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Glaube

"Der Herr segne dich und behüte dich"

2. Januar 2017

Ein neues Jahr beginnt, vieles liegt im Ungewissen: im Segensgebet des Aaron spricht Gott den Menschen seinen Beistand zu. Eine Zusage, die Hoffnung und Zuversicht schenkt, meint Alfred Herrmann.

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Das Feuerwerk der Silvesternacht ist abgebrannt: Gottes Zuspruch in seinem Segen bleibt. Foto: skatzenberger – Fotolia.comBild: Fotolia/S. Katzenberger

Gerne spaziere ich am Neujahrsmorgen durch die Straßen meiner Heimatstadt. Um neun Uhr herrscht dort eine besondere Stille. Kaum ein Mann, kaum eine Frau ist zu sehen, selbst an jenen Plätzen und Kreuzungen, wo sich sonst der Autoverkehr hindurchquälen muss, sich sonst Massen von Menschen drängen. Selbst die Bäcker haben geschlossen, eine aktuelle Ausgabe der Tageszeitung gibt es nicht. Die Gehwege sind bedeckt von gestrandeten Raketen, von leeren Sektflaschen, von Fetzen der Knallkörper, mit denen das neue Jahr in seinen ersten Stunden lautstark und freudetrunken begrüßt wurde. Nun liegen viele verkatert im Bett, nach einer langen, rauschenden Silvesternacht. Neujahr, so scheint es, ist ein Feiertag, an dem die meisten vom Feiern müde sind, als müssten sie noch einmal Kraft sammeln, bevor sie sich dem Neuen mit seinen Hoffnungen und Ungewissheiten stellen. So herrscht am Vormittag des 1. Januar eine Stille, wie sie die kommenden 364 Tage nicht mehr anzutreffen sein wird.

Diese Stille hat etwas von der sprichwörtlichen Ruhe vor dem großen Sturm. Das neue Jahr liegt vor den Menschen. Keiner weiß genau, wie es verlaufen wird. So manchen plagen bange Fragen und Ängste, in manchem machen sich Ungewissheiten breit mit Blick auf die anstehenden zwölf Monate: Was wird das Jahr bringen? Bleibt meine Familie gesund? Behalte ich meine Arbeit? Gelingt meiner Tochter der Schulabschluss? Oder: Können Krisen bewältigt werden? Drohen Naturkatastrophen? Andere verknüpfen mit dem neuen Jahr gute Vorsätze, das Leben hoffnungsfroh zu gestalten: eine Heirat steht an, die Geburt eines Kindes wird erwartet, berufliche Ziele könnten endlich erreicht werden, neue Therapien erhöhen vielleicht die eigenen Heilungschancen. Hoffentlich wird die Welt friedlicher, unser Land vor Wirtschaftskrisen verschont, gehen Naturkatastrophen glimpflich aus.

Ein Segen fürs neue Jahr

Neujahr spielt in der Kirche traditionell keine besondere Rolle. Schließlich hat das Kirchenjahr hat bereits mit dem Ersten Advent seinen Anfang genommen. Dennoch gibt die katholische Kirche an diesem 1. Januar den Menschen etwas Stärkendes für 2017 mit. Ein Geleitwort, das die Gläubigen durch schöne und schwere Zeiten, durch alle Unsicherheiten und Ungewissheiten begleiten kann. In ihrer alttestamentlichen Lesung verkündet sie heute den Aaronitischen Segen, der im Buch Numeri (6,22-27), dem vierten Buch Mose zu finden ist. Dort heißt es:

"Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig.
Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil."

Das Volk Israel irrt durch die Wüste. 40 Jahre lang befindet sich das Volk in einer Situation der Erwartung. Was da kommen mag, was sie vorfinden, ob sie überhaupt jemals im gelobten Land ankommen, all das wissen die Israeliten nicht. Das einzige, was sie in die Zukunft begleitet, was sie weiterziehen lässt, was sie trägt, ist die Hoffnung auf Gott, der alles zum Guten führt. Sie sind auf Gottes Beistand angewiesen.
In dieser Wüste übergibt Gott Mose seine Segensworte, damit er sie Aaron übertrage, Moses Bruder, dem ersten Hohenpriester. Aaron und künftig seine Söhne verkünden mit diesen Worten Gottes Zuspruch für sein Volk. Gott schenkt mit seinem Segen Zuversicht und verspricht seinen Beistand.

Der Aaronitische Segen hat eine lange und tiefe Tradition. Auf einer 1979 in den Gräbern von Ketef Hinnom bei Jerusalem gefundenen Silberrolle ist das Segensgebet wortwörtlich verzeichnet. Die Grabbeigabe stammt aus dem siebten Jahrhundert vor Christus und ist damit das älteste schriftliche Zeugnis eines Bibelwortes überhaupt. Schon damals war dieser Zuspruch Gottes fest verankert im Leben der Menschen. Bis heute wird der Aaronitische Segen im Judentum wie im Christentum den Menschen zugesprochen. Am Ende eines evangelischen Gottesdienstes stehen diese Segensworte, in der katholischen Liturgie können sie dem trinitarischen Segen vorausgehen.

Beistand und Zuversicht

"Der Herr segne dich und behüte dich.
Der Herr lasse sein Angesicht über dich leuchten und sei dir gnädig.
Der Herr wende sein Angesicht dir zu und schenke dir Heil."

Auch uns kann dieser Segen Zuversicht schenken, gerade am ersten Tag des Jahres. Auch wir, die wir nicht wissen, was uns im Laufe 2017 alles widerfahren wird, sind auf Gottes Beistand angewiesen. Wir brauchen Gottes Segen. Zumal uns Gott mit diesem Segen verspricht, uns zu behüten, bei uns zu bleiben, uns zu beschützen. Gottes Angesicht, sein Geist wird über uns leuchten, über unseren Taten, unseren Entscheidungen. Dieser Zuspruch macht Mut, das Leben zuversichtlich zu gestalten und nicht vor lauter Angst zu erstarren. Gottes barmherziger Blick gilt uns! Er verlässt uns nicht, auch dann nicht, wenn es schwierig wird, wenn wir schwierig werden, wenn risikovolle Entscheidungen zu treffen sind. Gott schenkt uns seinen Beistand auch in unwägbaren und problematischen Momenten, die uns erwarten. Er lässt uns nicht hängen in den Unsicherheiten des Lebens, sondern schenkt uns Heil und Frieden. Er verheißt uns seine ganze Fülle. Was für eine Zusage zum neuen Jahr!

Spurensuche Alfred Herrmann
Bild: A. Herrmann

Alfred Herrmann arbeitet als freier Autor in Berlin. Zuvor war er Pressesprecher des "Bonifatiuswerkes der deutschen Katholiken" in Paderborn sowie Redakteur für Kirche und Spiritualität bei der christlichen Wochenzeitung "Neue Bildpost". Herrmann, 1972 in Würzburg geboren, studierte Literaturwissenschaft, Geschichte und Katholische Theologie in Berlin.