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Der Kampf gegen die Biopiraterie

Golrokh Esmaili27. Mai 2006

Auf der Weltgesundheitsversammlung der WHO in Genf ist der Umgang mit traditionellen Heilmitteln Thema. Transnationale Konzerne melden zum Teil Patente auf Heilpflanzen an - zum Schaden der Entwicklungsländer.

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Umkämpft: Der Neem-BaumBild: AP
Symbolbild Medikamente
Die Pharma-Industrie sucht ständig nach neuen WirkstoffenBild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Das südafrikanische Volk der Khoisan kennt das Mittel, das den Hunger mindert, schon seit unzähligen Generationen. Doch dann patentierte die südafrikanische Regierung den Wirkstoff des Hoodia-Kaktus und verkaufte es an ein amerikanisches Pharmaunternehmen, das daraus Appetitzügler herstellen wollte. Die Khoi san sollten finanziell nicht daran beteiligt werden. Sie klagten und bekamen Recht. Inzwischen hat das amerikanische Unternehmen das Patent wieder zurückgegeben.

Ein Thema, das auf der internationalen Weltgesundheitsversammlung der UN-Gesundheitsorganisation WHO in Genf (22.5 -27.5) auf den Tisch kommt, ist dieser Umgang mit traditionellen Heilmitteln. Kenia und Brasilien schlagen einen grundlegenden Richtungswechsel in der Gesundheitsforschung vor. Sie fordern, dass verstärkt auf die Bedürfnisse der Menschen in den armen Ländern eingegangen werden soll.

In vielen Entwicklungsländern gehört die traditionelle Medizin zur gesundheitlichen Versorgung. Die Kenntnisse über diese Heilmittel und -methoden werden seit Jahrtausenden mündlich von Generation zu Generation übertragen. Während sich die Pharmaindustrie seit Jahren über fehlende gewinnträchtige Arzneimittel beklagt, vertrauen auch immer mehr Menschen aus Industriestaaten der traditionellen Heilmethoden.

Kein Profit für Wissende

Mittlerweile beschäftigen sich rund 400 Unternehmen und Institute in Europa und den USA mit der Wirkstoffsuche in Naturstoffen. Entdecken sie ein gewinnträchtiges Mittel, patentieren sie es. Diejenigen aus deren Kultur das Wissen stammt, werden werden finanziell nicht beteiligt - und die patentierten Mittel werden für sie unerschwinglich.

So wurde auf den aus Indien stammenden Neem-Baum, bis heute weit über 90 Patente angemeldet. Seit Jahrtausenden nutzen die Inder Blätter, Rinde, Wurzeln, Samen und Blüten der Pflanze um ayuverdische Medizin herzustellen. Alte Aufzeichnungen belegen, dass die Heilstoffe gegen Hauterkrankungen, Malaria, Pocken und Entzündungen wirken. Auch in der Schädlingsbekämpfung wird der Wirkstoff als ein natürliches Mittel eingesetzt.

Neokoloniale Methoden

Im Laufe der Verfahren um die Patente zur Neem-Pflanze konnten die Inder beweisen, dass die Wirkstoffe seit Jahrtausenden traditionell verwendet werden und die Patente nichts Neues enthielten. Der inzwischen größte Teil der Patente wurde wieder zurückgezogen - denn ein Patent muss Neuigkeitscharakter haben. Auch ein Patent auf die medizinische Nutzung von Kurkuma, einem Bestandteil des traditionellen Curry-Gewürzes, musste von der US-amerikanischen Patentbehörde wieder zurückgenommen werden, da auch diese Anwendung in Indien eine lange Tradition hat.

Kritiker dieser Gen-Patente sprechen daher auch von "Biopiraterie" und bezichtigen die westlichen Pharma- und Agrarkonzerne des Neokolonialismus. Die indische Umweltaktivistin Vandana Shiva bezeichnete die Aneignung genetischer Ressourcen als "die zweite Ankunft des Kolumbus" und erklärte: "Die Kolonien sind nun auf die Innenräume von Lebensräumen ausgeweitet worden, auf die genetischen Codes von Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren einschließlich Menschen."

Brasilianische Regierung schützt Bevölkerung

Die Biopiraterie wird heutzutage von internationalen Organisationen wie der Welthandelsorganisation (WTO) und dem TRIPS-Abkommen unterstützt. Das TRIPS-Abkommen erlaubt es, auf alles erdenkliche ein Patent anzumelden. Um sich vor den westlichen Ländern zu schützen, hat die Brasilianische Regierung in Manaus ein "Zentrum für Biotechnologien Amazoniens" eingerichtet. Dort wird nach natürlichen Insektiziden und Heilmitteln geforscht. Einen Teil des Erlöses aus dem Verkauf dieser Produkte kommt der eigenen Bevölkerung zugute. Außerdem existiert seit 2002 ein Untersuchungsausschuss des Nationalkongresses, der sich mit dem Thema der Biopiraterie befasst. Im Rahmen der Ermittlungen wurde bisher der Verdacht gegen 84 Unternehmen und Personen erhoben, die unter anderem Tiere und Pflanzen aus dem Land schmuggeln wollten.

Andere internationale Abkommen, wie das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Biologische Vielfalt (Convention on Biological Diversity - CBD), versuchen Vereinbarungen zu treffen, die die Biopiraterie erschweren. Sie erkennen an, dass lokale Gemeinschaften die Eigentümer dieser Ressourcen sind. Das Abkommen verlangt, dass, biologische Ressourcen und Wissen nur im Einverständnis mit den Gemeinschaften genutzt werden dürfen - und die Betroffenen zudem am Gewinn beteiligt werden müssen. Den Ländern ist es freigestellt, ob sie dem Abkommen beitreten wollen oder nicht. Die USA als eines der Länder, in denen die Biopiraterie an der Tagesordnung ist, sind dem Abkommen bis heute nicht beigetreten.