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Der DW-Kulturkalender für Oktober

26. September 2011

Es rauscht gewaltig im Blätterwald. Die Buchmesse in Frankfurt ruft, Autoren und Verleger aus aller Welt kommen. Außerdem gibt es Jubiläen, Festivals und Konzerte – keine Zeit also, sich hinterm Ofen zu verkriechen.

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Schädelkult

Schädel in Kürbisschale, Privatsammlung Fon, Benin, 19. Jh. Schädel in einem Kürbis mit organischem Material, Erde und Seife sowie dem eisernen Symbol des Donnergottes Hevioso. Das Ensemble fand Verwendung bei Zeremonien der Voodoo-Religion. © Hugo Maertens, Brügge
Totenschädel in Kürbisschalen wurden im 19. Jahrhundert bei Voodoo-Zeremonien in Benin verwendetBild: Hugo Maertens, Brügge

Als der Künstler Damien Hirst einen Schädel mit 8601 Diamanten besetzen ließ, auf die Stirn einen 52-Karat-Diamanten setzte und das Werk im Jahr 2007 auch noch für 75 Millionen Euro verkaufte, schüttelten viele Menschen nur noch den Kopf angesichts eines derart überhitzten Kunstbetriebs. Doch vielleicht zeigte der hohe Preis des "Kunstwerks" auch, welche Faszination der Kopf eines Verstorbenen auf uns Lebende ausübt. Schädel - das können Trophäen von Kopfjägern sein, Reliquien, Gefäße oder gar Schmuck. Mit der Ausstellung "Schädelkult - Kopf und Schädel in der Kulturgeschichte des Menschen" (2. Oktober 2011 - 29. April 2012) wagen die Reiss-Engholm-Museen in Mannheim zum ersten Mal überhaupt einen internationalen kulturellen Schädelvergleich. Zu sehen sind mehr als 300 Exponate: Jahrtausende alte Schädelschalen, kunstvoll geschmückte Kopfjägertrophäen oder religiös-verehrte Schädelreliquien genauso wie modische Schädel-Accessoires.

Deutscher Buchpreis 2011



Der Deutsche Buchpreis ist so etwas wie der Ariadnefaden im Labyrinth deutschsprachiger Neuerscheinungen. 198 Titel wurden eingereicht, die zwischen Oktober 2010 und September 2011 veröffentlicht worden sind. Sechs Finalisten haben es in die Endrunde geschafft. Der Deutsche Buchpreis ist mit 25.000 Euro dotiert und wird am 10. Oktober – dem Vorabend der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse – vergeben. "Bundesrepublikanische Anti-Idyllen sind auf der Liste ebenso vertreten wie lakonische Gesellschaftsromane über die DDR", so Jurysprecherin Maike Albath. Auf der Shortlist stehen "Gegen die Welt" von Jan Brandt, "Wunsiedel" von Michael Buselmeier, "Das Mädchen von Angelika Klüssendorf", "Blumenberg" von Sibylle Lewitscharoff, "In Zeiten des abnehmenden Lichts", von Eugen Ruge sowie Marlene Streeruwitz, "Die Schmerzmacherin".

Ehrengast Island und Frankfurter Buchmesse



Island - damit verbinden sich gemeinhin Geysire, wilde Pferde, vielleicht noch der Bankenkrach vor drei Jahren, in jedem Falle aber eine für Mitteleuropäer ganz und gar schwer fassbare Sprache. Von der Literatur des kleinen Inselstaates wußte man bislang wenig. Das ändert sich, denn "Sagenhaftes Island" ist das Gastland auf der Frankfurter Buchmesse (12. – 16. Oktober). 40 isländische Autoren sind zu Gast. Dabei wird man auch Sagas kennenlernen können – so nennt sich die traditionelle Literaturgattung, die in einer Mischung aus Fiktion und Wahrheit von den Ursprüngen des Landes erzählt. Insgesamt 400 Veranstaltungen rücken Island in den Fokus. Und daneben gibt es auch Kunst von Isländern in Frankfurts Museen zu sehen.Die Buchmesse ist der weltweite Hotspot des Literaturbetriebs. 7.500 Aussteller aus 110 Ländern werden kommen, um ihre Bücher auf den Markt zu verbringen. Und man rechnet wieder mit einem riesigen Besucherandrang. Auch die Zukunft des gedruckten Buches und seine digitale Konkurrenz werden Thema sein.

Friedenspreis des Deutschen Buchhandels



Eine Traditionsveranstaltung der Frankfurter Buchmesse ist die Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels am 16. Oktober. In diesem Jahr erhält ihn der algerischen Autor Boualem Sansal. Mit seiner Wahl will der Börsenverein des deutschen Buchhandels "ein Zeichen setzen für die Demokratiebewegung in Nordafrika". Die Bücher des 61-jährigen Sansal wurden in Algerien auf den Index gesetzt. In seinen Romanen und Schriften nimmt er kein Blatt vor den Mund, sondern kämpft offen für politische Veränderungen.

