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Politik

Der Iran, das Uran und die Eskalation

2. Juli 2019

Nachdem bekannt wurde, dass der Iran gegen das Atomabkommen verstoßen hat, wachsen die Spannungen am Persischen Golf weiter an. Eine Eskalation bekäme auch Saudi-Arabien zu spüren. Doch Riad hat viel zu verlieren.

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Iran Isfahan | Techniker in Uran-Aufbereitungsanlage
Bild: picture-alliance/dpa/AP Photo/V. Salemi

Der Iran hat mehr niedrig angereichertes Uran produziert als ihm nach dem mit der Internationalen Gemeinschaft ausgehandelten, von den USA aber einseitig aufgekündigten Atomdeal erlaubt gewesen wäre. Das bestätigte die Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) am Montag. Mit diesem Schritt hatte der Iran eine Ankündigung von Anfang Mai wahr gemacht, die Grenzwerte nicht länger einzuhalten, sollten ihm seine Vertragspartner nicht entgegenkommen. Die Bestätigung der IAEA löste scharfe Reaktionen aus. "Ein Spiel mit dem Feuer" nannte US-Präsident Donald Trump den Schritt. Er erklärte zudem, die Entscheidung, dem Iran im internationalen Atomabkommen überhaupt eine Urananreicherung erlaubt zu haben, sei ein Fehler gewesen. Trump forderte zudem "maximalen Druck" auf den Iran.

Auch die fünf ständigen Mitglieder im UN-Sicherheitsrat kritisierten den Verstoß des Iran. Frankreich und Großbritannien riefen Teheran auf, die vereinbarten Vorgaben des Atomabkommens einzuhalten. China und Russland äußerten ihr "Bedauern", gaben den USA aber eine Mitschuld an der Eskalation des Konflikts. Israel forderte die europäischen Vertragspartner auf, den Druck auf Teheran mit eigenen Sanktionen zu erhöhen.

Mohammad Javad Zarif Iran
Irans Außenminister Zarif will nicht gegen das Atomabkommen verstoßen habenBild: Getty Images/AFP/A. Kenare

Der Iran mit neuer Strategie

Der Iran reagierte umgehend auf die Anschuldigungen. Sein Land habe das Atomabkommen nicht verletzt, erklärte der iranische Außenminister Mohammed Dschawaf Zarif via Twitter. Die Anreicherungen seien im Einklang mit den Regularien des Vertrages geschehen, so Zarif. Sobald die drei großen europäischen Staaten - gemeint sind Deutschland, Frankreich und Großbritannien - zu erkennen gäben, dass sie weiterhin zu ihren Verpflichtungen stünden, werde auch der Iran die Vereinbarungen wieder einhalten, so Dscharif.

Der Iran habe seine Strategie in den letzten Wochen verändert, sagt der Politikwissenschaftler Imad Abshnas von der Universität Teheran im Gespräch mit der DW. "Das Land kann den Druck der USA und die Gleichgültigkeit anderer Ländern nicht länger hinnehmen. Teheran habe der Welt eine Botschaft mitgeteilt:  Entweder halten sich alle an das Abkommen - oder eben niemand, auch nicht der Iran selbst.  

"Die Sanktionen sind uns vor langer Zeit aufgedrückt worden, inzwischen schrecken sie niemanden mehr", so Abshnas weiter. Die Entwicklung der kommenden Tage und Wochen hält er für schwer kalkulierbar. Ein Krieg sei angesichts der schwer vorhersehbaren Entscheidungen nicht auszuschließen. "Sollten die Iraner aber dazu gezwungen werden, würden sie sich verteidigen."

Unberechenbarkeit als Taktik

Die USA haben Kriegsschiffe in die Region entsandt, Iran hat mutmaßlich in Geheimdienstaktionen mehrere internationale Handelsschiffe im Golf von Oman beschädigt. Auch behauptet Teheran, eine amerikanische Drohne abgeschossen zu haben. Die Botschaft liegt auf der Hand: Wenn es darauf ankommt, könne und werde man sich wehren. Die Angriffe auf die Handelsschiffe weisen darauf hin, dass der Iran sich vor allem auf eine asymmetrische Kriegführung konzentrieren würde: In dieser kann jedes Objekt zum Ziel eines Angriffs werden. Asymmetrische Kriegsführung gewinnt Kraft durch ihre Unberechenbarkeit.

