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Politik

Der Konflikt zwischen Erdogan und der HDP

Hilal Köylü Ankara
4. November 2016

In der Türkei kam die prokurdische HDP bei den letzten Wahlen über die 10-Prozent-Hürde und zog ins Parlament ein. Nun muss die HDP mit Festnahmen seiner Chefs und Mitglieder kämpfen. Wie es dazu kam? 5 Antworten.

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HDP-Zentrale in Ankara
Bild: picture-alliance/dpa

1. Wie begann der Konflikt zwischen der AKP und der HDP?

Für die politischen Beobachter bilden die Parlamentswahlen am 7. Juni 2015 eine Zäsur in der Beziehung zwischen der seit 2002 regierenden AKP und der prokurdischen HDP. Bei den Wahlen wurde die AKP wieder die stärkste politische Kraft, verlor aber erstmals die absolute Mehrheit im Parlament und blieb unter den 276 Sitzen, die nötig waren, um alleine die Regierung bilden zu können. Die HDP, die im Parlament zuvor nur mit unabhängigen Abgeordneten vertreten war, trat das erste Mal als Partei an und kam mit mehr als 13 Prozent über die Zehn-Prozent-Hürde. Mit über sechs Millionen Stimmen bekam die Partei 80 Sitze und wurde die drittgrößte Fraktion im Parlament.

"Herr Recep Tayyip Erdoğan, wir werden nicht zulassen, dass Sie Präsident werden" - mit diesem Satz wurde Selahattin Demirtaş, der Co-Vorsitzende der HDP zu einer der wichtigsten Figuren der türkischen Politik. Er war auch einer derjenigen, die voraussagten, dass die Versuche, eine Koalitionsregierung zu bilden, scheitern würden. Und da nach der Wahl fristgemäß keine Koalition gebildet werden konnte, entschied sich Staatspräsident Erdoğan für Neuwahlen. Als die Neuwahlen am 1. November 2015 stattfanden, war der Friedensprozess mit den Kurden schon längst für gescheitert erklärt worden.

Türkei Selahattin Demirtas und Figen Yüksekdag
Die beiden HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdag wurden am 4. November festgenommen Bild: picture-alliance/dpa/S. Suna

2. Wie groß war die Unterstützung der HDP bei den Neuwahlen?

Als die AKP an der syrischen Grenze - besonders nach den Wahlen am 7. Juni - eine immer härtere Politik betrieb, kam großer Widerstand von der HDP. Die AKP nahm die Friedensdemonstrationen der HDP als gegen die Regierung gerichtet wahr, was die Situation zwischen den beiden Parteien verschärfte. Bei den Neuwahlen am 1. November konnte die AKP ihren Stimmanteil auf 49,50 Prozent steigern, die HDP fiel auf 10,76 Prozent zurück.

Die HDP hatte einen schweren Wahlkampf hinter sich. Es gab mehrere Terroranschläge der PKK. Außerdem wurden viele HDP-Büros Ziel von Angriffen und Brandanschlägen. Die AKP instrumentalisierte die Terroranschläge, um über die PKK die HDP anzugreifen. In den Provinzen Ağrı, Bingöl, Bitlis und Muş erlitt die HDP große Stimmverluste. In Kars und Ardahan, wo die HDP am 7. Juni die stärkste Partei war, siegte fünf Monate später die AKP. Die HDP verlor auch die Mandate in Antalya, Bursa, Ardahan, Erzurum und Kocaeli. Diese Verluste der HDP wurden als "die Rückkehr der Leihstimmen an die AKP" interpretiert. Auch die Militäroperationen im Südosten des Landes, der verhängte Ausnahmezustand in diversen Regionen und der Anstieg von PKK-Anschlägen sorgten dafür, dass die HDP Stimmen verlor.

3. Wie viele Sitze hat die HDP jetzt?

Bei den Wahlen am 1. November 2015 verlor die HDP eine Million Stimmen und kam mit knapp 5 Millionen Stimmen auf 59 Sitze. Die Partei blieb nicht nur im Osten und Südosten des Landes, sondern auch in der ganzen Türkei eine politische Macht, aber büßte wegen der Anschläge im Land ihren Stimmanteil ein.

4. Wie wurde die Immunität der HDP-Abgeordneten aufgehoben?

Im April 2016 beantragte die AKP im Parlament eine Verfassungsänderung, um die Immunität der Abgeordneten aufzuheben. 373 der 550 Parlamentarier stimmten für den Vorstoß der Regierungspartei. Das ist deutlich mehr als die AKP Sitze hat. Es votierten also auch Politiker der kemalistischen CHP und der nationalistischen MHP mit der islamisch-konservativen AKP.

Türkei Ankara Parlament
Zwei Drittel der Abgeordneten sind einem Vorstoß Erdoğans gefolgt und haben die türkische Verfassung geändertBild: picture-alliance/dpa

Die beschlossene Maßnahme richtete sich vor allem gegen die pro-kurdische HDP. Die Abgeordneten der HDP weigerten sich, zur Staatsanwaltschaft zu gehen, um dort eine Aussage zu machen. "Wenn ihr uns hinbringen möchtet, müsst ihr uns mit Gewalt dahin bringen.” Dieser Satz des HPD Co-Vorsitzenden Demirtaş besiegelte den Konflikt zwischen der AKP und seiner Partei. Da Demirtaş und die zweite Co-Vorsitzende sowie weitere HDP-Abgeordnete sich weiterhin weigerten, Aussagen bei der Staatsanwaltschaft zu machen, wurden sie bei Polizeirazzien festgenommen. Das Gericht in der Kurdenmetropole Diyarbakır verhängte am Freitag Untersuchungshaft gegen die Doppelspitze der Partei. Insgesamt ist gegen fünf HDP-Abgeordnete Haftbefehl erlassen worden, auch gegen den Fraktionschef İdris Baluken.

5. Was erwartet die HDP jetzt?

Es wird befürchtet, dass die Inhaftierungen der HDP-Politiker die politische Situation im Land drastisch verschärfen wird. Die HDP plant, sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu wenden. Die Repressalien gegen die HDP wird die ohnehin strapazierten Beziehungen zwischen Ankara und Europa noch mehr belasten. Politische Beobachter weisen darauf hin, dass der Konflikt zwischen der Türken und den Kurden sowohl die gesellschaftlichen als auch die politischen Strukturen im Land zerrütten könnte.