine Rückwärtsgewandte verwandelt?

Gespräch mit Monika Maron über Bitterfeld

Scharfzüngig und streitlustig

Neben ihrer schriftstellerischen Arbeit nimmt die mit vielen Preisen, darunter dem Deutschen Nationalpreis, ausgezeichnete Monika Maron immer wieder zu gesellschaftlichen Fragen Stellung. In politischen Essays kritisiert sie etwa einen "unaufgeklärten Islam" und dessen Herrschaftsanspruch. Sie warnt vor "Toleranz gegenüber der Intoleranz". Sie kritisiert die vermeintliche Überfremdung Deutschlands durch eine "Völkerwanderung", genährt durch einen "Willkommenswahn" der Regierenden unter Kanzlerin Angela Merkel. Völlig unerklärlich findet sie einen um sich greifenden "Genderkauderwelsch".

Wortwahl und Positionen Marons klingen nach AfD-Nähe. Macht sich die streitbare Autorin zum Sprachrohr der Neuen Rechten? "Ich sage, was ich denke", erklärt die so Gescholtene in einem Interview im Deutschlandfunk, "ich komme zu meinen Überzeugungen oder Meinungen, indem ich mir die Welt angucke oder darüber lese oder eine Meinung gegen die andere abwäge und mich da irgendwie orientiere. Ob das rechts ist, ist mir am Ende vollkommen egal, weil: Ich muss es richtig finden."

Kindheit und Jugend in der DDR

Monika Maron wuchs bei ihrer Mutter Hella (Helene) Iglarz auf. Ihr Vater durfte ihre Mutter, die als "halbjüdisch" galt, wegen der Nürnberger Rassengesetze der Nazis nicht heiraten. Nach Kriegsende lebte Hella Iglarz mit ihrer Tochter Monika in West-Berlin, bis sie den SED-Funktionär und späteren DDR-Innenminister Karl Maron kennenlernte und 1955 heiratete. Die Familie zog nach Ost-Berlin, Monika Iglarz nahm den Familiennamen ihres Stiefvaters an. Und auch das gehört zur Vita Marons: Ab Oktober 1976 war sie zeitweise Zuträgerin des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit - bevor sie selbst bis zu ihrer Ausreise 1988 observiert wurde.  

Schriftstellerin Monika Maron wird 80
Sieht die Welt mit kritischen Augen: Die Schrifstellerin Monika Maron Bild: Sven Simon/imago images

Gelten lässt Maron Kritik an ihren Büchern, nicht aber an ihrer Haltung. Die Schriftstellerin versteht sich als gut informierte, freiheitlich denkende Zeitgenossin. Worüber sie schreibt, steht täglich in der Zeitung. Doch selbst der S. Fischer Verlag geht nun auf Distanz zu seiner Autorin und wirft sie - nach 40-jähriger Zusammenarbeit - aus dem Programm. Die offizielle Begründung: Maron habe 2020 einen Essayband beim Buchhaus Loschwitz in Dresden veröffentlicht, den der Antaios-Verlag vertrieb - beides Organe der neurechten Bewegung in Deutschland. Maron sei mithin "politisch unberechenbar".

Was manche überfällig, andere wiederum für Cancel Culture halten, löst sich bald auf, denn rasch findet die Autorin eine neue verlegerische Heimat: Bei "Hoffmann und Campe" erscheint nun, aus Anlass von Marons 80. Geburtstag, ein Essayband mit ausgewählten Aufsätzen aus vier Jahrzehnten. Sein Titel: "Was ist eigentlich los?". Monika Maron, die streitbare Schriftstellerin, das scheint gewiss, wird nicht ruhen, sich und uns diese Frage zu stellen.