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Die amerikanischen Vorwahlen: Ein Kampf um Delegierte

20. April 2004

Religion und Sicherheitspolitik werden im Rennen um das Präsidentenamt in den USA eine herausragende Rolle spielen. Diese Meinung vertritt Dieter Dettke von der Friedrich-Ebert-Stiftung in seiner Wahlkampf-Analyse.

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Was sich jetzt nach den Caucus-Wahlen in Iowa und der ersten Primärwahl in New Hampshire in Amerika abspielt – vor allem in der Demokratischen Partei-, ist ein Kampf um Delegiertenstimmen für die Nominierung. Die Demokraten wählen ihren Kandidaten offiziell auf ihrem Parteikonvent Ende Juli in Boston, Massachusetts. Die Republikaner wählen ihren Kandidaten Ende August in New York City. George W. Bush hat in den landesweiten Vorwahlen, die in jedem Einzelstaat nach zum Teil unterschiedlichen Regeln stattfinden, keinen ernsthaften Gegenkandidaten. Er gewann die Primärwahl der Republikanischen Partei in New Hampshire mit rund 90 Prozent der Stimmen bei geringer Wahlbeteiligung ohne einen einzigen Wahlkampfauftritt. Seine Nominierung auf dem Parteikonvent der Republikaner, eine Art Wahlparteitag bei uns, ist reine Formsache. Sobald der Kandidat der Demokraten feststeht, d.h. sobald ein Kandidat die Mehrheit der Delegiertenstimmen (insgesamt sind es 4322 Stimmen: benötigt werden also 2161 Stimmen) hinter sich hat, beginnt der Hauptwahlkampf.

Alles spricht für Kerry

Der Kandidat der Demokraten wird dann der eigentliche politische Gegenspieler des Präsidenten. Zur Zeit spricht alles dafür, dass John Kerry nach seinen Vorwahlsiegen in Iowa und New Hampshire das Ziel, eine Mehrheit hinter sich zu bringen, bald erreichen wird. Dann richtet sich die Aufmerksamkeit vor allem darauf, wen er als seinen Vizepräsidentskandidaten auswählen wird. Eine Option, über die jetzt viel spekuliert wird, wäre John Edwards, der aus dem amerikanischen Süden stammt (North Carolina) und in den Vorwahlen die am 2. Februar in insgesamt 7 Statten mit 280 Delegiertenstimmen stattfinden, gut abschneiden wird.

In rascher Folge finden dann weitere Vorwahlen am 7., 8., 10., 14., 17. und 24. Februar statt, und am 2. März wählen insgesamt zehn Staaten, darunter Kalifornien mit 173 und New York mit 102 Delegierten. Spätestens dann steht der Kandidat der Demokraten fest und der Hauptwahlkampf beginnt. Gewinnt John Kerry die Mehrheit der Delegiertenstimmen, wird vom Demokratischen Parteikonvent in Boston Ende Juli ein mächtiges Signal ausgehen, George W. Bush in den Wahlen am 2. November als Präsident abzulösen.

Aber die Demokraten werden es schwer haben, die Wahlen gegen einen Amtsinhaber zu gewinnen, der zwar umstritten ist, aber ein hohes Maß and Popularität besitzt, vor allem im ländlichen Amerika. Die amerikanische Öffentlichkeit ist gespalten. An George W. Bush scheiden sich die Geister. Zum Teil treffen in diesem Wahlkampf fundamentale Gegensätze aufeinander:

  • Christliche Legitimation von Politik und Säkularisierung

  • Arm und Reich

  • Stadt und Land

  • Gewerkschaften und Unternehmer

  • Tradition und Konservatismus und Fortschrittsglaube und Moderne

  • Nationalismus und Kosmopolitismus

  • Individualismus und Gemeinschaft

Religiöses Amerika

Zuspruch und Unterstützung am Wahltag erhofft sich George W. Bush vor allem von den evangelikalen Christen Amerikas. Im Gegensatz zu Europa nimmt in Amerika die Religiosität seit den 60er Jahren wieder zu. Mehr als 80 Prozent der Amerikaner glauben an Gott und bis zu zwei Drittel sind Mitglieder einer Kirche. 39 Prozent bezeichnen sich als wiedergeborene Christen. Die Republikanische Parteibasis sind heute vor allem die weißen, evangelikalen Christen. In vielen Einzelstaaten hat die christliche Rechte die Republikanische Partei erfolgreich erobert. Die Identifikation mit den gläubigen Christen Amerikas bestimmt ganz entscheidend die Republikanische Wahlkampfstrategie. Dabei wird das Thema gleichgeschlechtliche Ehe eine entscheidende Rolle spielen. Die Mehrheit der Amerikaner (59 Prozent) lehnt die gleichgeschlechtliche Ehe ab. Nur 32 Prozent akzeptieren sie. Aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in der amerikanischen öffentlichen Meinung eignet sich das Thema hervorragend zur Mobilisierung der christlichen Parteibasis der Republikaner, die in der gleichgeschlechtlichen Ehe eine Gefährdung der Heiligkeit der Ehe sieht. Präsident Bush versprach in seiner Rede zur Lage der Nation am 20. Januar, die Heiligkeit der Ehe zu verteidigen.

Sicherheitspolitik

Im Vordergrund wird jedoch die Verteidigung des Landes und die Auseinandersetzung mit dem internationalen Terrorismus stehen. Sicherheit nach innen und außen ist das zentrale Thema für die Bush-Administration. Sie wird daraus die Notwendigkeit einer kontinuierlichen und stabilen politischen Führung ableiten. Die nach wie vor vorhandene Bedrohung durch den Terrorismus bietet auch die Möglichkeit, sich mit der Aura eines fortgesetzten Ausnahmezustandes zu umgeben und den politischen Wechsel als Gefahr für die Nation darzustellen.

Als Vietnamkriegsveteran und langjähriger Senator mit großer Kompetenz nicht nur in Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik, sondern auch wenn es um Medicare und Medicaid, Krankenversicherung und Fragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik geht, wäre John Kerry ein ernst zu nehmender Herausforderer für George W. Bush.

Dr. Dieter Dettke ist Leiter des Büros Washington der Friedrich-Ebert-Stiftung