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Hausmeister (Göttingen)

11. Mai 2010

Bernd Jahrmärker hat ein bewegtes Leben hinter sich. Jetzt ist der 53-Jährige Schulhausmeister in Göttingen. Er sieht sich als typischen Deutschen und typisch deutsch heißt für ihn: "Ärmel hoch krempeln und anpacken."

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Bernd Jahrmärker (Foto: DW/Shabnam Nourian)
Bernd Jahrmärker

Morgens um halb sieben ist es noch still in Göttingen. Die Straßen der kleinen Universitätsstadt im Süden Niedersachsens sind leer. Durch die Fenster der Häuser dringt kein Licht. Anders im Hainberg-Gymnasium: Über der Eingangstür brennt Licht, denn hier hat der Tag schon begonnen. Bernd Jahmärker läuft lange Flure entlang und Treppen hinauf und wieder herunter.

Bernd Jahrmärker ist der "Herr der Schlüssel" (Foto: DW/Shabnam Nourian)
Bernd Jahrmärker ist der "Herr der Schlüssel"Bild: Shabnam Nourian

Eine seiner ersten Pflichten am Tag ist die Öffnung sämtlicher Klassenzimmer. Als um Viertel nach sieben die ersten Schüler ankommen, sitzt der Hausmeister wieder in seinem Büro und trinkt Kaffee.

Die Bundeswehr und die Liebe

Danach checkt er die Heizungsanlage im Keller. Dazu muss er nicht einmal aufstehen: Die Heizung ist computergesteuert. Mit Technik kennt sich der Hausmeister bestens aus: Er ist gelernter Elektromechaniker. Begonnen hatte sein Arbeitsleben aber als Berufsoldat. "Ich hatte mich mit 17 Jahren freiwillig gemeldet und wollte mich längerfristig mich an die Bundeswehr binden", erinnert sich der 53-Jährige. Aber die Liebe zu einem Mädchen aus Göttingen brachte seine Pläne durcheinander.

Sie war die Schwester eines Bekannten, und sie war Model. Sie lernten sich kennen, sie lernten sich lieben. Für Bernd Jahrmärker wurde es ernst. Vor allem, als sie ihm nach vier Jahren ein Ultimatum stellte: Er sollte zwischen der Bundeswehr und ihr wählen. Jahrmärkers Entscheidung: "Dann habe ich die Kündigung eingereicht und bin zu ihr nach Göttingen gezogen."

Die Beziehung mit dem Model ging in die Brüche. Trotzdem blieb Jahrmärker in der Universitätsstadt. Göttingen wurde seine Wahlheimat. Jahrmärker lebt heute allein in einer 50 Quadratmeterwohnung. Er hat keine Kinder - jedenfalls keine eigenen. In der Schule sind dafür täglich 1100 Schüler um ihn - und er hat alle Hände voll zu tun: Als er mit dem Schulleiter über den Bedarf an neuem Werkzeug spricht, wird er unterbrochen: In der Mädchen-Toiletten läuft das Wasser im Waschbecken nicht ab. Auf dem Weg zu den Toiletten trifft Bernd Jahrmärker einen Elektriker. Der installiert im zweiten Stock neue Steckdosen und braucht eine Leiter. Außerdem steht eine falsch adressierte Lieferung vor der Tür.

Ein Unfall wurde zum Wendepunkt

Der Hausmeister hat immer und überall was zu tun (Foto: DW/Shabnam Nourian)
Der Hausmeister hat immer und überall was zu tunBild: Shabnam Nourian

Zwölf Jahre schon behält Bernd Jahrmärker im Hainberg-Gymnasium den Überblick. Zuvor hatte er als Elekromechaniker gearbeitet und europaweit technische Anlagen errichtet. Aber Im Alter von 40 Jahren kam ein Wendepunkt im Leben von Bernd Jahrmärker - ausgelöst durch einen Unfall beim Fußballspiel. Nach einem heftigen Zusammenstoß blieb er auf dem Rasen liegen, Blut floss aus seinem Mund: Drei Rippen waren gebrochen, die Spitzen in seine Lunge eingedrungen. Er rang mit dem Tod. Monatelang lag Jahrmärker im Krankenhaus. Danach stand seine Entscheidung fest: Er wollte noch ein Mal von vorne anfangen. Jahrmärker wollte mehr mit Menschen zu tun haben und wurde Schulhausmeister - ausgewählt unter 170 Bewerbern. Heute sagt Jahrmärker von sich selbst, er sei glücklich. Sein Lebensmotto lautet: "Genieße den Tag." Von sich selbst allerdings sagt er, er lache wenig.

Autorin: Shabnam Nourian
Redaktion. Matthias von Hein