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Deutsche Wirtschaft wagt wenig in Afrika

Daniel Pelz
7. September 2019

Der Entwicklungsinvestitionsfonds der Bundesregierung ist das neueste Programm, das deutschen Unternehmen ein Afrika-Engagement schmackhaft machen soll. Doch die Mehrheit ziert sich - und das dürfte auch so bleiben.

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Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) bei der Besichtigung der Firma Ibero Uganda Ltd
Entwicklungsminister Müller beim Besuch einer Firma in UgandaBild: Imago/Photothek

Die Großen sind längst da. Daimler, Volkswagen, Siemens, Bosch - die Elite der deutschen Wirtschaft macht seit Jahren Geschäfte in Afrika. Bei Volkswagen scheinen die sogar so gut zu laufen, dass der Autobauer neue Fabriken in Ruanda und Kenia eröffnet hat. Die übrige deutsche Wirtschaft macht um Afrika aber noch einen großen Bogen - der Kontinent bekommt gerade mal ein Prozent aller deutschen Investitionen ab. "Das muss sich ändern, weil auch Afrika sich ändert - dort liegen die künftigen Wachstumsmärkte", forderte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) erst vor wenigen Wochen.

Das Afrika-Interesse wächst

Wirtschaftsvertreter können diese Slogans längst auswendig. Seit drei Jahren trommelt die Bundesregierung bei deutschen Firmen, in Afrika aktiv zu werden - und wartet mit immer neuen Konzepten auf, die ihnen dabei helfen sollen. Erst vor wenigen Wochen ging der lange angekündigte "Entwicklungsinvestitionsfonds" für Afrika an den Start. Zunächst stehen Kredite in Höhe von 400 Millionen Euro für Firmen bereit, die in Afrika investieren wollen. In den kommenden Jahren soll der Fonds sogar auf eine Milliarde Euro anwachsen.

"Wir als Europäer haben ein großes Interesse, dass die Staaten Afrikas gute wirtschaftliche Perspektiven haben", sagte Bundeskanzlerin Merkel, als sie den Fonds bei einem hochkarätig besetzten Gipfel mit afrikanischen Staatschefs in Berlin im vergangenen Jahr ankündigte. Dahinter steckt kein Mitgefühl, sondern knallhartes Eigeninteresse: Durch Privatinvestitionen soll Afrikas Wirtschaft wachsen und so die Migration nach Europa gebremst werden.

Bundeskanzlerin Merkel mit Äthiopiens Premierminister Abiy Ahmed am Rande des Afrika-Gipfels 2018
Bundeskanzlerin Merkel begrüßt Äthiopiens Premier Abiy Ahmed zur "Compact with Africa"-Konferenz im Oktober 2018Bild: Getty Images/AFP/T. Schwarz

Immerhin: Ein wenig scheint sich zu bewegen. Laut einer neuen Studie der Global Perspectives Initiative (GPI) wächst das Interesse an Afrika. Die Berliner Organisation setzt sich nach eigenen Angaben für eine nachhaltige Entwicklung weltweit ein und setzt dabei stark auf privatwirtschaftliches Engagement. 96 Prozent der 521 Befragten aus Politik und Wirtschaft halten es demnach für wichtig, dass sich Afrika gut entwickelt. 65 Prozent aller befragten Vertreter von Unternehmen, die bereits in Afrika investieren, glauben zudem, dass der Kontinent als Absatzmarkt in den nächsten Jahren wichtiger wird.

"Politik und Wirtschaft richten den Blick immer stärker auf Afrika", sagt Renate Köcher vom Meinungsforschungsinstitut Allensbach, dass die Studie durchgeführt hat. Auch GPI-Geschäftsführerin Ingrid Hamm freut sich über diese Ergebnisse - räumt aber ein, dass es beim Afrika-Engagement der deutschen Wirtschaft "noch Luft nach oben" gebe.

Was passiert mit armen Ländern?

Beim genauen Lesen trübt sich das Bild weiter ein. Während die Politik ein vergleichsweise rosiges Bild von den wirtschaftlichen Chancen Afrikas malt, hält die Wirtschaft sich zurück. Fast 70 Prozent der politischen Führungskräfte glauben, dass in Afrika die Chancen überwiegen - aber nur 39 Prozent der Wirtschaftsvertreter.

