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Papst Franziskus in Sarajevo

Nils Neubert5. Juni 2015

Am Samstag besucht Papst Franziskus Sarajevo. Nicht nur die Katholiken in Bosnien-Herzegowina erhoffen sich positive Impulse für das Land, das 20 Jahre nach Kriegsende noch immer nicht stabil ist.

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Bosnien und Herzegowina vor dem Papst Besuch; Foto: DW
Bild: DW/N. Velickovic

"Der Besuch des Papstes kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, die nationalistischen und religiösen Spannungen sind immer ausgeprägter, manchmal habe ich das Gefühl, dass nichts mehr die nationalistische Politik aufhalten kann".

Ana-Marija Lasić klingt resigniert. Sie ist 38 Jahre alt, in Sarajevo geboren und aufgewachsen, hat den kompletten Krieg und die vierjährige Belagerung der Stadt durch die bosnischen Serben überlebt. Sie ist gläubige Katholikin und vor allem, wie sie betont, eine stolze Bewohnerin ihrer Stadt und des Landes Bosnien-Herzegowina. Eine solche Sichtweise ist nicht selbstverständlich unter den bosnischen Kroaten, die sich überwiegend zum römisch-katholischen Glauben bekennen. Viele von ihnen beklagen, nicht voll anerkannt zu sein in dem Land, vor allem, weil sie in der Minderheit sind.

Sarajevo Ana-Marija Lasić
Ana-Marija Lasić aus SarajevoBild: privat

In Bosnien-Herzegowina gibt es neben den zahlenmäßig kleineren Minderheiten wie Roma und Juden drei große Bevölkerungsgruppen: Bosniaken, die überwiegend muslimisch sind, Serben (überwiegend serbisch-orthodox) und Kroaten (überwiegend römisch-katholisch). Bei der letzten Volkszählung im Jahr 1991 bezeichneten sich 17 Prozent der Menschen in Bosnien-Herzegowina als katholisch, 44 Prozent als muslimisch und 31 Prozent als serbisch-orthodox.

Doch diese Zahlen stammen aus der Zeit vor dem Krieg, der zwischen 1992 und 1995 wütete. Viele bosnische Kroaten sind danach ausgewandert, entweder nach Kroatien oder in andere Länder. Für die, die in dem Land geblieben sind, ist die Religion und die eigene Kirchengemeinde oftmals ein wichtiger Bezugspunkt des Alltags geworden. Insofern ist der Papstbesuch für sie ein wichtiges Signal - sie fühlen sich ernst genommen und in ihrem Bestreben zu bleiben gestärkt.

Sarajevo - gelebte Vielfalt

Papst Franziskus hat aber Sarajevo als Ziel seiner achten Auslandsreise nicht nur deswegen gewählt. Sarajevo ist vielmehr ein Symbol des Zusammenlebens der verschiedenen Kulturen und Religionen. Dieses Zusammenleben wurde über Jahrhunderte gestaltet; entstanden ist eine für Europa geradezu vorbildhafte Kultur des gegenseitigen Respekts und der Toleranz.

Das Stadtbild Sarajevos ist lebendiges Zeugnis dieser Kultur - auf engstem Raum steht eine Synagoge neben einer Moschee, etwas weiter die katholische Kathedrale und unweit davon eine serbisch-orthodoxe Kirche.

Viel wichtiger aber als das Nebeneinander der Religionen sei das Zusammenleben im Alltag, betont Enes Karić, Professor an der Fakultät der Islamischen Theologie von Sarajevo. Religion, so Karić, sei heutzutage immer präsenter im Alltag: "In vielen Ländern wird Religion aber leider auch für Kriege, Gewalt und Instabilität benutzt." Für ihn ist daher schon das Motto des Papstbesuchs ein positives Signal: "Mir vama" - "Friede sei mit Euch". "Friede", fügt Enes Karić hinzu, "ist heute ein bedrohter Wert. Der Papst appelliert an den Frieden als etwas, das man aufrecht erhalten muss. Ich deute seinen Besuch als wichtiges Symbol nicht nur für die Katholiken und die Kroaten in Bosnien und Herzegowina, sondern auch für die Muslime, die Orthodoxen, die Juden und alle anderen."

Katholikin und Bürgerin Bosnien-Herzegowinas

Das Hauptproblem Bosnien-Herzegowinas ist die Arbeitslosigkeit und die damit einhergehende extreme Armut großer Bevölkerungsteile. Laut Konrad-Adenauer-Stiftung waren im Jahr 2014 über 50 Prozent der Menschen arbeitslos, unter Jugendlichen betrug diese Zahl sogar 72 Prozent. Ana-Marija Lasić hat einen der begehrten Jobs in der staatlichen Verwaltung bekommen. Sie verdiene nicht viel Geld, wenigstens sei die Stelle aber relativ sicher, sagt sie. Trotz aller negativen Umstände ist sie zufrieden mit ihrem Leben in Sarajevo. Weggehen? Nie, betont sie entschieden. Bosnien-Herzegowina sei doch ihr Land, ihre Freunde und Arbeitskollegen seien muslimisch und serbisch-orthodox, im Alltag spiele das keine Rolle.

Die gläubige Katholikin freut sich auf den Papstbesuch, fügt aber noch hinzu: "Für mich als Katholikin bedeutet sein Besuch eigentlich nicht so viel. Viel wichtiger finde ich seinen Besuch als Bürgerin Bosnien-Herzegowinas. Wir Katholiken können ja auch in den Vatikan fahren und den Papst sehen. Aber der Papst kommt jetzt in mein Land, welches sich auch nach 20 Jahren immer noch nicht von der Tragödie des Krieges und der zwischen-ethnischen Konflikten erholt hat."

Sarajevo Enes Karic
Enes Karić: "Religion wird immer präsenter"Bild: privat

Ein Stuhl als Symbol

Aus ihrer Antwort entspringt das Fünkchen Hoffnung, dass dieser Papstbesuch wenigstens einen kleinen Impuls für die Zukunft des Landes geben könnte. Wenn die Politik es schon nicht richten kann, vielleicht helfen dann symbolische Gesten, so die Meinung vieler. Über solch ein kleines, aber wichtiges Symbol berichten im Vorfeld des hohen Besuchs die Medien in der ganzen Region des ehemaligen Jugoslawiens. Der Stuhl, auf dem der Papst am Samstag seine Messe im Stadion Koševo halten wird, wurde von Vater und Sohn Edin und Salem Hajderovac geschnitzt, aus echtem bosnischen Walnussholz, wie sie betonen. Die beiden kommen aus dem zentralbosnischen Städtchen Zavidovići und sind bosnische Muslime. Den Auftrag für die Herstellung haben sie von der örtlichen katholischen Gemeinde bekommen.