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Politik

Deutsche Ärzte: Nawalny ist transportfähig

21. August 2020

Laut Angaben der behandelnden russischen Ärzte kann Alexej Nawalny nicht zur Behandlung nach Deutschland geflogen werden. Deutsche Mediziner, die den mutmaßlich vergifteten Dissidenten untersucht haben, sehen das anders.

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Ärzte aus Deutschland mit Mund-Gesichtsmasken gehen Treppe zum Eingang des Krankenhauses im Omsk/Russland nach oben
Ärzte aus Deutschland bei ihrer Ankunft am Krankenhaus im OmskBild: Reuters/A. Malgavko

Die deutschen Ärzte, die den in Lebensgefahr schwebenden Kreml-Kritiker Alexej Nawalny im Krankenhaus im russischen Omsk untersucht haben, halten diesen nach Angaben der Berliner Organisation "Cinema for Peace" für transportfähig. Die Mediziner fühlten sich in der Lage und seien auch gewillt, Nawalny nach Deutschland zu bringen, erklärte die Organisation, die ein Rettungsflugzeug nach Omsk geschickt hat, um den 44-Jährigen von dort in die Berliner Klinik Charité zu fliegen. Die behandelnden russischen Ärzte hatten dagegen erklärt, der Oppositionspolitiker sei nicht transportfähig.

Der Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow sagte in Berlin: "Wir sind jetzt ein wenig optimistisch", aber noch weit von einer Lösung entfernt. Nawalny müsse nach Berlin gebracht werden, um unabhängig prüfen zu können, was ihm widerfahren sei.  

Ehefrau appelliert an Putin

Nawalnys Ehefrau forderte den russischen Präsidenten Wladimir Putin auf, den Transport ihres Mannes, der mit Vergiftungssymptomen im Koma liege, nach Deutschland zu erlauben. "Ich beantrage offiziell bei Ihnen die Erlaubnis, Alexej Nawalny nach Deutschland bringen zu dürfen", schrieb Julia Nawalnaja in einem im Onlinedienst Twitter veröffentlichten Brief.

In dem an Putin adressierten Brief heißt es weiter: "Ich bin der Ansicht, dass Alexej Nawalny qualifizierte medizinische Hilfe in Deutschland braucht". Dazu sollten die bestehenden "Möglichkeiten für den sofortigen Transport Alexejs unter der Aufsicht hochqualifizierter Ärzte" nach Deutschland genutzt werden.

Vertraute rufen Europäischen Gerichtshof an

In Deutschland haben Nawalny-Vertraute den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) eingeschaltet. Das Gericht solle nach dem Willen der Antragsteller die russische Regierung auffordern, den Transport des Aktivisten nach Deutschland zu erlauben, hieß es aus Gerichtskreisen in Straßburg. Der Antrag solle "innerhalb der nächsten Tage" geprüft werden.

Die Ärzte in Omsk bleiben bei ihrer Einschätzung, dass Nawalny nicht transportfähig ist. "Der Zustand des Patienten ist instabil", erklärte der stellvertretende Chefarzt des Krankenhauses, Anatoli Kalinitschenko. Es sei deshalb "ratsam, jeglichen Transport abzulehnen". Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch kritisierte diese Entscheidung der Ärzte bei Twitter: "Das Transportverbot für Alexej ist eine direkte Bedrohung für sein Leben." Es solle so nur Zeit gewonnen werden, damit "das Gift in seinem Körper nicht mehr nachgewiesen werden kann". Nach Einschätzung seines Teams ist Nawalny vergiftet worden. 

Nawalny-Sprecherin Kira Jarmisch
Nawalny-Sprecherin Jarmisch: "Verlegung nach Deutschland erzwingen"Bild: Reuters/A. Malgavko

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies die Vorwürfe zurück. Der Beschluss, Nawalny nicht verlegen zu lassen, sei "eine rein medizinische Entscheidung", erklärte er in Moskau. Bundesaußenminister Heiko Maas erneute das Angebot, Nawalny in Deutschland zu behandeln. "Die gegenwärtige Situation ist die, dass uns mitgeteilt worden ist, dass Herr Nawalny aus medizinischen Gründen nicht transportfähig ist. Das können wir von hier aus weder überprüfen noch beurteilen", sagte Maas der DW.

Ärzte diagnostizieren Stoffwechselstörung 

Nawalnys Umfeld vermutet, dass Nawalny am Flughafen von Tomsk vergifteten Tee getrunken hat. Auf dem Rückflug von Sibirien nach Moskau hatte Nawalny massive Gesundheitsprobleme bekommen. Die Maschine musste deshalb nach dem Start in Tomsk nach 740 Kilometern Flugstrecke in Omsk notlanden, wo der bewusstlose Nawalny ins Krankenhaus gebracht wurde.

Russland Omsk | Alexander Murachowski - Leitender Arzt
Arzt Murachowski: "Stoffwechselkrankheit, aber auch Spuren chemischer Substanzen"Bild: picture-alliance/dpa/A. Kryazhev

Die Ärzte in Omsk konnten laut eigener Aussage "keine Spur" von Gift im Körper von Nawalny finden. Ihnen zu folge leide dieser an einer Stoffwechsel-Störung. Das sei die Haupt-Diagnose, sagte der leitende Arzt Alexander Murachowski. Ursache für die Stoffwechselerkrankung sei ein niedriger Blutzucker-Wert. Allerdings seien an Kleidung und Fingern des Patienten auch Spuren von "industriellen chemischen Substanzen" gefunden worden.

Hinweise auf "tödliches Mittel"?

Nawalnys Team veröffentlichte inzwischen weitere Informationen zum Vergiftungsverdacht: In seinem Körper sei vermutlich ein "tödliches Mittel" gefunden worden. Die Polizei habe den Ärzten mitgeteilt, dass sie diesen gefährlichen Stoff gefunden hätten, sagte der Chef von Nawalnys Anti-Korruptions-Fonds, Iwan Schdanow, in Omsk. Das Gift sei demnach nicht nur gefährlich für Nawalny, sondern auch für die Umgebung, weshalb das Tragen von Schutzanzügen in seiner Nähe angeordnet worden sei, sagte er.

Wegen der laufenden Ermittlungen sei nicht mitgeteilt worden, um welchen Stoff es sich handele, so Schdanow. Unklar sei, wo die Polizei das Mittel gefunden habe. Aber ein Polizist habe es dem Chefarzt auf seinem Mobiltelefon gezeigt.

ww/AR/qu (afp, rtr, dpa)