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Der Eiserne König

18. November 2011

Die Geschichten um Harry Potter und Narnia sind geschrieben, der Herr der Ringe verstaubt im Regal. Neue Fantasy-Helden müssen her, dachte sich John Henry Eagle und erweckte einen besonders fiesen Unhold zum Leben.

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Buchcover Der Eiserne König von John Henry Eagle. (Fischer Verlag)
Bild: Fischer Verlage

Das Land Pinafor leidet. Die Natur ist krank und schwach, die Menschen sind faul und bestellen ihre Felder nicht mehr. Alles ist im Verfall. Auch die sagenumwobene Esche, die dem Land ihre Kraft gibt, geht zugrunde. Schuld daran ist ein Komplott mehrerer übler Zeitgenossen und -genossinnen, die den Eisernen König aus seinem Grab holen wollen, damit er die Schreckensherrschaft über Pinafor übernehmen kann. Mit dämonischen Kräften wird der König mitsamt seinen Spinnen und Kakerlaken erweckt. Ohne lange zu fackeln, fällt er mit einer Armee aus allerhand unangenehmen Gestalten über das Land her. Doch ein kleiner Kreis von treuen Gefährten macht sich daran, den König zu stoppen, während ein junges Mädchen dazu auserwählt wurde, die Esche zu retten.

Das kommt uns natürlich irgendwie bekannt vor. Aber so ist nun mal der Stoff, aus dem Fantasy-Romane gemacht werden. Damit es nicht wie die 375. Kopie von "Herr der Ringe" wirkt, holt sich der deutsch-britische Autor John Henry Eagle Hilfe aus der Sagen- und Märchenwelt. So erinnert die Esche an den Weltenbaum Yggdrasil aus der nordischen Mythologie. Ein böser Räuber heißt hier Grimm, dann begegnen wir Rumpenstünz, Sneewitt, Rapunzel und den Geschwistern Hans und Grete. Es gibt vergiftete Äpfel und einen gläsernen Sarg. Mägde spinnen Stroh zu Gold, auf Zuruf kommt der Knüppel aus dem Sack und sieben Raben machen den Himmel unsicher.

Keine Langeweile

Ausgabe des Grimms-Märchenbuches (Foto: dpa)
Grimms Märchenbuch liefert viele Vorbilder für Eagles FigurenBild: picture-alliance / dpa

Man mag das getrost als liebevolle Verbeugung vor der Märchenwelt der Gebrüder Grimm sehen. Ich jedenfalls bin weit davon entfernt, dem Autor ein Plagiat zu unterstellen. Nein, die Geschichte, die er sich da ausgedacht hat, ist überraschend anders als man es sonst aus diesem Genre kennt. Es gibt viele Wendungen, mit denen man nicht rechnet. Das zieht sich bis zum Schluss durch, wo zwar so einiges in Ordnung kommt, aber irgendwie auch wieder nicht. Das macht die Sache sehr unterhaltsam und spannend.

Interessant - um es vorsichtig auszudrücken - ist die Sprache des Autors. Als Erzähler drückt er sich im angemessenen Märchenonkel-Deutsch aus: "Ein Lager aus Laub und Moos und vielen Fellen lud zum Verweilen ein." Seinen Protagonisten hingegen legt er die heutige Umgangssprache in den Mund: "He, du Schwuchtel" oder "Verpisst euch, Fremde!" Mag sein, dass es Absicht ist. Für mich liest es sich eher so, als wüsste der Autor noch nicht, welchen Sprachstil er favorisiert. Meistens benutzt er die bodenständige Sprache einfacher Trivialliteratur. Dann kommen plötzlich gestelztere Sätze daher und jede Menge derbe Sprüche. Überhaupt wird im Roman ordentlich gefurzt und gerülpst; die Bösewichte schlemmen in bester Rittermanier, werfen Knochen hinter sich und spucken auf den Boden, die Guten sind keinen Deut feiner und besaufen sich regelmäßig am Lagerfeuer. Es gibt schon mal Dialoge wie in amerikanischen Action-Komödien, aber auch Kampfszenen, in denen ordentlich das Blut spritzt. Auf Erotik wird allerdings weitestgehend verzichtet, was dem Roman überhaupt keinen Abbruch tut.

Sprachverwirrung

Hochsitz im Wald (Foto: Richard Bartz)
Vom Hochsitz aus beobachten Jäger das WildBild: cc-by:Richard Bartz-sa

Eines allerdings ist hier völlig überflüssig. Offenbar möchte der Autor der Welt zeigen, dass er etwas von der Jagd versteht. Da berichtet er von einem "Keiler mit schlammverkrusteter Schwarte, wuchtigem Wurf und mit Gewaff und Gewehren, die den tapfersten Jäger das Fürchten gelehrt hätten." Auch an anderen Stellen ärgert der Autor den Leser mit seiner Fachsprache. Da fliegen Vögel nicht einfach weg, sondern "streichen ab", und der Fuchs läuft nicht, sondern "schnürt". Vielleicht hat John Henry Eagle den Roman auf einem Hochsitz im Wald verfasst und sich dort inspirieren lassen - dem literarischen Niveau sind solch bizarre Ausflüge in den Fachjargon einer bestimmten Berufsgruppe überhaupt nicht förderlich. Sieht man darüber hinweg, bleibt unterm Strich gute Unterhaltung.

"Der Eiserne König" ist zwar der erste "richtige" Roman, den Eagle geschrieben hat. Doch unter einem Pseudonym war er auch schon vorher tätig, schrieb unter anderem Drehbücher und Gruselromane. 1971 wurde er als Sohn eines in Deutschland stationierten britischen Offiziers und einer deutschen Mutter geboren. Nach der Schulzeit startete er eine Karriere als Börsenmakler in London, kehrte aber bald nach Deutschland zurück um sich dem Schreiben zu widmen. Heute lebt er in Berlin.

Meine Empfehlung: Lesen Sie das Buch, wenn Sie Fantasy-Romane mögen. Wenn man "Herr der Ringe" mit einem französischen Zehn-Gänge-Gourmet-Menü vergleichen will, dann bekommt man beim "Eisernen König" immer noch ein ordentliches Steak mit Bratkartoffeln und Salat. Die komischen rosa Pfefferkügelchen, die nicht so ganz dazu passen wollen, die kann man ja an den Tellerrand legen.

Autorin: Silke Wünsch
Redaktion: Gudrun Stegen /gs

"Der Eiserne König" von John Henry Eagle ist erschienen beim Fischer Verlag, hat 651 Seiten und kostet 19,95 Euro. Bestellnummer: ISBN: 978-3-8414-2117-3