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Neue Integration?

14. Juli 2010

Vor zwei Jahren haben die UN ein Programm für Flüchtlinge aus dem Irak ins Leben gerufen. In Bonn helfen Patenschaften den Irakern, im deutschen Alltag Fuß zu fassen.

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Irakische Kinder in einem Übergangswohnheim für irakische Fluechtlinge in München. (Archiv, Foto: ap)
Deutschland hat sich verpflichtet, 2500 irakische Flüchtlinge aufzunehmenBild: AP

Karla Everts sitzt geduldig auf einem Stuhl und erklärt immer wieder, was das Wort "Esstisch" bedeutet. Eine Weile brauchen sie, die Irakerin Saheri und ihre Töchter Dina und Sara. Dann haben sie es raus: "Ess-" kommt von "essen". Die Drei freuen sich: Wieder ein neues Wort im deutschen Sprachschatz, wieder ein kleiner Fortschritt.

Das freut auch Karla Everts. Die Frührentnerin und ehemalige Lehrerin besucht die Familie einmal in der Woche. Sie ist eine von zehn aktiven Paten der Kampagne "Save-me", die sich ehrenamtlich um rund 30 irakische Flüchtlinge in Bonn kümmern. "Integration von Migranten lag mir immer schon am Herzen", sagt Everts. Sie hat früher an einer Hauptschule gearbeitet und hat gesehen, welche Probleme viele Schüler mit Migrationshintergrund haben: "Leider bekommen sie oft keinen Bezug zu den Deutschen und bleiben unter ihren Nationalitäten."

Syrisches Flüchtlingscamp, Foto: Archiv/ ap
So wie Saheri und ihre Kinder leben heute noch tausende Iraker in SyrienBild: AP

Die Sprache als Hürde

Genau das Problem hat die dreiköpfige Familie aus dem Irak auch, die erst seit wenigen Monaten in Deutschland lebt. Mutter Saheri geht kaum aus dem Haus. Die Kinder besuchen eine deutschsprachige Schule, ihre Klassenkameraden sprechen jedoch alle deutsch. Aber sie wollen sich integrieren, sie wollen Deutsch lernen. Und Karla Everts ist ihr Schlüssel zum Land. Wenn sie kommt, stehen bereits Getränke und Kekse im Wohnzimmer bereit. Ihr Besuch ist das Highlight der Woche. Saheri und ihre Töchter lauschen den Worten ihrer Patin, stellen Fragen, diskutieren. Oder besser gesagt: sie versuchen es. Die Sprachbarriere ist noch immer da. Aber sie baue sich langsam ab, meint die fünfzehnjährige Tochter Sara. Ihr einziges Problem ist das Heimweh: "Zuerst war hier alles für mich fremd", erinnert sich Sara und denkt zurück an Syrien, die erste Station auf ihrer Flucht.

Im Irak war das Leben immer schwieriger geworden, weil Mutter Saheri zu der Gemeinschaft der Mandäer gehört. Die religiöse Minderheit wurde nach dem Sturz von Saddam Husseins Regime Ziel von islamistischen Extremisten. "Meine Familie wurde bedroht und aus dem Irak vertrieben", sagt Saheri und starrt ins Leere. "Nachdem wir schon drei Tage in Syrien waren, kamen fünf Autos und haben unser Haus im Irak attackiert. Danach konnten wir nicht mehr zurück." Sie dreht den Kopf nach rechts und schaut auf die Schrankwand mit den Fotos von ihrem Mann, der wenige Monate nach der Flucht bei einer Autoexplosion starb.

Die Patin Karla Everts, Foto: Adrian Kriesch/ dw
Kümmert sich um irakische Flüchtlinge: Die Patin Karla EvertsBild: DW

Neuanfang in Bonn

Die Familie lebte noch vier Jahre in Syrien. Das erste Mal in Frieden und ohne Bedrohung, aber in Armut. Als Saheri dann von der Möglichkeit hörte, nach Deutschland zu gehen, zögerte sie nicht lange, denn sie hat hier Verwandte, einer ihrer Brüder wohnt sogar in Bonn.

Jetzt wollen sie hier ein neues Leben aufbauen. Die Töchter sollen irgendwann studieren, wünscht sich die Mutter. Sie selbst will wieder arbeiten. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. "Nächste Woche gehen wir gemeinsam in die Bibliothek", sagt Karla Everts den drei Irakerinnen beim Abschied. Saheri, Dina und Sara freuen sich und drücken ihre Patin. Karla Evers strahlt mit. Für sie ist es eine Kleinigkeit, für die Familie ein weiterer Schritt in die neue Heimat.

Autor: Adrian Kriesch
Redaktion: Ina Rottscheidt