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Der "Silberfuchs" von Georgien

Deborah Wild/dk7. März 2002

Vor zehn Jahren kehrte Georgiens Präsident Eduard Schewardnadse in sein Land zurück, um dort die Macht zu übernehmen. Diese will er noch immer nicht hergeben. DW-WORLD porträtiert einen außergewöhnlichen Politiker.

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Nach dem Verdienst folgt oft die Autokratie: Eduard SchewardnadseBild: AP
Am 10. März 1992 wurde Eduard Schewardnadse zum Vorsitzenden des damaligen georgischen Staatsrates ernannt. Im Oktober desselben Jahres wurde er zum Präsidenten der Kaukasus-Republik gewählt. Seine dritte Amtszeit trat Eduard Schewardnadse im im April 2000 an. Der heute 74-Jährige wurde mit 80 Prozent der Stimmen wiedergewählt.

Harte Aufbauarbeit nach dem Kommunismus

Eduard Ambrosewitsch Schewardnadse wurde am 25. Januar 1928 im georgischen Ort Mamati geboren. Früh entdeckte er seine Vorliebe für die Politik. Sein beharrliches Vorgehen gegen Korruption ließ ihn in der damaligen Sowjetunion schnell die Karriere-Leiter hoch steigen. 1972 wurde er Chef der Kommunistischen Partei Georgiens. Als sowjetischer Außenminister unter Michael Gorbachow wirkte er am Fall es Eisernen Vorhangs und der Wiedervereinigung Deutschlands mit. Das sicherte ihm unter anderem die Unterstützung Deutschlands, als er am 7. März 1992 in ein zerstörtes Georgien zurückkehrte. Unter dem ersten Präsidenten des Landes, Swiad Gamsachurdia, war Georgien geradewegs in einen Bürgerkrieg geschlittert. Surab Schwania, ehemaliger Parlamentssprecher, äußert sich bewundernd über die zentrale Rolle Schewardnadses beim Wiederaufbau: "Bis zum Frühjahr 1992 war Georgien bereits fast nicht mehr existent: Die staatlichen Institutionen und die Wirtschaft waren zusammen gebrochen. Es gab Konflikte in Abchasien und Südossetien. Das politische Spektrum war zerstritten, und es gab keine Anzeichen für eine zentrale Macht. Schewardnadse hat es geschafft, aus diesen Ruinen einen georgischen Staat aufzubauen. Er hat großen Anteil daran, dass Georgien wieder eine Demokratie wird. Dafür sollte ihm jeder dankbar sein."

Mit aller Energie die Macht festhalten

Auf seinem Weg musste Schewardnadse mehrere Rückschläge einstecken: Anfang der 90er Jahre versuchten die georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sich mit Unterstützung Russlands gewaltsam von der Regierung in Tiflis zu lösen. Russische Friedenstruppen kontrollieren seitdem einen brüchigen Waffenstillstand. 1995 und 1998 entging Schewardnadse nur knapp zwei Anschlägen. Bei beiden vermuten Experten Verbindungen zu russischen Kreisen.

Sein politisches Kalkül und sein Überlebensinstinkt brachten dem inzwischen ergrauten Mann den Spitznamen "Silberfuchs" ein, und halfen ihm über die bisher vielleicht schwerste politische Krise: Im Oktober 2001 forderten mehrere tausend Demonstranten seinen Rücktritt. Anlass dazu waren massive Attacken der Behörden gegen den privaten Fernsehsender Rustawi 2. Vor allem junge Georgier kritisierten dies als Versuch, regierungskritische Stimmen zu unterdrücken, und gingen auf die Strasse. Schewardnadse machten einen listigen Schachzug: Er entließ sein gesamtes Kabinett. Und er ließ verlauten, dass er nun nicht auch noch selbst zurücktreten könne, denn das würde zum Kollaps des ganzen Landes führen. Auf diese Weise hielt er an der Macht fest.

Zeit für einen Wechsel

Schewardnadse selbst sei das größte Problem Georgiens, meinen inzwischen viele Beobachter. "Einer der Gründe, warum er das größte Problem darstellt, ist: Das politische System ist ganz auf Schewardnadse fokussiert. Ein Großteil der politischen Macht liegt bei ihm. So fällt auch letztendlich jedes Problem zurück auf Schewardnadse", sagt der amerikanische Georgienexperte Stephen Jones:

Bei den Präsidentschaftswahlen vor zwei Jahren versprach Schewardnadse, die Armut zu bekämpfen und den Zerfall des Landes aufzuhalten. Wenig ist seitdem aus diesen Versprechen geworden – zum wachsenden Zorn der Bevölkerung, denn tägliche Strom- und Wasserausfälle sind noch immer an der Tagesordnung. Nach offiziellen Schätzungen leben gut drei Viertel der fünf Millionen Einwohner unter der Armutsgrenze. Der durchschnittliche Monatslohn liegt bei 30 Euro. Die meisten Rentner müssen mit 7 Euro pro Monat auskommen. Kaum jemand bezahlt in Georgien seine Steuern. Die Staatskasse ist leer. Und weil die Beamten monatelang auf ihren Lohn warten müssen, blühen Korruption und Schattenwirtschaft. "Nicht ein einziger georgischer Beamter ist unter Schewardnadses Regierung wegen Korruption zur Verantwortung gezogen worden", sagt Michail Saakaschwili enttäuscht. Als Justizminister ließ Saakaschwili einzelne Korruptionsfälle durch seine Behörden überprüfen. Seine Ergebnisse präsentierte er im Parlament vor laufender Kamera: Photos von den Villen, die sich Minister und enge Vertraute Schewardnadses hatten bauen lassen. Dennoch lehnte Schewardnadse einen Gesetzesentwurf ab, mit dem man korrupte Politiker aus dem Amt hätten jagen können. Über das Thema Korruption zerbrach letzten Sommer auch die Regierungspartei.

Das Ende einer Ära

Die jüngere Politiker-Generation ist deshalb überzeugt: Dem 74-jährigen Schewardnadse sind schon lange die Visionen und die Energie ausgegangen. Deshalb fordern sie vorgezogene Neuwahlen, denn Schewardnadses Amtzeit würde sonst noch bis 2005 dauern. "Ich glaube, die Ära Schewardnadse ist bereits zu Ende", sagt der Georgien-Experte Jones. Damit spricht er vielen Georgiern aus dem Herzen. Auf den Strassen von Tiflis erzählt man sich den Witz: Was geht und kommt immer wieder? Elektrizität. Und was ist gekommen und geht nie wieder weg? Großvater Schewardnadse.