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Exportschlager Recht

13. April 2011

Effektiv, günstig und berechenbar! So wirbt man für das deutsche Recht - und dafür, es in die Welt zu tragen. Deutsche Unternehmen können davon nur profitieren. Aber ist das deutsche Recht wirklich ein Exportschlager?

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Symbolbild: Gerichtsgebäude (Foto: fotolia)
Bild: Fotolia/Thomas Becker

Die sprichwörtliche deutsche Gründlichkeit - nicht immer zahlt sie sich aus: Wenn nämlich die deutsche Rechtsordnung 19 Paragrafen braucht, um eine Sache zu regeln, die französische aber nur zwei, dann übernehmen die Chinesen eben die französische.

Symbolbild: Ausschnitt Globus (Foto: DW-TV)
Deutsches Recht - international

Das hat Knut Pißler vom Hamburger Max-Planck-Institut für Internationales und ausländisches Privatrecht beobachtet. Er ist spezialisiert auf chinesisches Recht. Das deutsche Recht spiele dort zwar eine große Rolle, so Pißler, aber nicht, indem ganze Bereiche übernommen würden. Der chinesische Gesetzgeber suche sich aus verschiedenen Rechtsordnungen eine Norm aus, vergleiche diese und passe sie an die chinesischen Gegebenheiten an.

Eine Frage des Selbstverständnisses

Ähnlich verfahre auch Russland, beschreibt Eugenia Kurzynsky-Singer vom Hamburger Max-Planck-Institut für internationales und ausländisches Privatrecht. Man nehme zwar Anregungen aus dem deutschen Recht durchaus auf, versuche sie dann aber umzusetzen und der eigenen Tradition anzupassen. In Russland sei das auch eine Frage des Selbstverständnisses und des Selbstbewusstseins, so Kurzynsky-Singer.

Anders in Georgien: Hier hat man Teile des Bürgerlichen Gesetzbuches eins zu eins übernommen. Auch andere Staaten haben in der Vergangenheit Teile des deutschen Rechts adaptiert: Das türkische Strafrecht und das Strafprozessrecht, ebenso wie Teile des griechischen und des portugiesischen Zivilrechts, sind dem deutschen Recht nachempfunden. Und auch Japan hat Teile des deutschen Rechts übernommen.

Deutsches Recht als vertrauensbildende Maßnahme

In vielen afrikanischen Staaten gilt das Recht der ehemaligen Kolonialherren, das deutsche Recht ist dort noch kaum bekannt. Ein Projekt der Universität Würzburg will daran etwas ändern: In seinem Rahmen lehrt Karin Linhart deutsches und europäisches Recht an der Universität Kinshasa. Das ehrgeizige Ziel: Wissenstransfer von Deutschland in den Kongo und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses, so Linhart.

Symbolbild: Diverse Gesetzestexte, Schriftenreihen und Kommentare für Juristen und Jura-Studenten (Foto: dpa)
Das Gesetz muss nicht nur auf dem Papier, sondern in der Praxis überzeugen, um übernommen zu werden.Bild: picture alliance/dpa

Aber nicht nur das. Auch Deutschland selbst ist interessiert daran, dass das deutsche Recht in der Welt bekannter wird. Ausländische Regelungen, die unseren ähneln, könnten ein vertrauenswürdiges Geschäftsklima auch für potentielle deutsche Investoren schaffen.

Man könne und dürfe einem fremden Rechtssystem aber nichts aufzwingen, betont Linhart. Denn dann bestünde die Gefahr, dass sie nicht akzeptiert würden. Es müsse vielmehr eine Art Angebot- und Nachfrage-Ansatz geben, damit das Recht freiwillig übernommen werde, weil es überzeugt hat und weil es auf die Situation im eigenen Land auch wirklich passt.

Europäisches Recht attraktiver als deutsches?

China, aber auch die arabische Welt, sind eher an größeren Rechtskomplexen interessiert, in denen verschiedene Rechtsordnungen schon angeglichen wurden. So wolle China durchaus vom UN-Kaufrecht oder einem möglichen, noch in Planung befindlichen Europäischen Zivilgesetzbuch profitieren, sagt Knut Pißler vom MPI Hamburg. Und in arabischen Staaten, so Nadjma Yassari vom Max-Planck-Institut Hamburg, sei das EU-Recht in vielen Wirtschaftsfragen immer wichtiger geworden.

Richter am Bundesverfassungsgericht (Foto: dpa)
Das Bundesverfassungsgericht in KarlsruheBild: picture-alliance/dpa

Und wie steht es um die Nachhilfe in Sachen Grundrechte? Auf dem Gebiet des Verfassungsrechts ist das oberste deutsche Gericht, das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, sehr engagiert, wenn es darum geht, anderen Staaten Wissen zu vermitteln. Asiatische, aber auch südosteuropäische Staaten sind an Verfahren und Grundsätzen des deutschen Verfassungsrechts interessiert. Spanien, Portugal und auch Ungarn haben ihre Verfassungsgerichte nach dem Vorbild des Bundesverfassungsgerichts ausgestaltet.

Verfassungsrecht als Exportschlager – aber nur nach Bedarf

Doch auch hier scheint zu gelten: Es muss schon eine Nachfrage danach geben. Das hat Knut Pißler jedenfalls für China beobachtet: Menschenrechtsfragen kämen im Rahmen des deutsch-chinesischen Menschenrechtsdialogs auf´s Tapet, aber unter bestimmten Bedingungen. Nur wenn das Gesetzgebungsvorhaben zur aktuellen Situation in China passe, werde es auch behandelt. Grundrechtsfragen liefen schließlich oft auf Klagerechte gegen den Staat hinaus – was nicht leicht umzusetzen sei in einem Land wie China.

Autorin: Daphne Grathwohl
Redaktion: Hartmut Lüning