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Loriot tot

23. August 2011

Viele Menschen in Deutschland kennen seine Figuren und Sketche. Loriot hat es wie kein anderer geschafft, Zwischenmenschliches zu karikieren.

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Vicco von Bülow alias Loriot im November 2008 (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Er wirkte immer ein bisschen bescheiden und auf den ersten Blick eher nüchtern. Das war wohl das, was Generationen von Deutschen so an Loriot fasziniert hat. Dieser Mann, der mit vollem Ernst im Gesicht eine Lachnummer nach der anderen ablieferte, war witzig, klug und urkomisch. Loriot alias Vicco von Bülow war ohne Zweifel einer der größten Humoristen Deutschlands. Er zeichnete, drehte Fernsehsketche und auch zwei Kinofilme. Seine Bücher mit satirischen Zeichnungen und Texten hatten Millionenauflagen, insgesamt hat er über 100 Bände veröffentlicht.

Typisch für seine Komik: Er schaute den Deutschen hinter ihre Gardinen. Schonungslos deckte er die Auswüchse kleinbürgerlichen Spießertums auf.

Lupenreine Satire

Ganz normale Szenen aus dem Leben wurden so überzogen, dass sie absurd wirkten. Unvergessen ist das Pärchen beim romantischen Dinner: Er tupft sich mit der Serviette den Mund ab, und plötzlich prangt eine kleine Nudel in seinem Gesicht. Sie will es ihm sagen. Doch er bittet sie mit bebender Stimme, jetzt nichts zu sagen. Denn eigentlich will er ihr eine Liebeserklärung machen. Das Spiel geht hin und her, währenddessen wandert die Nudel durch sein Gesicht. Er merkt es nicht, was sie mit wachsender Verzweiflung beobachtet.

Herr Müller-Lüdenscheid und Herr Dr. Klöbner streiten sich in der Badewanne (Foto: picture-alliance)
Herr Müller-Lüdenscheidt und Herr Dr. KlöbnerBild: picture alliance / Eventpress

Ebenfalls legendär ist die Geschichte vom geschenkten Klavier und dem verzweifelten Versuch der beschenkten Familie, ein Dankesvideo für die Mutter in Amerika zu drehen. Oder die beiden Herren, die sich um einen Platz in der Badewanne streiten und versuchen die Frage zu klären, ob die Gummi-Ente nun ins Wasser darf oder nicht. Die Reihe legendärer Sketche lässt sich endlos fortführen.

Vom Offizier zum Karikaturisten

Dass Loriot irgendwann einmal eine solche Karriere einschlagen würde, war nicht geplant. Geboren wurde er 1923 in Brandenburg als Bernard Victor Christoph-Carl von Bülow. Seine Eltern ließen sich früh scheiden, so wuchsen er und sein Bruder bei der Großmutter auf. In der alten mecklenburgischen Adelsfamilie war es üblich, eine Offizierslaufbahn einzuschlagen. Im Zweiten Weltkrieg überlebte von Bülow die Ostfront, bekam sogar ein Eisernes Kreuz. Nach Kriegsende schlug er sich zunächst als Holzfäller durch. Mit 22 holte er das Abitur nach und studierte schließlich in Hamburg Malerei und Grafik. Früh legte er sich seinen Künstlernamen "Loriot" zu – es ist das französische Wort für den Pirol, das Wappentier der Familie von Bülow. In den 1950er Jahren veröffentlichte Loriot seine Zeichnungen in den Zeitschriften "Stern", "Weltbild" und "Quick". 1954 erschien sein erster Cartoonband – voll mit seinen berühmten Knollennasen-Männchen und menschelnden Hunden.

Vicco von Bülow in seinem Haus in Ammerland im März 1973. Im Hintergrund hängen Plakate mit dem Zeichentrickhund 'Wum' (Foto: dpa)
Der Hund Wum und sein Herrchen (1973)Bild: picture-alliance / dpa

Nach zwei kleineren Filmrollen und einer Fernsehmoderation war es dann schließlich ein Hund, der Loriots Fernsehkarriere erst so richtig anstieß. Für die Rateshow "Der große Preis" mit Wim Thoelke kreierte Loriot den Hund "Wum", der mit einem lauten "THÖÖÖÖÖÖÖLKE" einmal pro Sendung störte. Dann gab es einen Sketch und eine Rätselfrage. Dieser Wum war so beliebt, dass es 1972 sogar einen Song gab. Loriot sang mit der Stimme des Hundes "Ich wünsch' mir 'ne kleine Miezekatze" und landete damit nun auch noch einen Gesangshit.

Mit sechs Sendungen zum Kultstar

Der Sender Radio Bremen zeigte großes Interesse an diesem Mann, der nicht nur stimmlich, sondern auch mimisch unglaublich wandlungsfähig war. Man verpflichtete Loriot für sechs Fernsehshows. An Loriots Seite war die Schauspielerin Evelyn Hamann, mit der er die Shows zwischen 1976 und 1978 produzierte. Hamann war Loriots perfektes weibliches Gegenstück. Diese Shows sind legendär, bis heute können viele Deutsche große Teile davon auswendig nachsprechen.

Loriot mit Evelyn Hamann auf dem berühmten Sofa (1989) (Foto: dpa)
Das Dreamteam auf dem legendären Sofa: Loriot und Evelyn Hamann 1989Bild: picture-alliance/dpa

Und schließlich war es an der Zeit für die Königsdisziplin: Das Kino. Perfekt wie alles, was er in die Hand nahm, gelangen ihm die beiden Filme "Ödipussi" (1988) und "Pappa ante Portas" (1991), beide wieder mit Evelyn Hamann, beide Glanzstücke deutscher Kinokomödien.

Der Tod ist nicht lustig

Viele haben es bedauert, dass er sich nach den Filmen als Komiker zurückgezogen hat. Vielleicht tat er es, weil er das Alter als Zumutung empfunden hat - vielleicht aber auch, weil das Sterben selbst für den Meister des manchmal auch makabren Humors ein schwieriges Thema war. Schon vor 20 Jahren sagte Loriot in einem Interview, dass er über seinen eigenen Tod nicht lachen könne. "Da beschäftigt mich in steigendem Maße der Gedanke, dass es mich bald nicht mehr geben wird, und dies ist ganz sicher nicht komisch", sagte Loriot damals. Am Montag (22.08.2011) starb Vicco von Bülow im Alter von 87 Jahren in Ammerland am Starnberger See. Er hinterlässt seine Frau Romi und zwei Töchter. Und eine Nation, die von ihm das Lachen gelernt hat.

Autorin: Silke Wünsch
Redaktion: Gabriela Schaaf

Das umfangreiche Werk Loriots liegt im Zürcher diogenes Verlag vor.