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Deutsche Intensivärzte fordern Rückkehr zu Lockdown

15. März 2021

Wegen des Anstiegs der Corona-Infektionen schlagen die Intensivärzte in Deutschland Alarm: Sie wollen einen härteren Shutdown, um eine starke dritte Welle zu verhindern.

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Deutschland Behandlung eines Patienten auf Intensivstation für Covid-Patienten
Ein Corona-Patient wird auf einer Intensivstation in Bayern versorgt Bild: Florian Bachmeier/imageBROKER/picture alliance

Deutschlands Intensivärzte pochen angesichts der jüngsten Entwicklung in der Corona-Krise auf ein rasches Handeln. "Von den Daten, die wir jetzt haben und sehen und mit dem Durchsetzen der britischen Mutante würden wir sehr stark dafür plädieren, jetzt sofort wieder in einen Lockdown zu gehen, um einfach eine starke dritte Welle zu verhindern", sagte der wissenschaftliche Leiter des DIVI-Intensivregisters, Christian Karagiannidis, im Radio. DIVI ist die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin. Karagiannidis fügte hinzu, er hoffe sehr, dass die Bundesländer die beschlossene Notbremse eines Inzidenzwerts von 100 durchsetzen.

Bund und Länder hatten eine Rückkehr in den Lockdown vereinbart, wenn in einer Region die Zahl der Neuinfektionen wieder die Marke von 100 pro 100.000 Einwohnern in sieben Tagen erreicht. "Ansonsten würden wir jetzt noch einmal 5000, 6000 Patienten auf der Intensivstation sehen", sagte Karagiannidis. "Man sieht sehr deutlich, dass wir sehr schnell jetzt wieder in steigende Intensivzahlen geraten werden, sofern wir dem Virus jetzt die Möglichkeit dazu geben." Derzeit sind rund 2800 COVID-19-Patienten in intensivmedizinischer Behandlung.

Christian Karagiannidis
Deutliche Warnung: der Kölner Lungenarzt Christian Karagiannidis Bild: Bettina Fuerst-Fastre/KlinikenKöln

"Wir gewinnen auch nicht viel, wenn wir jetzt die nächsten ein, zwei Wochen offenlassen, weil wir ganz schnell auf einem hohen Niveau ankommen und es auf dem hohen Niveau doppelt so schwierig sein wird, von den Zahlen wieder herunterzukommen", betonte Karagiannidis. Wichtig sei es, nun die über 50- und über 60-Jährigen schnell zu impfen. Dann würden auch weniger Menschen mit COVID-19 schwer krank. Die Belastung für das Personal auf den Intensivstationen sei bis heute ohne Unterbrechung sehr hoch und steige nun wieder weiter. Es gelte, sich in den Sommer zu retten, sagte Karagiannidis, der selbst Arzt an einer Kölner Lungenklinik ist.

Lage spitzt sich wieder zu

Die Pandemie nimmt in Deutschland wieder deutlich Fahrt auf. Die dritte Welle läuft - obwohl das Ausmaß der Lockerungen bisher noch überschaubar ist. Die Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner ist zum fünften Mal in Folge deutlich gestiegen, zuletzt von 79,1 auf 82,9. Das meldet das Robert Koch-Institut (RKI). Einen solchen Wert hatte es zuletzt am 3. Februar gegeben. Danach war die Inzidenz noch einige Zeit gesunken, ein Tiefstand wurde mit 56,8 am 19. Februar erreicht.

Prognose: Lockerungen nur vorübergehend

Binnen eines Tages meldeten die Gesundheitsämter in Deutschland am Montag dem RKI 6604 Corona-Neuinfektionen - 1593 mehr als vor einer Woche. Die Zahl der Todesfälle in Verbindung mit COVID-19 kletterte um 47 auf 73.418. Experten nehmen an, dass die Impfungen von Menschen höherer Altersgruppen bereits Auswirkungen haben: Es sterben demnach wohl bereits merklich weniger Menschen als ohne Impfungen der Fall wäre. 

Bald Sputnik V aus deutscher Fabrik?

Russland schloss derweil nach eigenen Angaben eine Vereinbarung über die Produktion seines Corona-Impfstoffes Sputnik V in Deutschland. Auch mit Unternehmen in anderen EU-Ländern wie Frankreich und Spanien gebe es entsprechende Abkommen, erklärte der russische Impfstoff-Entwickler. Sputnik V ist derzeit in der Europäischen Union noch nicht zugelassen, die EU-Arzneimittelbehörde hat aber bereits ein sogenanntes rollierendes Verfahren zur Zulassung des Vakzins gestartet.

Iran Teheran Coronavirus Impfstoff Sputnik-V
In Russland und anderen Ländern wird Sputnik V längst erfolgreich verimpftBild: Saeed Kaari/dpa/AP/picture alliance

Der Deutsche Lehrerverband sieht mit Sorge auf die steigenden Infektionszahlen bei Kindern und Jugendlichen, warnt aber vor erneuten Schulschließungen. Stattdessen müsse es eine verbindliche Teststrategie bei Schülern geben und die Lehrkräfte an allen Schulen müssten sofort geimpft werden, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger.

Lehrerverband will Pflichttests

Es sei zu überlegen, ob diese regelmäßige Schnell- bzw. Selbsttestung - wie in Österreich praktiziert und in Sachsen geplant - als verbindliche Voraussetzung festgeschrieben werden sollte, ohne die ein Besuch des Präsenzunterrichts nicht möglich sei. "Bundesländer, die auch bei regionalen Inzidenzen über 150 Präsenzunterricht ohne Mindestabstand und die erwähnten zusätzlichen Gesundheitsschutzmaßnahmen anordnen, handeln verantwortungslos."

Teenager: Psychische Belastung durch Corona

Außerdem sollten alle schlecht belüftbaren Unterrichtsräume mit Raumluftfilteranlagen ausgestattet werden, forderte Meidinger: "Ich halte es für skandalös, dass die von einigen Bundesländern für die Anschaffung von Raumluftfilteranlagen bereitgestellten hohen Zuschüsse immer noch nur teilweise abgerufen worden sind, weil die Schulträger, also in der Regel die Kommunen, nicht bereit sind, ihren Eigenanteil daran zu leisten."

kle/pg (dpa, afp, rtr)