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Der Heilige Geist ist ein Wind des Wandels

22. Juni 2013

„Wind of change“ hieß ein Hit der Scorpions. Der Wind bringt Veränderung. In der Bibel ist der Wind ein Zeichen Gottes. Marianne Ludwig denkt für die evangelische Kirche nach, wo der Wind Gottes in unserem Leben weht.

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Wind
WindBild: MEHR

Niemand kann Wind und Wandel aufhalten

Es gibt Lieder, bei denen eine Gänsehaut über den Rücken läuft, auch nach Jahren noch. „Wind of change“ ist eines davon. Mit diesem Lied hat die Rockband Scorpions es geschafft, die magischen Momente der Wendezeit einzufangen. Wenn der Sänger Klaus Meine das Intro pfeift, tauchen Bilder auf vom Mauerfall, knallenden Sektkorken und Menschen, die sich in den Armen liegen. Vor 14 Jahren brauste der „Wind of change“ wie ein Sturm durch Europa, fegte die alten Fixierungen weg und wirbelte die Weltbilder durcheinander. Ohne einen Tropfen Blut zu vergießen.

Bis heute grenzt das an ein Wunder. Nicht zufällig haben die Scorpions die Energie des Wandels mit der des Windes verglichen. Denn nichts kann den Wind fesseln, nichts hält ihn auf. Er weht, wo er will und wie er will. Seine Energie hat Menschen von jeher fasziniert und inspiriert. Wir brauchen sie für unsere Bedürfnisse und nutzen sie, um unsere Leben zu erleichtern. Aber wenn er seine ganze Macht entfaltet, zeigt sich, wie verletzlich wir sind, angewiesen auf Schutz.

Deshalb war für die Menschen der Bibel Wind nichts anderes als Atem Gottes. Mit seinem Atem hat Gott dem ersten Menschen, Adam, das Leben eingehaucht. „Ruach“ heißt diese Kraft in der hebräischen Bibel. Spricht man dieses Wort aus: „Ruach“, entfaltet es sofort seine Wirkung. Ruach klingt selbst wie ein Windhauch.

Ruach bedeutet im Hebräischen nicht nur „Wind“ oder „Atem“, sondern auch „Geist“. Warum? Weil man weder Wind noch Geist anfassen oder sehen kann, man spürt nur seine Wirkung. Und das sofort. Die Bibel erzählt, wie am Anfang der Welt der Geist Gottes über den Wassern schwebte. Noch war die Welt kein Ort, der Leben ermöglichte. „Die Erde war wüst und leer“, heißt es (Gen 1,1). Wortwörtlich: Ein Tohuwabohu. Erst der Geist Gottes schafft lebensfreundliche Bedingungen und befruchtet die Erde.

Der Wind gibt auch uns Kraft

Aber nicht nur das. Der Evangelist Lukas, der Meister der großen Legenden des Urchristentums, erzählt ebenfalls vom Atem Gottes. Nach dem gewaltsamen Tod Jesu reißt er die Jünger und Jüngerinnen aus ihrer Erstarrung heraus: „Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander. Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen, zerteilt wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem Heiligen Geist und fingen an zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.“ (ApG 2, 2-4)

Der „wind of change“ jener Tage hat die Anhänger Jesu befreit von ihrer Verzweiflung, Angst und Trauer. Und noch mehr: Er überwand alle Grenzen der Geschlechter, des Standes, ja selbst der Sprache. Noch heute zehren unsere Kirchen von der ungeheuren Kraft dieses Anfangs. Und sie geben sie weiter, auch wenn der Geist Gottes nicht nur durch unsere Kirchen weht. Denn über diesen Geist können wir ebenso wenig verfügen wie über den Wind.

Gott weht hinweg, was uns einsperrt

Man kann den Geist Gottes nicht festhalten, aber man kann ihn sofort erkennen. Wie der Wind attackiert er alles Fixierte und wirbelt unsere Sicherheiten durcheinander. Heute wie damals. Jesus hat diesen Geist für sich beansprucht: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, zu verkündigen das Evangelium den Armen; er hat mich gesandt, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und den Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen.“ (Lk 4, 18). Ein „wind of change“, der Frieden bringt und magische Momente der Freiheit.

Pfarrerin Marianne Ludwig, Berlin Eingestellt am 10.12.2010. Das Bild wurde von dritter Seite zur Verfügung gestellt: Rundfunkarbeit im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) für den Medienbeauftragten des Rates der EKD
Pfarrerin Marianne LudwigBild: EDK

Marianne Ludwig (Jahrgang 1958) ist seit Februar 2007 Pfarrerin bei der Bundespolizei mit Dienstsitz in der Bundespolizeiabteilung Blumberg. Sie wurde in Bad Berleburg (Nordrhein-Westfalen) geboren und studierte ev. Theologie und Judaistik in Berlin, Göttingen und Jerusalem. Sie wurde nach dem Vikariat 1989 ordiniert und arbeitet seither überwiegend in der Spezialseelsorge (Ev. Familienbildungsstätte, Kinderklinik, allgem. Krankenhaus). 1997 schloss sie berufsbegleitend ein Studium der Erziehungswissenschaften in Berlin ab, 1997 – 1999 eine Ausbildung in Klinischer Seelsorge und 1999 - 2002 eine Ausbildung zur Supervisorin am Ev. Zentralinstitut für Familienberatung. Sie hat derzeit einen Predigtauftrag in der JVA Tegel/Berlin. Marianne Ludwig ist verheiratet und hat drei Kinder.