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Die 10 wichtigsten Wissenschafts-Entwicklungen 2021

20. Dezember 2021

Das Fachjournal "Science Magazine" hat zehn bahnbrechende Entwicklungen des Jahres benannt, etwa die dreidimensionale Darstellung von Proteinen. Es gibt allerdings auch drei bedenkliche Entwicklungen.

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Menschliche Proteine
Bislang sind nur die Strukturen von etwa einem Drittel der menschlichen Proteine analysiertBild: EMBL-EBI/Handout/AFP

Es ist zwar nicht der Nobelpreis, mit dem meist gealterte Forschende für wegweisende Entdeckungen ausgezeichnet werden, die sie vor Jahrzehnten gemacht haben.

Aber es ist schon wichtig, wen oder was das weltweit angesehene Fachjournal "Science Magazine" alljährlich auflistet. Denn das sind meistens tatsächlich die Entwicklungen und Forschenden, die aktuell außerordentlich wichtig sind. Oder die besonders negativ auffielen.

Breakthrough of the Year 2021

Als "Durchbruch des Jahres" würdigt "Science" im Jahr 2021 eine revolutionäre Technik, die uns auch in der aktuellen Pandemie hilft: Die auf Künstlicher Intelligenz (KI) beruhende Technik zeigt uns überaus schnell und anschaulich, wie Proteine aussehen und funktionieren. Dank der neuen Technik können die winzig kleinen Proteine so exakt wie nie zuvor analysiert und dreidimensional dargestellt werden.

Laut "Science" sei das Verfahren ähnlich revolutionär wie die molekulare Genschere CRISPR/Cas9, die ebenfalls erneut gewürdigt wurde und mittlerweile zum Standardtool der Molekularbiologie gehört, weil sich mit ihr einfach und präzise gentechnische Veränderungen vornehmen lassen.

Proteine bestehen aus langen Ketten und bilden komplexe Knäuel, die bestimmte Aufgaben erfüllen. Bestimmte Proteine wie Enzyme können zum Beispiel Zuckermoleküle spalten. Aminosäuren bestimmen, wie die Ketten jeweils aufgebaut sind. Und die Abfolge der Aminosäuren wiederum ist in unseren etwa 20.000 Genen vorgegeben.

Schneller und preiswerter Proteinstrukturen analysieren

Bislang sind nur die Strukturen von etwa einem Drittel der menschlichen Proteine analysiert. Denn bisher war es sehr langwierig und teuer, den Aufbau der Proteine mittels Röntgenkristallographie und Kryoelektronenmikroskopie zu bestimmen.

Das geht mit den neuen KI-Programmen AlphaFold und RoseTTAFold jetzt deutlich schneller und billiger. Denn die Forschenden müssen nur noch die im Erbgut angelegte Aminosäuresequenz eines Proteins in den Computer eingeben und die neue Technik erstellt das entsprechende dreidimensionale Modell.

Protein (atomare Visualisierung)
Ein Bereich des Spike-Proteins aus dem COVID-19-Virus: Jede Zacke besteht aus über 20.000 AtomenBild: Maximilian Schönherr/picture-alliance

Das Team um den AlphaFold-Entwickler John Jumper hat so bereits für fast alle menschlichen Proteine die entsprechenden Strukturen ermitteln können, denn das KI-gestützte Tool durchsucht alle bereits in den Datenbanken hinterlegten Proteinstrukturen und trainiert sich dabei praktisch selbst.

Grundkenntnisse für Entwicklung von Medikamenten

Erst wenn die Forschenden die exakte Struktur und Funktion eines Proteins kennen, können sie auch dessen Funktion im Körper verstehen. Das neue Wissen hilft auch bei der Entwicklung von Medikamenten, die exakt auf bestimmte Proteine abgestimmt sind.

In der derzeitigen Pandemie können die Forschenden mit der neuen KI-Technik die Auswirkungen von Mutationen auf die Form des Spike-Proteins modellieren, an das das Coronavirus an Körperzellen andockt. Im Moment wird so etwa berechnet, ob die Omikron-Variante des Coronavirus die menschlichen Antikörper nicht mehr so gut bindet und ob der Immunschutz deshalb abnimmt.

Neun weitere Errungenschaften

Neben der bahnbrechenden KI-Technik wirft "Science Magazine" aber auch ein Schlaglicht auf neun weitere wissenschaftliche Entwicklungen, die das Wissenschaftsjahr 2021 prägten.

Besonders bemerkenswert sei etwa ein Verfahren, von dem vor allem die Archäologie und Urgeschichtsforschung profitiert, da mit der neuen Methode menschliche DNA aus dem Erdreich gewonnen werden kann, etwa von Neandertalern. Bislang brauchte es dafür immer die DNA von gefundenen Knochenfragmenten.

Leipziger Forscher präsentieren Neandertaler Report
Bislang nutzen Forschende Knochenpulver zur DNA-Bestimmung etwa bei NeandertalernBild: picture-alliance/dpa

Zudem gab es wegweisende Studien zu Psychedelika, die ganz neue Wege für die Behandlung von psychischen Störungen ermöglichen. Hierbei gehen die Einschätzungen allerdings weit auseinander, ob Psychedelika tatsächlich gegen Ängste und Depression eingesetzt werden sollten.

Die Entwicklung von menschlichen Embryonen ohne Befruchtung- auch dies könnte die Arbeit von Forschenden revolutionieren.

Beeindruckend war auch die gewaltige Fusionsreaktion, die in der US-amerikanischen National Ignition Facility (NIF) erzeugt wurde und die dabei helfen kann, vielleicht eines Tages die Energieprobleme der Erde zu lösen.

Physiker sind ganz elektrisiert von neuen Erkenntnissen aus der Teilchenphysik, da die im April gemeldete Diskrepanz von 2,5 Teilen pro Milliarde auf neue Teilchen hindeuten könnte.

Animation von dem NASA Lander InSight auf dem Mars
Technische Meisterleistung: Der NASA Lander InSight liefert unglaubliche Daten vom Inneren des MarsBild: IPGP/Nicolas Sarter

Fantastisch sind auch die Daten der NASA-Sonde InSight, die außergewöhnliche Rückschlüsse auf die Zusammensetzung im Inneren des Mars zulassen.

Und natürlich - wie könnte es anderes sein - hat es auch große Fortschritte bei der Entwicklung von künstlichen Antikörpern und von Medikamenten gegen SARS-CoV-2 gegeben.

Breakdowns: Drei besonders negative Entwicklungen

Neben den bahnbrechenden "Breakthroughs of the Year" hat "Science" aber auch die "Breakdowns", also die negativen Entwicklungen des Jahres benannt.

Dazu zählt laut dem Fachjournal eindeutig die schwindende Hoffnung, das ambitionierte 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens noch zu erreichen.

Demonstrantinnen und Demonstranten schieben einen selbstgebastelten Wagen in Form des Klimaziels "1,5 Grad"
Unser selbstgestecktes Klimaziel werden wir nicht mehr erreichen könnenBild: Annette Riedl/dpa/picture alliance

Negativ bewertet "Science" auch den verwirrenden Streit um das neue Alzheimer-Medikament mit dem Wirkstoff Aducanumab.

Und große Sorgen bereitet dem Magazin, dass in der derzeitigen Pandemie zunehmend auch Forschende massiv bedroht werden.

DW Mitarbeiterportrait | Alexander Freund
Alexander Freund Wissenschaftsredakteur mit Fokus auf Archäologie, Geschichte und Gesundheit@AlexxxFreund