Der libanesische Fußball bangt um Toptalent Celine Haidar
28. November 2024Fußball gespielt wird im Libanon schon länger nicht mehr, seit September rollt kein Ball mehr. Doch der Sport hat immer noch die Fähigkeit, ein Land zu vereinen, das nun hofft und betet, dass sich Celine Haidar von ihren lebensbedrohlichen Verletzungen erholt. Die 19-Jährige ist Kapitänin ihres Vereinsteams Beirut Football Academy (BFA) und stand im Kader der libanesischen Juniorinnen-Nationalmannschaft. Der talentierten Mittelfeldspielerin sagte man eine große Zukunft voraus. Am 16. November wurde Haidar jedoch von einem Granatsplitter am Kopf getroffen, der von einer israelischen Bombe stammte, die auf Beirut abgeworfen wurde. Die Fußballerin zog sich einen Schädelbruch und Hirnblutungen zu.
Die Spannungen zwischen Israel und der Hisbollah hatten sich in den letzten Monaten verschärft - ehe nun eine Waffenruhe vereinbart wurde. Schätzungsweise eine Million Menschen haben aufgrund der israelischen Angriffe die südlichen Gebiete der Hauptstadt verlassen. Doch Haidar war dorthin zurückgekehrt, um ihr Training wieder aufzunehmen. Nun kämpft sie im Saint-Georges-Krankenhaus in Beirut um ihr Leben, die Ärzte versetzten sie in ein künstliches Koma.
"Worte können nicht beschreiben, wie ich mich gefühlt habe, als ich hörte, was passiert ist", sagt Lama Abdine, eine Teamkollegin Haidars, der DW. "Celine ist wie eine Schwester für mich, sie ist einer der nettesten und reinsten Menschen, die ich kenne. Sie ist immer da und hilft allen, hört sich ihre Probleme an und motiviert sie. Sie ist eine Quelle der Freude und des Glücks für alle um sie herum. Wir werden weiterhin für sie beten und hoffen, dass sie wieder vollständig genesen wird."
Ein inspirierendes Beispiel
Abdine war zusammen mit Haidar dabei, als das libanesische Team der U18-Juniorinnen die westasiatische Meisterschaft gewann. Das ganze Land feierte den Triumph. Nun sollte Haidar auch in die A-Nationalmannschaft berufen werden. Das libanesische Frauenteam hat berechtigte Hoffnung, sich für die Asienmeisterschaft 2026 in Australien zu qualifizieren.
"Celine und ich teilen uns seit 2022 die Aufgaben", sagt Abdine. "Wir haben zusammen Meisterschaften gewonnen, wir haben zusammen verloren, wir haben zusammen gefeiert, und vor allem haben wir uns in jedem einzelnen Spiel gegenseitig unterstützt. Ich habe es immer genossen, wenn wir im Mittelfeld Seite an Seite gespielt haben."
Haidar verhalf ihrem Verein BFA in der vergangenen Saison zum Triumph in der libanesischen Frauen-Liga. Der Verein holte den Titel, ohne eine einzige Partie zu verlieren. Für die nächste Saison wurde Haidar als Kapitänin nominiert.
"Celines Weg spiegelt ihr Engagement, ihre Ausdauer und ihr Talent wider und macht sie zu einem inspirierenden Beispiel für aufstrebende Fußballerinnen", sagt Ziad Saade, Teammanager der BFA, gegenüber der DW.
"Sie hat sich von einem jungen Talent zu einer Schlüsselspielerin in einem Team entwickelt, das die Meisterschaft gewann. Das zeigt ihre Arbeitsmoral und ihr Engagement. Sie ist ein Vorbild auf und neben dem Platz."
Langjährige wirtschaftliche und politische Probleme
Im libanesischen Fußball gab es schon vor dem jüngsten Konflikt zwischen Israel und der Hisbollah immer wieder Rückschläge. Das Land hat mit schweren wirtschaftlichen und politischen Problemen zu kämpfen. Als das Männer-Nationalteam die letzte Runde der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2022 erreichte, wurden die erspielten Preisgelder dazu verwendet, um die finanziell angeschlagenen Vereine im eigenen Land zu unterstützen.
"Die begrenzte finanzielle und strukturelle Unterstützung für Vereine und Spieler behindert die Möglichkeiten der Fußballerinnen und Fußballer, eine Profikarriere zu verfolgen", sagt Saade. "Größere Investitionen, eine bessere Infrastruktur und die Unterstützung durch die Dachverbände sind unerlässlich, damit sich Talente wie Celine Haidar auf einer größeren Bühne entwickeln können. Wenn wir uns für diese Veränderungen einsetzen, können wir den Weg für eine bessere Zukunft des libanesischen Fußballs ebnen."
Der Frauenfußball im Land hatte sich in die richtige Richtung entwickelt, aber alles änderte sich, als die ersten Raketen fielen. "Vor den israelischen Angriffen hat der Frauenfußball im Libanon erstaunliche Fortschritte gemacht", sagt Wael Chehayeb, Mitglied des Exekutivkomitees des libanesischen Fußballverbands LFA, der DW. "Es gab gute Mannschaften in allen Altersklassen und talentierte Spielerinnen. Aber als die Angriffe begannen, kam alles zum Stillstand. Die Vereine trainieren kaum noch." Die LFA hat alle fußballbezogenen Aktivitäten im Land ausgesetzt.
"Die Zukunft des libanesischen Fußballs ist derzeit unklar und ungewiss. Viele Vereine sind im zerstörten Süden und im Beqaa-Tal angesiedelt sind", sagt Chehayeb. "Nur die Nationalmannschaft [der Männer - Anm. d. Red.] ist noch aktiv und versucht, sich auf die Qualifikationsspiele für den Asien-Cup im März vorzubereiten." Das Team bestreitet seine Spiele im Ausland.
Hoffnung auf eine bessere Zukunft
Nun hoffen jedoch alle zunächst einmal, dass sich Celine Haidar von ihren schweren Verletzungen vollständig erholt und und wieder das tun kann, was sie am meisten liebt. "Celine hat immer davon geträumt, es auf die höchste Ebene zu schaffen. Sie wollte immer Teil der A-Nationalmannschaft sein, was sie dank ihrer harten Arbeit und ihres Engagements nun fast erreicht hat", sagt Teamkollegin Abdine.
"Celine steckt mir ihrer Energie und ihrer positiven Lebenseinstellung ihr Umfeld an", ergänzt Reina Madi, eine frühere Vereinskollegin Haidars beim Akhaa Aley FC in Bhamdoun, östlich von Beirut. "Sie lächelt und lacht immer, was sie zum Mittelpunkt jeder Party macht. Als Freundin ist sie unglaublich verlässlich. Sie ist immer für einen da, wenn man sie braucht."
Nun will die libanesische Fußballfamilie dasselbe für Haidar tun. "Als wir von Celines Verletzung erfuhren, war das wirklich schockierend", sagt Madi. "Wir sind nach wie vor zutiefst besorgt. Aber wir haben volles Vertrauen in ihre Stärke. Sie ist unverwüstlich."
Dieser Text wurde aus dem englischen Originalartikel "Bombs in Lebanon ending lives, dreams and football" adaptiert.