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Der unentschiedene König

19. April 2010

Seit Jahren ist Thailands Gesellschaft tief gespalten. Gelbhemden gegen Rothemden – mittlerweile lähmt der Machtpoker das Land. Versöhnen könnte eigentlich nur König Bhumibol – doch der scheut das Machtwort.

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Thailands 82 Jahre alter König Bhumibol Adulyadej (Foto:ap)
Thailands 82 Jahre alter König Bhumibol AdulyadejBild: AP

Kein anderes Staatsoberhaupt der Welt ist schon so lange an der Macht wie König Bhumibol Adulyadej: Seit 1946 regiert der Monarch Thailand. In einem Land, das seitdem 17 Staatsstreiche und 27 Premierminister erlebt hat, garantiert allein der König für viele Thais die Stabilität ihres Landes. Der im Volk außerordentlich beliebte Monarch hat sich in seiner Regierungszeit gerade in Krisenzeiten häufig zu Wort gemeldet: In den 1970er-Jahren gewährte er Regimekritikern in seinem königlichen Palast Zuflucht vor der Verfolgung durch brutale Militärs. Und Anfang der 90er Jahre, als das thailändische Militär Proteste gegen die Regierung blutig niederschlug, zwang der König in einer vom Fernsehen übertragenen Audienz die Verantwortlichen zum öffentlichen Kniefall und damit zum Rücktritt.

Warten auf ein Machtwort des Königs

Thailands ehemaliger Premier Thaksin Shinawatra (Foto:epa)
Multimillionär und ehemaliger Premier: Thaksin ShinawatraBild: picture alliance/dpa

Jetzt steckt Thailand erneut in der Krise: Im Land brodelte es schon, als der steinreiche Unternehmer Thaksin Shinawatra 2001 zum Premierminister gewählt wurde. Thaksin galt als Mann der Armen, der lange vernachlässigten Arbeiter und Bauern. Mit dem Versprechen weitgehender sozialer Reformen politisierte er die Massen und verärgerte die Eliten des Landes, die Royalisten und das Militär. Als diese ihn 2006 aus dem Amt putschten, spaltete dies das Land so sehr, dass es sich bis heute nicht davon erholte. Seither bekämpfen sich Rothemden und Gelbhemden, Anhänger und Gegner des ehemaligen Ministerpräsidenten öffentlich, erschüttern Massenproteste das Land, die ein Regierungshandeln nahezu unmöglich machen. Die politische Lähmung auflösen könnte nur der Monarch. Doch König Bhumibol hat sich bislang nicht dazu durchringen können, klar für eine Seite Stellung zu beziehen oder zu einem friedlichen Kompromiss aufzurufen. Selbst nach der jüngsten Gewalteskalation, als bei Demonstrationen in Bangkok am 11. April 2010 mindestens 25 Menschen getötet und über 800 verletzt worden waren, meldete König Bhumibol sich nicht zu Wort. Erst am Abend des 26. April rief König Bhumibol in einer Rede dazu auf, die Stabilität in Thailand wiederherzustellen. Doch nicht einmal dabei ging der vom Volk hoch verehrte Monarch direkt auf den Konflikt zwischen Regierung und Demonstranten ein.

Gespalten und geschwächt

Oppositionelle Demonstration in Bangkok (Foto:ap)
Seit Wochen gehen Thailands "Rothemden" gegen die Regierung auf die StraßeBild: AP

Aber warum zögert der König? Je länger sein vager und ausweichender Kurs andauert, desto unregierbarer wird das Land. Einige Experten vermuten bereits, dass die tiefe Spaltung in der Gesellschaft sich auch durch das Königshaus ziehen könnte. Denn Bhumibols Frau, Königin Sirikit, hegt offensichtliche Sympathien für die Gelbhemden, die das alte Establishment und die Spitzen des Militärs stützen. Bhumibols Sohn Kronprinz Maha hingegen soll eher den oppositionellen Rothemden zugeneigt sein. Außerdem gibt es immer wieder Spekulationen um Bhumibols Gesundheitszustand. Erst vor kurzem hat der mittlerweile 82-Jährige einige Zeit in einem Bangkoker Krankenhaus verbringen müssen. Der Palast hatte lediglich erklärt, der König kuriere eine Lungenentzündung aus. So erscheint der König mittlerweile zu geschwächt, um die beiden zerstrittenen Parteien an den Verhandlungstisch zwingen zu können.

Ungewisse Zukunft

Thailands Bevölkerung sorgt sich um die Gesundheit ihres Königs (Foto:ap)
Thailands Bevölkerung sorgt sich um die Gesundheit ihres KönigsBild: AP

In Thailand geht hinter vorgehaltener Hand schon die Sorge um, was nach dem König kommen soll. Wenn Gelb- und Rothemden weiterhin nicht von ihren kompromisslosen Standpunkten abrücken, könnte das Militär seine selbstauferlegte politische Zurückhaltung aufgeben. Kronprinz Maha aber besitzt nicht im Ansatz die moralische Autorität seines Vaters, um die Situation im Land unter Kontrolle halten zu können. Noch ist nicht einmal klar, ob er tatsächlich die Nachfolge auf dem Königsthron antritt. Kaum jemand traut sich, derartige Diskussionen über die Zukunft des Landes offen zu führen. Das Königshaus gilt als unantastbar, und einem thailändischen Gesetz zufolge kann Majestätsbeleidigung mit bis zu 15 Jahren Haft geahndet werden. Thailand geht mehr denn je einer ungewissen Zukunft entgegen, erst recht, wenn sein greiser, stummer König sterben sollte.

Autor: Thomas Latschan
Redaktion: Thomas Kohlmann