1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Schwieriger Balanceakt der USA im Nahen Osten

Kimball, Spencer / dch3. August 2015

Den USA gelingt im Nahen Osten ein diplomatisches Kunststück: Trotz der Annäherung an den Iran bleiben auch die Beziehungen zum iranischen Erzfeind Saudi-Arabien gut.

https://p.dw.com/p/1G8zc
Saudi-Arabien USA Außenminister John Kerry & König Salman in Riad (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/A. Harnik

Auf der einen Seite steht eine offizielle islamische Nation, die seit 83 Jahren von derselben Familie beherrscht wird. Hier bestimmt die Religion, wer Autos fahren darf (Männer) und was Frauen tragen sollen (Abayas, oder auch: Ganzkörpermäntel). Auf der anderen Seite: Ein christlich geprägtes Land, in dem die Wähler die politische Führungsriege bestimmen und vor allem auf bundesstaatlicher Ebene große Mitbestimmungsrechte haben.

Feinde und Interessen - das sind wohl die einzigen beiden Dinge, die Saudi Arabien und die Vereinigten Staaten gemein haben. Doch diese beiden Dinge zusammengenommen haben für eine lange und großenteils loyale strategische Partnerschaft gesorgt.

"Bisher hat diese Allianz jegliche Provokation überstanden, die sie hätte auseinanderreißen können. Dies schließt die Anerkennung Israels durch US-Präsident Truman im Jahr 1948 ein", sagte Thomas Lippman, ehemals Chefkorrespondent der Washington Post für den Nahen und Mittleren Osten, der Deutschen Welle.

Waffen und Vertrauen

Lippmann glaubt, dass die Beziehungen zwischen den beiden Ländern auch den neuesten Belastungstest bestehen wird: Die Einigung im Atomdeal mit dem Iran. Im Gegenzug zum Wegfall der Sanktionen wurde der Führung in Teheran auferlegt, ihr Nuklearprogramm deutlich einzuschränken. Am Sonntag flog der US-Außenminister John Kerry nach Katar. Es war seine erste Reise in den Nahen Osten, seitdem er und seine Verhandlungspartner diese historische Vereinbarung mit dem größten Rivalen Saudi Arabiens vereinbart hatten.

Kerry war sowohl vor als auch nach Bekanntgabe der Vereinbarung bemüht, die starke Verbundenheit der USA zu seinen Partnern am Golf zu betonen. Gerade in der vergangenen Woche hatte das Außenministerium den Verkauf von 600 Patriot Raketen im Gesamtwert von 5,4 Milliarden US-Dollar an Saudi-Arabien bewilligt.

Die Patriot-Raketen würden ein Gegengewicht zum iranischen Raketenprogramm darstellen, sagte Lippman, fügte aber an, er glaube nicht daran, dass der Verkauf der Raketen in direktem Zusammenhang mit dem Atomdeal stehe. "Ich hege keine Zweifel daran, dass die Saudis Schiiten sowohl missachten und sehr unglücklich über die iranischen Aktivitäten in der Region sind. Das alles ist kein Geheimnis", so Lippman.

"Außerdem haben sie verstanden, dass sie sich mit den USA gut stellen müssen," bemerkte Lippmann weiter. "Niemand sonst würde ihnen 600 Patriot-Raketen verkaufen."

Bildkombo Hassan Ruhani (l) King Salman bin Abdulaziz (r) (Foto: dpa-Bildfunk)
Erzfeinde: Der Saudische König Salman bin Abdulaziz und der der iranische Präsident Hasan RuhaniBild: picture-alliance/dpa

Es geht gar nicht um die Raketen

Der ehemalige US-Botschafter in Saudi-Arabien, Richard Murphy, sagte, im Kern geht es bei der Diskussion um den Iran-Deal gar nicht so sehr um technische Details bei der Nukleartechnik. Die Golfstaaten seien vielmehr besorgt, dass eine Aufhebung der Wirtschaftssanktionen zu einer verstärkten iranischen Unterstützung schiitischer Milizen im Irak, in Libanon, Syrien und im Jemen führen könnte. Gerade in diesen Ländern konkurriert der Iran mit Saudi-Arabien um Macht und Einfluß.

