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Deutsche Asienpolitik im Wandel

Thomas Bärthlein

Jahrelang haben sich deutsche Außenpolitiker nur um China gekümmert. Doch jetzt rückt der indische Subkontigent immer mehr in den Mittelpunkt. Ein DW-Background vom 26.10.2001.

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Jahrzehntelang gab es keine deutsche Asien-Politik, die diesen Namen verdient gehabt hätte. Der größte Kontinent galt - politisch gesehen - als ein Randgebiet. Erst der wirtschaftliche Aufschwung, besonders in Ostasien, führte zu einem Umdenken.

Führende Wirtschaftsvertreter befürchteten, deutsche Firmen könnten auf den weltweit dynamischsten Wachstumsmärkten von Thailand bis China ins Hintertreffen geraten. Nach einer Asienreise des damaligen Bundeskanzlers Kohl im Frühjahr 1993 führte diese Sorge dazu, die Asien-Politik zum ersten Mal grundsätzlich zu überdenken. Das Ergebnis war das "Asien-Pazifik-Konzept", ein umfangreiches Dokument, das das Bundeskabinett im Oktober 1993 verabschiedete. Eindeutiger Schwerpunkt: die Wirtschaft.

Die stärkere Hinwendung nach Asien wurde wörtlich als "prioritäre Aufgabe für die Zukunftssicherung Deutschlands" bezeichnet. Langfristig sollten daher enge Beziehungen zu führenden Persönlichkeiten aufgebaut werden. Das machte Helmut Kohl etwa mit dem indonesischen Diktator Suharto vor.

Und dazu dienten auch regelmäßige Kanzler-Reisen mit führenden Regierungsmitgliedern und Wirtschafts-Delegationen. Menschenrechtsverletzungen in asiatischen Ländern begegnete das "Asien-Konzept" mit dem bequemen Verweis auf "eigenständige Wertetraditionen". Wenn schon von Menschenrechten die Rede war, dann immer nach der Devise: Handel bringt Wandel. Erst kommt die wirtschaftliche, dann automatisch die politische Liberalisierung. Die Asien-Politik der Regierung Kohl lässt sich als Wirtschafts- und China-fixiert zusammenfassen.

Die rot-grüne Regierung, insbesondere das Außenministerium unter Joschka Fischer, hat neue Schwerpunkte gesetzt. Politische Themen stehen wieder im Vordergrund: Sicherheit, Stabilität, Abrüstung. Fischer schweigt nicht zu Menschenrechtsverletzungen in China.

Anfang September 2001 hat nun Heidemarie Wieczorek-Zeul ein neues Asienkonzept ihres Ministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit vorgelegt. Danach gibt es drei Schwerpunkte: Armutsbekämpfung, Umweltschutz und Demokratisierung als Krisenprävention. Als Beispiel zur Armutsbekämpfung nannte die Ministerin Bildungsprogramme für Mädchen und Flüchtlinge in Pakistan. Hilfe für afghanische Flüchtlinge wird jetzt auch ein wichtiges Thema ihrer Gespräche in Islamabad sein. 2001 stellt die Bundesregierung dafür 70 Millionen Mark zur Verfügung.

Der Schwerpunkt Umweltschutz trägt dem Umstand Rechnung, dass ein wirksamer Klimaschutz ohne ein Land wie China, dem zweitgrößten CO2-Emittenten weltweit, unmöglich ist. Ende 2000 fand in Peking eine deutsch-chinesische Umweltkonferenz statt, um die Zusammenarbeit auf diesem Gebiet zu fördern.

Gerade die Bemühungen um Stabilität in den Nachbarländern Afghanistans nach dem 11. September 2001 lassen all diese politischen Faktoren noch wichtiger erscheinen als das wirtschaftliche Engagement deutscher Firmen. Indien ist erst in den vergangenen Jahren ins Zentrum der deutschen Aufmerksamkeit gerückt.

Eine Voraussetzung dafür war das Ende des Kalten Krieges, in dem sich Neu-Delhi immer der Sowjetunion verbunden gesehen hatte. Wichtiger waren aber zwei andere Entwicklungen: Indien und Pakistan sind nach den Test-Explosionen von 1998 de facto Atommächte. Und die indische Wirtschaft wächst fast so schnell wie die chinesische. Vor allem der indische Computer-Boom hat viele überrascht. Nach den Atomwaffentests Indiens und Pakistans 1998 war die Entwicklungshilfe zunächst eingefroren, im September 2000 aber wieder freigegeben worden.

Die politischen Bemühungen um eine Entspannung in Südasien sind allerdings bisher nicht weit gekommen. Wie kompliziert das diplomatische Lavieren in diesem Minen-Feld ist, hat der amerikanische Außenminister Colin Powell im Oktober 2001 gezeigt. Bei seinem Besuch in Islamabad forderte er öffentlich eine politische Lösung des Kaschmir-Konflikts - und kam damit Pakistan entgegen, um es in der Anti-Terror-Koalition zu halten.

Pakistan fordert seit 1947 internationale Aufmerksamkeit für Kaschmir, Indien ist dagegen. Am folgenden Tag in Delhi betonte Powell dann, man sei sich einig gegen jede Art von Terrorismus - denn für die indische Regierung sind die von Pakistan unterstützten Unabhängigkeits-Krieger in Kaschmir eben islamistische Terroristen. Wie sich die Krise um Afghanistan auf den Konflikt zwischen den Nachbarn Pakistan und Indien auswirkt, darüber gibt es in diesem Stadium nur Spekulationen.

Bericht vom 26.10.2001