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Politik

AfD: Zwischen Empörung und Erbärmlichkeit

1. März 2018

Der Einzug der rechtspopulistischen AfD in den Bundestag hat das deutsche Parlament verändert. Die Diskussion ist lebendiger und schärfer geworden. Und noch ist offen, in welche Richtung sich Debatten entwickeln.

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Berlin Bundestag - Gottfried Curio
Gottfried Curio von der AfDBild: picture-alliance/dpa/W. Krumm

"Halten Sie die Klappe", brüllt der eine. "Widerlich", der andere. Ein heftiger Schlagabtausch im Bundestag wie es ihn mehrfach gab in der vergangenen Woche. Die Abgeordneten diskutierten Anträge oder das Verhalten der rechtspopulistischen "Alternative für Deutschland" (AfD). Da war von "Hass" und "Blödsinn" die Rede (aus der AfD) und von "intellektueller Erbärmlichkeit" (seitens der FDP). Aus der Union kam der Vorwurf an die Rechtspopulisten, "Gift zu verspritzen", "schlicht und einfach erbärmlich" zu argumentieren, "kollektive Unanständigkeit" zu zeigen. "Unanständig", hieß es auch aus der SPD. Das alles findet sich im offiziellen Protokoll des Bundestages.

Für Zuschauer sind die Auseinandersetzungen im deutschen Parlament interessanter geworden. Seltener als früher wirkt es so, als würden Reden einfach vorgelesen. In den Reihen der AfD gibt es sehr pointiert formulierende Parlamentarier wie Gottfried Curio aus Berlin. Aber auch in den anderen Fraktionen gewinnen Beiträge an Profil.

An diesem Donnerstag stand die 17. Sitzung des Bundestags-Plenums an. Während die Abgeordneten dort über den Hacker-Angriff auf die deutsche Regierung diskutierten, traf sich zwei Etagen höher der Ältestenrat. Das Gremium tagt immer vertraulich. Es soll im Hintergrund für den geregelten Sitzungsablauf sorgen und Streitigkeiten ausräumen.

"Rassisten, die Deutschland verachten" 

Mit Streit befassten sich die 29 Mitglieder des Gremiums nun unter Punkt 5 "Verschiedenes". Da ging es um eine turbulente Debatte über den aus türkischer Haft entlassenen deutschen Journalisten Deniz Yücel und dessen Satiren. Danach hatte die AfD angekündigt, den Rede-Beitrag von Cem Özdemir "offiziell zum Thema im Ältestenrat zu machen". Der Grüne hatte in seiner Rede (die übrigens im Netz zu den meistgeklickten Beiträgen aus dem Bundestag während der letzten Jahre gehört) die AfD-Abgeordneten als "Rassisten" bezeichnet und ihnen vorgeworfen, Deutschland zu verachten. Die linke Vizepräsidentin Petra Pau, das dienstälteste Mitglied des Bundestags-Präsidiums, hatte als Sitzungsleiterin dazu nichts gesagt.

Bundestag Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau
Petra Pau, Linken-Abgeordnete und seit zwölf Jahren Bundestags-VizepräsidentinBild: picture-alliance/dpa/Deutscher Bundestag

Und sie gab der AfD während der Debatte einen "geschäftsleitenden Hinweis": Falls eine Fraktion an der Sitzungsleitung etwas auszusetzen habe, gebe es dafür Regeln: "Jedenfalls tragen wir das nicht im Plenum des Bundestags miteinander aus, sondern der Ort für die­se ganze Geschichte ist der Ältestenrat."

Ob es dort irgendwann zur Klärung kommt? Spricht man mit einigen der Parlamentarier, die dem Gremium angehören, dominiert Skepsis. Auch wenn man es richtig finde, dass sich der Ältestenrat mit den scharfen Debatten der vorigen Woche befasse - mal wieder. Fast in jeder Sitzungswoche kämen der Stil der AfD und die Reaktionen darauf zur Sprache.

Empören oder Leisetreten?

Dabei zeichnen sich im generellen Umgang des Bundestages mit der AfD zwei Tendenzen ab. Für die eine steht beispielhaft Cem Özdemir, der die Empörung über Vorlagen und Äußerungen der AfD in Worte fasste. Gerade Grüne und Linke wählen diesen Kurs. Solche Reden machen deutlich, wie weit rechts die "Alternative" steht - und sorgen dort für Empörung. Die andere Tendenz geht dahin, sachliche Unzulänglichkeiten und zum Teil banale verfahrenstechnische Fehler von AfD-Vertretern offenzulegen, aber bewusst nicht an der Empörungsschraube zu drehen. Dazu tendieren, so scheint es, Union und FDP. Als Wolfgang Kubicki von den Liberalen den Yücel-Antrag der AfD als "Antrag von intellektueller Erbärmlichkeit" bewertete, hatte er diese Meinung zuvor genüsslich begründet.

Die bewusste Empörung, heißt es, könne der AfD in die Hände spielen. Ein etablierter Meinungsforscher war in dieser Woche in einer Fraktion zu Gast. Dort erläuterte er, die Partei brauche die Abwehr-Reaktion der Etablierten. Denn so generiere sie Motivation für ihr Klientel. Es wäre auch eine Geste, wenn die anderen Abgeordneten der Parteien auf besonders empörende Beiträge von AfD-Rednern hin nicht zum Mikrofon eilten. Stattdessen könnten sie ihre Reden gemeinsam zu Protokoll geben und damit auch eine Form von Geringschätzung zeigen. Zugespitzt gesagt: Auf Lärm kann man auch sehr leise reagieren.

Entschuldigung bleibt aus

Ein Aspekt taucht wiederholt auf in den Schilderungen der Beteiligten. Die Frage, ob man sich für einen verbalen Fehltritt entschuldigt. Im Streit um die Satire-Äußerungen von Yücel hatten im Plenum in der vorigen Woche sowohl der Unions-Redner Alexander Throm als auch Kubicki diese Frage angesprochen. Und es explizit als "unanständig" bezeichnet, dass zum Beispiel der AfD-Fraktionschef Alexander Gauland öffentlich, aber nicht im Bundestag, dafür plädierte, man müsse die (in Hamburg geborene) Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, "entsorgen" - und dass sich Gauland bis heute nicht dafür entschuldigt habe. "Ein Mensch ist kein Abfall", so Kubicki.

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Unentschuldigt: Alexander Gauland (vorne rechts) und die AfD-Fraktion im BundestagBild: picture alliance/AP Photo/M. Schreiber

Der Liberale Kubicki, auch einer der Vizepräsidenten, zeigte dann am vorigen Freitag, dass das Präsidium durchaus Instrumente hat. Da ging es um das Thema "Erinnerungskultur in Deutschland angesichts rechtsextremistischer Angriffe", und wieder gab es Streit und viele Zwischenrufe der AfD. Kubicki erteilte in deren Richtung einen Ordnungsruf und verurteilte einen Zwischenruf formell als "unparlamentarisch".

Kubicki ist neu in dem Amt – aber die Art und Weise, wie er sehr ruhig und deutlich zugleich einschritt, zeigt, dass das Präsidium auf die neue "Lebendigkeit" der Debatten eingestellt ist. Diese wird noch zunehmen. Denn wenn erst mal eine Bundesregierung im Amt ist, Gesetzesvorhaben und Initiativen in den Bundestag einbringt, wird der Streit noch heißer werden.