Persischer Golf US HAndout Revolutionsgarden Haft-Mine
Ein vom US-Militär bereitgestelltes Video soll den Angriff auf einen Öltanker im Golf von Oman zeigenBild: picture-alliance/dpa/U.S. Department of Defense

Sollte es zu einer Konfrontation kommen, dürften dies auch einige Nachbarstaaten des Iran zu spüren bekommen, allen voran der Erzrivale Saudi-Arabien. Sein Land wolle keinen Krieg mit dem Iran, erklärte der saudische Verteidigungsminister Adel- Al Dschubeir am Montag während eines Besuchs in Tokio. Er forderte zugleich allerdings, den Druck auf den Iran aufrechtzuerhalten. Das Königreich solle dem iranischen Regime nicht erlauben, "seine aggressive Politik wie etwa die Angriffe auf Öltransporter und Pipelines fortzusetzen", so Dschubeir. Damit nehme der Iran die globale Wirtschaft und Energiesicherheit ins Visier.

Entschlossenheit in Teheran

Fraglich ist allerdings, wie dieser Druck aussehen soll. Bislang zeigt der Iran sich sowohl von den Sanktionen wie auch von der militärischen Drohkulisse wenig beeindruckt. Die Sanktionen würden den Irak zwar schwächen, sagt der ehemalige Chef des Mossad, Efraim Halevy, gegenüber dem Schweizer Nachrichtenmagazin Watson. Aber es sei ein Trugschluss anzunehmen, er werde darum aufhören, Organisationen wie die Hamas oder die Hisbollah zu unterstützen, die beide auf der Terrorliste der Europäischen Union stehen. "Die Iraner werden diese Organisationen so lange unterstützen, bis ihr Land mit den USA und der freien Welt ernsthafte Verhandlungen über seine Bedürfnisse führen kann", erwartet Halevy.

Im Grunde müssten auch die USA daran interessiert sein, den Iran an den Verhandlungstisch zurückzuholen, vermutet Halevy. "Doch ich glaube nicht, dass das möglich ist, wenn die USA die Iraner und neuerdings sogar den Revolutionsführer erniedrigen."

Saudische Interessen

Derzeit liegen für die Auseinandersetzung mit dem Iran zwei Optionen auf dem Tisch: Zum einen militärischer und ökonomischer Druck, der ihn in die Knie zwingen soll. Und zum anderen grundsätzliche Gesprächsbereitschaft, verbunden mit der Bereitschaft, die Anliegen des Iran ernst zu nehmen und ihnen soweit wie möglich entgegenzukommen.

Über die zweite Option sollte sich Saudi-Arabien verstärkt Gedanken machen, schreibt die Polit-Analystin Yasmine Farouk von der Carnegie-Stiftung. Die Gefahrenlage vor Augen, sollte das Königreich starkes Interesse am Dialog mit Teheran haben. Es sei darum riskant, ausschließlich auf die Konfrontationsstrategie der USA zu setzen. Vertreter der Trump-Administration erwarteten von Saudi-Arabien volle Unterstützung gegen den Iran, und zwar unabhängig von den Folgen für das Königreich. "Ein solcher maximaler Druck mag dem Königreich kurzfristig zwar einige Vorteile bringen, doch der Weg zum Krieg ist lang. Wenn der Status quo anhält, dann können mehr saudische Schiffe versenkt werden, und es können mehr saudische Zivilisten und Soldaten getötet werden", so Farouk.

Außerdem sei Saudi-Arabien auch aus dem Jemen heraus sehr verwundbar. Tatsächlich haben die von den Iranern unterstützten Huthi-Rebellen von dort bereits Raketen über die saudische Grenze gefeuert. Der Stellvertreterkrieg, den sich die beiden Regionalmächte im Jemen liefern, könnte im Falle einer offenen Eskalation immer mehr auf Saudi-Arabien übergreifen. Ob es wirklich dazu kommt, ist allerdings offen. Die Akteure haben es zu großen Teilen selbst in der Hand. 

DW Kommentarbild | Autor Kersten Knipp
Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika