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Ägypten: Razzien bei NGOs

31. Dezember 2011

Kairo hat zugesichert, die Razzien künftig zu unterlassen. Doch Hassiba Hadj Sahraoui, Afrika- und Nahost-Programmdirektorin bei Amnesty International, ist skeptisch. Warum, das erklärt sie im DW-WORLD-Interview.

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Aktivisten und Sicherheitskräfte bei Razzien in Kairo. Foto:Mohammed Asad/AP/dapd
Ein großer PolizeieinsatzBild: dapd

Die Durchsuchungen der Büros zahlreicher Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen in Kairo hat weltweit für massive Kritik gesorgt. Die Führung in Ägypten sicherte nun zu, keine weiteren Razzien durchzuführen. Das berichtete die US-Regierung in der Nacht zum Samstag (31.12.2011).

DW-WORLD.DE: Gibt es Augenzeugenberichte von den Durchsuchungen von Stiftungen in Kairo?

Hassiba Hadj Sahraoui: Mindestens fünf Büros von Stiftungen wurden am Donnerstag (29.12.2011) ab zwölf Uhr Ortszeit durchsucht. Durchgeführt wurden die Durchsuchungen von Spezialkräften des Militärs, Gründe wurden nicht genannt. Überraschend kam das alles nicht, das hat sich in den letzten Monaten schon angebahnt. Es gab eine regelrechte Kampagne der Heeresbefehlshaber gegen zivilgesellschaftliche Organisationen.

Was für Organisationen wurden durchsucht?

Mitarbeiter des National Democratic Institute in Kairo warten während der Razzia vor den Türen. Foto:Mohammed Asad/AP/dapd
Mitarbeiter des National Democratic Institute mussten während der Razzia vor die TürBild: dapd

Neben der Konrad-Adenauer-Stiftung auch drei amerikanische und zwei sehr angesehene ägyptische Organisationen. Uns liegen offizielle Bestätigungen vor, dass noch 17 weitere Gruppen im Fokus des Militärs standen. Noch ist unklar, ob in den kommenden Tagen mit weiteren Durchsuchungen zu rechnen ist - wir müssen wachsam bleiben. Mehr als 40 Gruppen stehen unter Beobachtung der staatlichen Autoritäten und über 300 Organisationen ausländischer Geldgeber.

Warum wurden ausländische Organisationen durchsucht?

Das ist ein Versuch, sich beim Volk beliebt zu machen. Die Autoritäten wollen zeigen: Diese Organisationen sind von außen, von fremden Mächten gesteuert, um das internationale Image Ägyptens zu beschädigen. Bemerkenswert ist auch, dass der Chef einer der beiden betroffenen ägyptischen Organisationen, des Arab Center for the Independence of the Judiciary, Mitglied der einzigen staatlichen Menschenrechtsorganisation Ägyptens ist und zudem bei den Parlamentswahlen kandidiert. Das zeigt die Willkür der Übergriffe recht gut. Und es zeigt, wie weit die ägyptischen Machthaber zu gehen bereit sind: Wenn sie jetzt schon ausländische Organisationen angreifen, was tun sie dann erst mit ägyptischen, die nicht durch eine Regierung geschützt und auf der internationalen Bühne sichtbar sind?

Mit welchen Konsequenzen ist zu rechnen?

Die ägyptische Polizei durchsucht ein NGO-Gebäude in Kairo. Foto:Mohammed Asad/AP/dapd
Ägyptische Polizisten bei der Durchsuchung von NGOs in KairoBild: dapd

Die Folgen für die Zivilgesellschaft sind enorm. Die Übergriffe erzeugen ein Klima der Angst. Diese Einschüchterungen sind inakzeptabel! Das einzig Gute ist, dass die meisten Aktivisten, mit denen wir gesprochen haben, unbeirrbar bleiben. Trotzdem muss man sich mehr Gedanken machen, möglicherweise wird man ja einfach ins Gefängnis geworfen.

Die internationale Gemeinschaft sollte sich schnell um das Benehmen des ägyptischen Militärrates kümmern (…). Die Verurteilungen häufen sich, Demonstrationen werden zerschlagen, Menschen ermordet, nun wurde die Zivilgesellschaft angegriffen - und wenn dies geschieht, ist es meist nur ein kleiner Schritt, bis das Schlimmste passiert.

Die deutsche und die amerikanische Regierung haben die Durchsuchungen scharf verurteilt.

Die ägyptische Institution, die die meisten internationalen Geldmittel bekommt, ist die ägyptische Armee. Vielleicht sollten einige westliche Regierungen ihre Zusammenarbeit mit Ägypten daher überdenken, um sicherzustellen, dass die Menschenrechte dort gewahrt bleiben.  

Hassiba Hadj Sahraoui ist Programmdirektorin für Afrika und den Mittleren und Nahen Osten bei Amnesty International London.

Die Fragen stellte Johanna Schmeller
Redaktion: Miriam Klaussner