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Der seltsame Fall des Gustl Mollath

Marcus Lütticke14. August 2014

Es begann als Verfahren wegen häuslicher Gewalt und endete in einem Justizskandal. Nun wurde Gustl Mollath freigesprochen - obwohl ihn das Gericht für schuldig hält. Eine Chronologie.

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Gustl Mollath vor Verhandlungsbeginn (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

August 2001: Nach Auskunft von Mollaths damaliger Ehefrau Petra wird sie Opfer häuslicher Gewalt. Ihr Mann schlägt, beißt und würgt sie angeblich. Petra Mollath zeigt den Vorfall zu dem Zeitpunkt jedoch nicht an.

Mai/Juni 2002: Die Ehe der Mollaths steht vor dem Aus. Frau Mollath zieht aus der gemeinsamen Wohnung aus. Als sie einen Monat später nur kurz zurückkehrt, hält ihr Mann sie dort - wie später zu Protokoll gibt - 90 Minuten gegen ihren Willen fest.

November 2002: Mollaths Frau erstattet wegen des von ihr geschilderten Vorfalls vom August 2001 Anzeige. Mollath bestreitet die Vorwürfe.

Mai 2003: Mollath wird von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung angeklagt.

September 2003: Vor dem Amtsgericht Nürnberg beginnt die Hauptverhandlung im Strafverfahren gegen Gustl Mollath.

Dezember 2003: Mollath versucht seinerseits, rechtlich gegen seine Frau vorzugehen und nährt durch teils etwas wirr formulierte Anzeigen und Briefe den Verdacht, dass mit ihm psychisch etwas nicht stimmt. Kern seines Vorwurfs ist, dass seine Frau - damals Mitarbeiterin der HypoVereinsbank - in Schwarzgeldgeschäfte verstrickt sei. So schreibt er wörtlich in einem als "Anzeige" deklarierten Brief an den Generalstaatsanwalt in Berlin: "Ein Großteil Ihrer Kunden bringt mich zum würgen. Keine Kultur, keine Moral (aber doppelte), kein Gewissen, nur noch Geld, Geld mehr, mehr. Das ganze Spektrum, von der Haushaltshilfe, über Beamte, zum Arzt oder Apotheker. Rentner denen Sie ein gutes Werk tun wollten, Sie tod umfallen würden, wenn Sie wüßten wieviele Millionen die besitzen. Gealterte Blondinen, alles was man sich vorstellen kann."

Logo der Hypovereinsbank in Nürnberg (Foto: picture-alliance/dpa)
Angebliche Schwarzgeldgeschäfte: Filiale der HypoVereinsbank in NürnbergBild: picture-alliance/dpa

Februar 2004: Mollaths Anzeige wird von der Staatsanwaltschaft nicht weiter verfolgt. Die Angaben seien nicht konkret genug, um ein Ermittlungsverfahren einzuleiten.

Juni 2004: Mollath wird zur psychologischen Begutachtung ins Bezirkskrankenhaus Erlangen eingewiesen, kurz darauf aber wieder entlassen.

August 2006: Das Strafverfahren gegen Mollath endet mit der zwangsweisen Unterbringung in der Psychiatrie. Begründung: Mollath sei wegen paranoiden Wahnvorstellungen schuldunfähig, aber auch gefährlich. Ein Gutachter bestätigt diese Einschätzung, obwohl der Gutachter nie ein Explorationsgespräch mit Mollath geführt hat.

Februar 2007: Der von Mollath gestellte Antrag auf Revision wird vom Bundesgerichtshof als unbegründet zurückgewiesen.

März 2012: Der Fall Mollath erreicht die Politik. Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) sagt im Landtag, Mollaths Strafanzeige wegen der Bankgeschäfte seiner Frau sei "weder Auslöser noch Hauptanlass noch überhaupt ein Grund für seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gewesen". Die Vorwürfe, die er gegen seine Frau und weitere Mitarbeiter der Bank erhebt, seien für ein Verfahren nicht ausreichend.

Bayerische Justizministerin Beate Merk (Foto: picture-alliance/dpa)
Zu lange untätig? Bayerns Justizministerin Beate Merk brachte der Fall Mollath viel Kritik einBild: picture-alliance/dpa

November 2012: Ein als vertraulich eingestufter Bericht der HypoVereinsbank aus dem Jahr 2003 kommt an die Öffentlichkeit. Darin heißt es: "Die Anschuldigungen des Herrn Mollath klingen in Teilbereichen zwar etwas diffus, unzweifelhaft besitzt er jedoch 'Insiderwissen'. Alle nachprüfbaren Behauptungen haben sich als zutreffend herausgestellt." Gleichzeitig äußert die HypoVereinsbank in dem Bericht die Sorge, Mollath könne sein Wissen über den Transfer von Geldern aus Deutschland in die Schweiz in die Öffentlichkeit bringen. Daraufhin erklärt Justizministerin Merk, sie wolle den Fall Mollath komplett neu aufrollen lassen und ordnet einen Wiederaufnahmeantrag an.

18. März 2013: Die Regensburger Staatsanwaltschaft beantragt die Wiederaufnahme des Verfahrens. Sie stützt diesen Antrag im Wesentlichen auf neue, also dem Gericht zum Zeitpunkt der Verurteilung nicht bekannte Tatsachen.

24. Juli 2013: Das Landgericht Regensburg weist die Anträge zur Wiederaufnahme des Verfahrens zurück.

6. August 2013: Das Oberlandesgericht Nürnberg ordnet an, dass Mollath unverzüglich aus der Psychiatrie zu entlassen sei. Außerdem solle das Strafverfahren gegen ihn wieder aufgenommen werden.

Gustl Mollath aus Psychiatrie entlassen (Foto: Getty Images)
Entlassung aus der Psychiatrie: Mollath am 6. August 2013Bild: Getty Images

07. Juli 2014: Vor dem Landgericht Regensburg beginnt das Wiederaufnahmeverfahren.

14. August 2014: Freispruch für Gustl Mollath. Das Landgericht Regensburg sieht es zwar als erwiesen an, dass Mollath seine damalige Frau im Jahr 2001 körperlich schwer misshandelt hat. Der Angeklagte darf in einem Wiederaufnahmeverfahren aber nicht schlechter gestellt werden als im ursprünglichen Verfahren - und da war Mollath wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen worden. Eine akute Gefährdung geht laut Gericht von Mollath nicht mehr aus, weshalb er nicht erneut psychiatrisch untergebracht wird. Für die mehr als sieben Jahre, die er zwangsweise in der Psychiatrie verbracht hat, steht Mollath nun eine Entschädigung zu.