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Die Spekulation soll eingedämmt werden

17. Mai 2010

Der Euro wankt, mehrere europäische Staaten sind massiv vom Staatsbankrot bedroht. Neben der aktuellen Krisenbewältigung wird angestrengt nach einem Weg gesucht, künftig die Finanzmärkte besser zu kontrollieren.

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Eine rote Ampel über der Skyline der Bankenstadt Fankfurt am Main (Foto: AP)
Über der Skyline der Bankenstadt Frankfurt am MainBild: AP

Es ist eine günstige Woche für finanzpolitische Forderungen. In der Bevölkerung herrscht Unmut über die Schieflage des Euro und bevorstehende Sparrunden. Gleichzeitig will die Bundesregierung bis Freitag alles dafür klar machen, einen 750- Milliarden-Euro-Rettungsschirm für die Gemeinschaftswährung aufzuspannen. Kanzlerin Angela Merkel möchte, dass möglichst viele Abgeordnete zustimmen und die wollen ihre Stimme nicht so einfach hergeben. SPD-Fraktionsführer Frank-Walter Steinmeier sagte, eine "nackte Kreditermächtigung" werde es nicht geben.

Sogar die Schwesterpartei CSU sendet Warnsignale aus: Generalsekretär Alexander Dobrindt versprach im "Münchner Merkur", man werde "das Milliardenpaket nicht einfach durchwinken". Sein Parteichef, Horst Seehofer, rief aus der bayerischen Staatskanzlei nach einer stärkeren Regulierung der Finanzmärkte - durch eine Finanztransaktionssteuer.

Der Vorstoß aus München freut Sozialdemokraten, Grüne und Linke. Denn sie fordern diese Abgabe schon seit langem - ebenso wie das globalisierungskritische Netzwerk "Attac". Anfang der 70er-Jahre hat der US-Ökonom James Tobin die Finanztransaktionssteuer vorgeschlagen. Seine Idee: Bei allen Finanzgeschäften soll eine Steuer erhoben werden. Ihre Höhe hängt von der Dauer der Anlage ab.

Kurzzeit-Zocker zahlen mehr

Wer seine Spekulation schon innerhalb eines Tages abwickelt, zahlt mehr als jemand, der sein Geld für einen ganze Woche anlegt - bei einem Monat oder länger wird es noch günstiger. Dadurch sinken die Erträge bei kurzfristigen Spekulationen und der Handel wird gebremst, hoffen die Befürworter der Steuer.

In Zeiten leerer Kassen erscheint die geplante neue Steuer doppelt attraktiv: Die SPD rechnet bei 0,05 Prozent Abgabe auf jede Finanztransaktion mit jährlichen Einnahmen von 200 Milliarden Euro auf EU-Ebene und bis zu 40 Milliarden Euro in Deutschland.

Weniger erfreut über Seehofers Vorstoß sind die Kollegen aus der Schwesterpartei CDU. "Der Herr Seehofer hat sich dafür ausgesprochen," sagt der finanzpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag etwas säuerlich, "innerhalb der gesamten CSU sehe ich das noch nicht und wir in unserer Fraktionsgemeinschaft sind für eine Bankenabgabe". Diese so genannte Finanzaktivitätssteuer ist auch der Favorit der Kanzlerin.

Merkels Zweifel

Kanzlerin Merkel ist nicht per se gegen die Transaktionssteuer. Sie glaubt aber, dass sie keine Chance hat, wenn sie nicht von allen Staaten weltweit eingeführt wird. Der Finanzplatz Deutschland würde darunter leiden, weil die Spekulanten auf andere Länder ausweichen würden.

Eine Finanzaktivitätssteuer hingegen würde weniger stark in die Märkte eingreifen, weil nur Gewinne und Gehaltszahlungen von Bankern besteuert werden. Diese Steuer empfiehlt der Internationale Währungsfonds. In der deutschen finanzpolitischen Diskussion ist die Finanzaktivitätssteuer so eine Art kleinster gemeinsamer Nenner der Parteien im Bundestag. Nur - den Oppositionsparteien reicht sie als Maßnahme nicht aus.

Um gute Stimmung für das Euro-Rettungsschirm-Gesetz zu machen, hat die Kanzlerin deswegen zugestanden, die Transaktionssteuer wenigstens von der EU noch einmal prüfen zu lassen. Sie lässt es auch zu, dass der Geschäftsführer der Unionsfraktion, Peter Altmeier, in der der "Süddeutschen Zeitung" vorschlug, weiter auf die Forderungen der Oppositionsparteien zuzugehen, um "angesichts der Tragweite der Herausforderung im Bundestag eine möglichst breite Mehrheit zustande zu bringen".

Unmut bei der FDP

Seehofer / Westerwelle / Merkel
Schwierige Zeiten für die Koalition: Parteichefs Seehofer, Westerwelle und MerkelBild: AP

So viel Offenheit kommt möglicherweise bei der Opposition gut an, aber nicht beim Koalitionspartner FDP. Für die Liberalen ist die Transaktionssteuer ein rotes Tuch, denn schließlich trifft sie nicht nur die Zocker und großen Banken, sondern auch solide Akteure und Kleinanleger. Denen fühlt sich die Partei verpflichtet. Für FDP-Generalsekretär Christian Lindner ist die derzeitige Debatte "eine reine Blendgranate", um die Zustimmung zu den anstehenden Gesetzen zu verweigern.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle - auch FDP - nennt die Steuer auf Finanzgeschäfte eine Illusionslösung und möchte erst grundsätzliche Probleme klären.

Beruhigend dürfte für die Liberalen eine Rede Merkels vom Wochenende wirken: Erst wenn alle Staaten der G20 dem Steuerinstrument zustimmen, würde sie auch mitmachen. Das sind keine guten Bedingungen für die Transaktionssteuer.

Autor: Heiner Kiesel

Redaktion: Kay-Alexander Scholz