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Der Grüßgott-August von Brüssel

Alexander Kudascheff13. März 2007

In der Gerüchteküche Brüssel steigt viel Dampf und noch mehr Schaum auf. Und immer - glaubt man den Ränkeschmieden in der Kulisse - scheint das Gerücht stimmig wie eine Richtlinie der Kommission.

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Alexander Kudascheff

Edmund Stoiber kommt. Ja, er geht nicht nur in Bayern, wie wir alle wissen, nein, er kommt. Und zwar nach Brüssel. So lapidar lautete das jüngste bayerisch-brüsselanische Gerede. Stoiber kommt nach Brüssel, wenn er in Bayern im Herbst ausgemustert wurde. Aber Stoiber kommt nicht gleich. Sondern ein bisschen später - erst 2009, wenn der Job (im Politikerjargon: die Aufgabe, die Herausforderung) frei wird. Job? Ach so. Der Posten, der außergewöhnlich wichtige Posten des Vorsitzenden der europäischen Volkspartei. Dort, so die Begründung des smarten Gerüchts, hätte Stoiber soviel zu tun, dass er seiner preußischen Neigung zur Arbeit nachkommen könnte.

Nullnummer statt Nummer Eins

Der bisherige und amtierende Vorsitzende seit 1990 heißt: Wilfried Martens. Früher belgischer Premier, heute ein durchaus angesehener, sympathischer "elder Statesman" der europäischen Konservativen. Sein öffentlicher Aufmerksamkeitswert: Null. Sein innerer Wichtigkeitsfaktor: Null. Das spricht nicht gegen ihn. Nur: sein Amt ist bedeutungslos. Und deswegen soll Stoiber - um weiter wichtig zu sein oder zu bleiben - nach Brüssel?

Kaum zu glauben. Stoiber hätte Bundespräsident werden können. Er wollte nicht. Er hätte Superminister für Finanzen und Wirtschaft werden können - er schmiss hin und floh nach München (weswegen er dann von seiner Partei in den Rückzug getrieben wurde). Er hätte - eine realistische Idee von Chirac und Schröder - Kommissionspräsident in Brüssel werden können. Die wirkliche Nummer Eins in Europa. Ein Mann, der etwas hätte bewegen können. Ein Mann, der sowohl für eine überzeugende Industriepolitik à la francaise und ein rigoroses Eintreten für die europäischen Bauern als auch für einen regionalen Heimatbezug mit einer gewissen Anti-Brüsselhaltung sich hätte stark machen können. Stoiber wollte - manche meinen: traute - sich nicht ins europäische Schlangenest Brüssel. Aber: das wäre immerhin und möglicherweise ein Job nach seinem Gusto und seinen Maßstäben gewesen.

Hinterfotzige Frotzeleien

Stattdessen: Chef der europäischen Volkspartei - auch noch ohne Mandat im Europaparlament. Ein bayerischer Grüßgott-August in Brüssel, den niemand wahrnimmt. Undenkbar. Da kann er doch besser einmal im Jahr vom heimatlichen Wolfratshausen zum Nockherberg fahren, um sich als Ex-Ministerpräsident derblecken zu lassen. Das versteht Stoiber wenigstens. Während er in Brüssel als Chef der europäischen Volkspartei ganz ehrlich und direkt auf bayerisch gesagt, der letzte Depp wäre.

Aber soweit wird es nicht kommen, hört man inzwischen aus wohlunterrichteten bayerischen Kreisen in Brüssel. Das Gerücht ist wohl nicht mehr als eine Frotzelei, eine derbe, eine hinterfotzige, wie der Bayer sagen würde - wenn man ihn denn fragte, hier in Brüssel. Und deswegen hat der Noch-Oberbayer Stoiber inzwischen selbst dementiert, was eh niemand glauben wollte. In der Welt der Gerüchte aber gab es wieder einmal ganz ernsthaft 48 Stunden etwas zu kauen: Pulverdampf nämlich. Aber ist nicht die Molekularküche sowieso gerade en vogue?