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Deutsche Führungskräfte verlassen Brasilien

Fernando Caulyt ie
21. Dezember 2017

Die Wirtschaftskrise in Brasilien setzt deutsche Expats unter Druck. Um die eigene Karriere nicht zu gefährden, wollen sich viele versetzen lassen, vor allem im Automobil- und Maschinensektor.

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Brasilien Christo-Redentor-Statue in Rio de Janeiro mit Blick auf die Küste
Bild: picture-alliance/GES/M. Gilliar

Als die Wirtschaft in Brasilien noch florierte, war die Liste deutscher Führungskräfte, die sich auf Posten dortiger Zweigstellen von großen Unternehmen bewarben, lang. Doch seit Beginn der Krise im Jahr 2014 hat sich das Bild gewandelt, viele wollen nun weg. Grund dafür sind psychischer Druck, Sorgen um die Familie und davor, dass die Krise die eigene Karriere negativ beeinflusst.

Das zeigt eine Befragung von InterNations, dem größten Netzwerk für Expats, also Menschen, die im Auftrag ihrer Firma längere Zeit im Ausland arbeiten: In puncto "persönliches Glück" bewerteten Expats Brasilien in den letzten Jahren immer schlechter. War das Land 2014 noch auf Platz 10 von 61 Ländern, so ist es 2017 auf Platz 45 von 65 abgesackt.

"Wegen der schlechten ökonomischen Situation in Brasilien üben deutsche Konzerne sehr viel Druck auf ihre dortigen Expats aus", so Hans J. Zeese, Geschäftsführer der Unternehmensberatung BoaVista Executive Consultants. "Manche Konzerne gehen auch den Weg, ihre Führungskräfte in Brasilien auszutauschen, damit die Niederlassungen dort wieder auf die Füße kommen."

Frank Neuhaus, Gründer der Interim- und Projektmanagement Gruppe iManagementBrazil, findet, dass viele von ihren Mutterkonzernen geschickte Deutsche nicht früh genug reagiert haben, als die Dinge anfingen, sich zu ändern. "Sie haben nicht gemerkt, dass der Boom sich einem Ende näherte, und zusammen mit ihm das Ende ihrer eigenen Karriere im Land", so Neuhaus.

Die großzügigen Gehälter vieler Expats wirken Neuhaus zufolge oft wie ein Schleier, der einen realistischen Blick auf die Gegebenheiten vor Ort verhindert. Außerdem hätten die meisten in ihrer Rolle als Führungskräfte noch nie zuvor eine solche Wirtschaftskrise erlebt und dementsprechend keine Ahnung, wie sie damit umgehen sollen.

"Die Reaktion ist dann fast immer, Kosten zu reduzieren und Mitarbeiter zu entlassen. Aber das löst das grundsätzliche Problem ja nicht, und der Druck des Mutterkonzerns auf die Außenstellen wächst weiter", erklärt Neuhaus, "Das bedeutet eine extreme Belastung für Expats und ihre Familien, die ja oft mitausgewandert sind. Es entsteht der Wunsch, das Land so schnell wie möglich zu verlassen."

Die Wirtschaft erholt sich langsam – Expats wollen trotzdem weg

Den Höhepunkt der Krise hat Brasilien zwar mittlerweile überschritten: Nachdem das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwei Jahre in Folge gesunken war, wuchs die Wirtschaft 2017 erstmals wieder leicht. Doch Analysten zufolge bleibt der Trend, dass Führungskräfte gehen wollen, ungebrochen.

Während Brasilien 2014 laut InterNations noch auf Platz 42 von 61 der beliebtesten Ziele für Expats war, rutschte es in den darauffolgenden Jahren immer weiter nach hinten. Im Jahr 2017 lag es auf Platz 62 von 65 bewerteten Ländern.

Nahezu alle Wirtschaftsbereiche sind von dem Phänomen betroffen, dass Deutsche in Brasilien entweder selbst um Versetzung bitten oder von ihren Arbeitgebern in andere Länder beordert werden. Doch am anfälligsten sind die Automobilbranche und der Maschinensektor, welche besonders sensibel auf teure Kredite und schwierige Finanzierungsmöglichkeiten reagieren - ganz besonders in Zeiten der Krise. Es sei vor allem die Investitionsgüterindustrie betroffen, bestätigt Hans J. Zeese von BoaVista Executive Consultants: "Da bleibt nur an der Spitze, wer konkurrenzfähige Finanzierungsraten anbieten kann. Die Konsumgüterindustrie dagegen hat weniger Schwierigkeiten."

Brasilien adé, Führungsposition adé?

Eine gleichwertige Führungsposition wie in Brasilien bekommen Expats, zurück in Deutschland oder in Niederlassungen in anderen Teilen der Welt, zumeist nicht wieder. Dabei handelt es sich Neuhaus zufolge aber nicht um eine Bestrafung durch den Konzern. Vielmehr seien so kurzfristig oft einfach keine angemessen Positionen verfügbar.

Zeese findet, Führungskräfte sollten darauf gefasst sein, ihre Karrierepläne den Gegebenheiten anzupassen. Er betont: "Brasilien und auch andere lateinamerikanische Länder haben sich schon immer dynamisch verändert und werden sich auch noch lange weiter verändern. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die brasilianische Wirtschaft sich wieder erholt." Dann hätten auch brasilianische Bewerber gute Chancen, die Führungsposten in großen multinationalen Unternehmen zu übernehmen.

"Ohne Zweifel werden auch in Zukunft deutsche Führungskräfte und vor allem Finanzdirektoren in Brasilien gebraucht werden", ist Zeese überzeugt. Doch die Zahl der von Deutschen besetzten Stellen werde sich auf  lange Sicht verringern: "Der Grund dafür sind einfach die hohen Kosten, wenn man eine deutsche Führungskraft nach Brasilien entsendet. Außerdem gibt es immer mehr Brasilianer, die erstklassig ausgebildet und erfahren genug sind, um diese Posten zu übernehmen."