Und: Mehr als 70 Prozent der Wirtschaftsvertreter sehen die Chancen vor allen in bestimmten Regionen und Ländern. Zum Beispiel in Südafrika, Ghana, Nigeria oder Senegal. Staaten also, "die entweder schon länger starke Volkswirtschaften und relativ stabil sind und in Staaten, die in den letzten Jahren mit sehr dynamischem Wachstum, einem Ausbau der Infrastruktur und Veränderungen bei den politischen Strukturen aufgewartet haben", wie es Allensbach-Chefin Köcher im DW-Interview formuliert.

Die deutsche Politik fördert diesen Trend weiter - im Rahmen des "Compact with Africa" etwa unterstützt sie Investitionen in 12 ausgewählten Ländern, die allesamt vergleichsweise wohlhabend sind. Im Umkehrschluss heißt das: Nur etwa jedes vierte afrikanische Land ist dabei.

Arbeiter im VW-Werk in Kigali
2018 eröffnete Volkswagen in Ruanda ein neues Werk zur EndmontageBild: picture-alliance/Photoshot

Keine guten Nachrichten für arme Länder wie das westafrikanische Sierra Leone, die privates Kapitel ebenfalls gut gebrauchen könnten. "Wir merken von den Investoren noch nicht viel", sagt Sierra Leones Botschafter in Deutschland, M'Baimba Lamin Baryoh. Sein Land wäre bei Initiativen wie dem "Compact" gerne mit dabei. Und es erfülle schon viele Bedingungen, sagt der Botschafter. Baryoh zur DW: "Jeder Investor will Sicherheit. Das bedeutet parlamentarische Demokratie, Frieden, keine überbordende Kriminalität. Infrastruktur und Energieversorgung. Wir sind auf einem guten Weg. Und wir bekämpfen die Korruption." Sein Fazit: Deutsche Investoren seien unsicher, aber sie brauchten keine Angst zu haben.

Sind deutsche Investoren unsicher? "Ich denke nicht, dass die Firmen Angst haben, sondern dass sie eine Risikoabsicherung vornehmen müssen. Sie haben nicht - wie in China oder in anderen Staaten- nicht den Staat massiv im Rücken, der ihre Risiken abfedert", sagt Stefan Mair, Mitglied der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI). Allerdings sei Afrika in erster Linie für Unternehmen aus einigen wenigen Branchen attraktiv: Fahrzeugbau, Maschinenbau, Chemie oder Elektroindustrie. Damit die Kassen klingeln, müssen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Nötig sei eine gewisse Nachfrage durch Firmen vor Ort und einer kaufkräftigen Mittelschicht in den jeweiligen Ländern. "Beide ist so in Afrika nicht absehbar", sagt Mair der DW.

Ein chinesischer Ausbilder und kenianische Lokführerinnen der neuen Eisenbahn in Kenia
Wichtige Projekte wie eine neue Eisenbahnlinie in Kenia werden von chinesischen Firmen gebautBild: picture-alliance/Xinhua/S. Ruibo

Das hat Folgen: Gerade mal fünf Prozent der befragten Firmenvertreter von Unternehmen, die nicht in Afrika investieren, können sich in den nächsten Jahren ein Afrika-Engagement vorstellen. Auch die vielen Förderprogramme der Bundesregierung können daran wenig ändern: Zwar sagen fast 90 Prozent der Unternehmensvertreter, dass die Maßnahmen grundsätzlich richtig sind. Aber über 70 Prozent meinen, dass von ihnen nur schwache Impulse ausgehen.

'Haben mehr Geld als nachgefragt wird'

Die Politik bleibt trotzdem gelassen. "Wir haben über die letzten Jahre einige Instrumente entwickelt. Ich glaube, dass unser Werkzeugkasten inzwischen gut gefüllt ist", sagt der Staatssekretär im Entwicklungsministerium, Martin Jäger. Derzeit habe man sogar mehr Geld verfügbar, als von den Unternehmen nachgefragt werde, so Jäger bei der Vorstellung der Studie in Berlin.

Im November lädt Bundeskanzlerin Merkel wieder afrikanische Staatschefs nach Berlin ein, um über die gemeinsame Zusammenarbeit zu diskutieren. Es wird die bisher dritte Konferenz dieser Art sein. Bei den ersten beiden Treffen beschworen beide Seiten das enorme Potenzial einer verstärkten wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Doch dass deutsche Unternehmen danach in großer Zahl nach Afrika streben, scheint mehr als fraglich.