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Deutschland: Ratlos in Äthiopien

Daniel Pelz
19. November 2021

Die USA preschen vor, Deutschland wartet ab. Während die US-Regierung Äthiopien mit Sanktionen droht und ein Handelsabkommen auf Eis legt, setzt die Bundesregierung die Zusammenarbeit fort. Doch warum?

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Deutschland l Außenminister Maas empfängt den Außenminister aus Äthiopien
Der nun nur noch geschäftsführende Außenminister Heiko Maas 2020 mit seinem äthiopischen Kollegen Demeke MekonnenBild: Janine Schmitz/photothek.de/picture alliance

Für Deutsche in Äthiopien gibt es im Moment vor allem ein Ziel: den internationalen Flughafen. Seit 10. November ruft das Auswärtige Amt alle Deutschen auf, das Land zu verlassen. Bereits Anfang des Monats hatte Außenminister Heiko Maas eine eindringliche Warnung gesandt: "Der Konflikt im Norden Äthiopiens eskaliert ein Jahr nach seinem Beginn in dramatischer Weise. Alle Parteien müssen die Kampfhandlungen unverzüglich einstellen", so Maas.

Anderswo werden schärfere Töne angeschlagen: Anfang November warf US-Präsident Joe Biden Äthiopien aus einem begehrten Handelsabkommen. Ab Januar dürften äthiopische Waren nicht mehr zollfrei in die Vereinigten Staaten eingeführt werden. Gegen Eritrea, das die äthiopische Regierung mit Truppen unterstützt, hat die US-Regierung bereits Sanktionen verhängt. Sanktionen gegen die äthiopischen Konfliktparteien hat die US-Regierung bereits angedroht. Gleichzeitig flogen Außenminister Antony Blinken und der Sonderbeauftragte für das Horn von Afrika diese Woche in die Region.

Enge Beziehungen

Auch Deutschland hätte Druckmittel: Äthiopien ist wichtiger Empfänger deutscher Entwicklungshilfe, sogenannter "Reformpartner" und Mitglied im "Compact with Africa" – einem elitären Club von Ländern, in denen Deutschland für bessere Investitionsbedingungen sorgen will. An diesem Status hat die Bundesregierung bisher nicht gerüttelt, auch wenn Premier Abiy Ahmed beim letzten Compact-Gipfel fehlte.

Bundespräsident Steinmeier bei einem Staatsbesuch in Äthiopien
Deutschland suchte in den vergangenen Jahren den Kontakt zu ÄthiopienBild: DW/L. Schadomsky

Doch von harten Schritten schreckt die Bundesregierung noch zurück. "Im Zuge des Konfliktes ist der Anteil der Bevölkerung, der von Hunger und Armut bedroht ist, stark angewachsen. Im Einklang mit anderen Gebern und insbesondere der EU, setzt das BMZ daher die laufende Entwicklungszusammenarbeit mit Äthiopien fort", teilt ein Sprecher des deutschen Entwicklungsministeriums (BMZ) der DW schriftlich mit.

Bisher hat das Ministerium nur 100 Millionen Euro einbehalten, die im Rahmen der Reformpartnerschaft fließen sollten. Damit unterstützt Deutschland afrikanische Länder, die aus Berliner Sicht besondere Fortschritte bei Demokratie und Menschenrechten machen. Der Betrag soll laut Entwicklungsministerium erst fließen, wenn der Tigray-Konflikt politisch gelöst wird. Ansonsten läuft die Entwicklungszusammenarbeit weiter, außer in den umkämpften Regionen Tigray, Amhara und Afar.

Gesprächskanäle offenhalten

Wegen der Entwicklungen im Land haben aber staatliche Entwicklungsorganisationen wie die GIZ und die Förderbank KfW ihr Personal bis auf kleine Kernteams ausgeflogen. Die anderen arbeiten nun aus Deutschland oder den Nachbarländern weiter. "Ziel ist, die Handlungsfähigkeit weitestgehend aufrecht zu erhalten, um die Bevölkerung des Landes weiter unterstützen zu können", so der BMZ-Sprecher.

Jugendliche vor einem aufgegebenen Panzer
Seit über einem Jahr tobt der Konflikt in TigrayBild: Eduardo Soteras/AFP

Experten glauben ohnehin nicht, dass Deutschland mit Druck viel erreichen könnte. Die äthiopische Regierung habe sich im Laufe dieses Konflikts jede Einmischung von außen verbeten, sagt Tobias Hagmann, Professor und Äthiopien-Experte an der dänischen Roskilde-Universität. "Es wäre ein logischer Schritt, die Zusammenarbeit mit der Region aufzugeben. Aber dann würde Deutschland auch seine Kontakte zur Region verlieren", so Hagmann zur DW.

Gerade das würde der deutschen Strategie zuwiderlaufen. "Gegenwärtig vermittelt der Hohe Vertreter der Afrikanischen Union, der frühere nigerianische Präsident Olusegun Obasanjo, zwischen den Konfliktparteien. Seine Bemühungen unterstützen Deutschland und die EU nachdrücklich", heißt es aus dem Auswärtigen Amt. Hinter den Kulissen versucht Deutschland wie andere westliche Geber, einen Dialog in Äthiopien zu unterstützen. Allerdings haben weder die Zentralregierung in Addis Abeba noch die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) bisher möglichen Friedensgesprächen zugestimmt.

Deutschland als Vermittler?

In der Berliner Politik stößt die Haltung der amtierenden Bundesregierung überwiegend auf Zustimmung. Generell sollte die Entwicklungszusammenarbeit nicht eingestellt werden, sagt der FDP-Entwicklungspolitiker Olaf in der Beek der DW. Aber: "Es darf kein Geld direkt an die äthiopische Regierung oder beteiligte Kriegsparteien und regionale Akteure fließen. Das müssen wir unbedingt sicherstellen."

Demonstration von Unterstützern von Premierminister Abiy Ahmed
Regierungsanhänger lehnen eine Einflussnahme des Westens ab Bild: Tiksa Negeri/REUTERS

Jürgen Hardt, außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, kann sich auch eine größere Rolle Deutschlands im Konflikt vorstellen. Allerdings nur, wenn die Konfliktparteien und afrikanische Partner dies wünschten. "Wenn am Ende des Tages gesagt wird, es soll ein europäischer Partner von außen den Friedensprozess moderieren und gegebenenfalls auch seine Umsetzung überwachen, dann sollte Deutschland als langjähriger Partner der Region nicht abseits stehen, sondern hierzu bereit sein."

Doch solche Anfragen gibt es bisher nicht. Eher wird mit Spannung gewartet, wie sich die EU positionieren wird. Anfang November deutete der Außenbeauftragte Josep Borrell an, dass auch Brüssel grundsätzlich erwägt, Sanktionen gegen die äthiopischen Konfliktparteien zu verhängen. Doch ob es dazu kommt, ist noch unklar.