"Es gibt eine große Sorge darüber, dass sehr viel Geld in die Hände der Iraner fallen wird. Alle diese Staaten befürchten das Schlimmste von der Regierung in Teheran," sagte Murphy der DW. "Sie alle erinnnern sich noch genau an die Worte des Ayatollahs in den ersten Jahren der Revolution. Damals ging es ihm um den Sturz korrupter Regierungen in der muslimischen Welt," sagte Murphy: "Für ihn gab es damals eigentlich nur eine rechtschaffene Regierung. Und das war seine eigene."

Bei einem Treffen im Mai in Camp David war es US-Präsident Barack Obama allerdings gelungen, die Mitgliedstaaten des Golfkooperationsrates von einem Deal mit dem Iran zu überzeugen. Dem Golfkooperationsrat gehören neben Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten auch Bahrain, Kuwait, Oman und Katar an.

Die lukrative Geschäft der Waffenbrüder

Laut dem "Center for Strategic and International Studies" in Washington sind die Militärausgaben Saudi Arabiens viermal so hoch wie die des Iran. Zusammengenommen geben die Staaten des Golfkooperationsrates sechs bis siebenmal so viel aus wie der Iran. Und die USA spielen eine Schlüsselrolle bei diesen Ausgaben. Im Jahr 2010 hatte die Obama-Regierung den größten Waffendeal der Geschichte mit Saudi-Arabien beschlossen. Gesamtwert: 60 Milliarden US-Dollar. In dem Deal enthalten waren 84 neue F-15 Kampfjets, 70 Helikopter vom Typ "Apache", 72 "Black-Hawks", und 36 Helikopter vom Typ "Little Bird".

"Waffenverkäufe sind die Konstante in unserer Beziehung mit Saudi Arabien", so Murphy. "Das hat sich zu einem sehr lukrativen Markt für Waffenproduzenten entwickelt." Daher sei es auch ziemlich sicher, dass John Kerry bei seiner Reise das US-Sicherheits-Engagement in der Golf-Region betonen würde. "Er wird wieder betonen, dass die USA so viele Waffen wie nötig zur Verfügung stellen werden."

US-Präsident Obama hinter einem Redepult (Foto: Alex Wong/Getty Images)
Bild: Getty Images/A. Wong

Eine "Vernunftehe"

All das ist Teil einer "Vernunftehe", wie Lippman sagt. Und die saudischen Öl-Reserven sind nicht mehr ganz so wichtig wie sie einmal gewesen waren. Die USA seien bezüglich ihres Energiehungers schon länger nicht mehr auf die Golfstaaten angewiesen. Viel bedeutender seien inzwischen die gegenseitigen Abhängikeiten im Sicherheitsbereich. Die Saudis bekämen von den Amerikanern Verteidigungsgarantien. Im Gegenzug würde Riad prinzipiell den Frieden mit Israel und Anti-Terror Maßnahmen gegen Al-Quaida und den "Islamischen Staat" IS unterstützen.

"Ihr oberstes Ziel ist immer der Selbsterhalt", sagte Lippmann: "Sie wissen, dass der IS Mekka einnehmen will. Sie wissen auch, dass Al-Quaida ihre Köpfe rollen lassen will. Und genau deswegen wollen sie sich zur Wehr setzen."

Der Atom-Deal in Verbindung mit der Rolle Teherans beim Kampf gegen den "Islamischen Staat" hat dazu geführt, dass die USA über einen gewissen Zeitraum ihre Beziehungen zu den Iranern vertiefen wollten. In den Augen manchner Beobachter geschah dies zu Lasten der Saudis. Richard Murphy verurteilt diesen Gedanken als "unlogisch". "Die Iraner wollen so eine Beziehung genauso wenig wie wir", so Murphy: "Aber so ist nunmal die Denkweise am Golf."