Ai Weiwei in New York



Die Verhaftung des chinesischen Regimekritikers Ai Weiwei im vergangenen Jahr hat weltweit für Empörung gesorgt und eine Welle der Solidaritätsbekundungen los getreten. Von April bis Juni, nach gut zweieinhalb Monaten Haft an unbekanntem Ort, wurde der Künstler Ai Weiwei dann überraschend wieder frei gelassen. Spätestens seit seiner Festnahme ist Ai Weiwei einer der bekanntesten Gegenwartskünstler. Eine Zeit, die ihn künstlerisch stark geprägt hat, war sein Aufenthalt in New York zwischen 1983 bis 1993. Er war befreundet mit vielen Künstlern und hat dort die westliche Kunst in Galerien und Museen kennengelernt. Die zehn Jahre seines Lebens in New York hat er in über 10.000 Aufnahmen fotografisch festgehalten. Der Martin-Gropius-Bau in Berlin zeigt erstmals in Deutschland eine Auswahl von 220 Fotografien, die Ai Weiwei selbst ausgesucht hat, aus jener prägenden Zeit.

10 Jahre Jüdisches Museum



Es steht ganz oben auf der Besichtigungsliste von Berlin-Touristen. Das Jüdische Museum ist schon allein wegen seines imposanten Gebäudes, entworfen von Architekt Daniel Libeskind, weltbekannt. 750 000 Menschen sehen sich jährlich Ausstellungen zu den Themen Jüdische Geschichte, Flucht und Vertreibung, Einwanderung und Integration an. Im nächsten Jahr soll eine Akademie für wissenschaftliche Studien und Veranstaltungen hinzukommen. Auch sie wird von Daniel Libeskind entworfen. Am 24. Oktober feiert sich das Jüdische Museum anlässlich seines zehnjährigen Bestehens erstmal eine Woche lang selbst. Daniel Barenboim dirigiert Bruckners 7. Sinfonie mit der Staatskapelle in der Berliner Philharmonie. Im Anschluss erhält Angela Merkel den Preis für Toleranz und Verständigung. Außerdem steht ein literarischer Stadtrundgang mit Texten junger Autoren auf dem Programm. Das Jubiläumssymposium am 29. Oktober hat den Titel "Visionen der Zugehörigkeit. Juden, Türken und andere Deutsche".

Deutsche Filmfestivals



Die 45. Internationalen Hofer Filmtage (25. – 30. Oktober ) könnte man als Familientreffen des jungen deutschen Nachwuchsfilms bezeichnen. Über den Roten Teppich laufen keine Hollywoodgrößen, sondern Newcomer deutscher Filmhochschulen, die in Hof ihre Erstlingsproduktionen vorstellen. Das Festival mit mehr als 70 Spiel- und Dokumentarfilmen, sowie 40 Kurzfilmen deckt beinahe das gesamte Spektrum des Films jenseits des Mainstreams ab. In den Festivalkinos der Stadt treffen sich in lockerer Atmosphäre Regisseure, Produzenten, Schauspieler, Filmfans und Touristen. Nicht nur zum Schauen, sondern auch zum Gespräch.

Im Osten der Republik kann das Leipziger Dokumentarfilmfestival (17. bis 23. Oktober) eine beeindruckend lange Tradition vorweisen. 1955 wurde es mitten im Kalten Krieg begründet, noch als deutsch-deutsches Treffen zum fachlichen Austausch über das Medium Film. Das hat leider nicht geklappt, denn das Festival wurde von den DDR-Oberen politisch instrumentalisiert, um das Ansehen des zweiten deutschen Staates aufzuhübschen. Mehr als fünfzig Jahr später greift das Festival gerne politische Umbrüche auf, um sie zum Thema zu machen. In diesem Jahr bildet der Arabische Frühling den Schwerpunkt des Programms. Vier Programmreihen zeigen Filme aus Ägypten und Tunesien. Es soll vor allem dokumentiert werden, wie die Stimmung war, bevor die Proteste losgingen, welche Moralvorstellungen herrschten und wie Verbote den Alltag dominierten.

Blick in einen Kinosaal auf der DOK Leipzig 2010 (Foto: DOK Leipzig 2011)
Das Dokumentarfilmfestival Leipzig macht politische Umbrüche zum ThemaBild: DOK Leipzig 2011
Jüdisches Museum Berlin, Besucherin im Garten des Exils (Foto: Ernst Fesseler)
Eine Besucherin des Jüdischen Museums im Garten des ExilsBild: Jüdisches Museum Berlin, Foto: Ernst Fesseler
Fotografie des Künstlers Ai Weiwei: Preacher reading Bible to man on the street. 1990 8x10 cm, Inkjet on Fantac Innova Ultra Smooth Gloss © Ai Weiwei; Courtesy of Three Shadows Photography Art Center
Ai Weiwei in New York: Preacher reading Bible to man on the street - 1990Bild: Ai Weiwei; Courtesy of Three Shadows Photography Art Center
Ein undatiertes Schwarz-Weiß-Foto des algerischen Schriftstellers Boualem Sansal (Foto: dapd)
Boualem Sansal wird mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnetBild: dapd/J. Sassier/E. Gallimard
Plakat zum Gastlandauftritt Islands bei der Frankfurter Buchmesse (Foto: Sagenhaftes Island)
Island ist Ehrengast bei der Frankfurter BuchmesseBild: Sagenhaftes Island
Die Schriftstellerin und Gewinnerin des Buchpreises 2010, Melinda Nadj Abonji (Tauben fliegen auf), bedankt sich am Montag (04.10.2010) im Römer in Frankfurt am Main unmittelbar nach der Bekanntgabe des Juryurteils (Foto: dpa)
Melinda Nadj Abonji erhielt 2010 den Deutschen BuchpreisBild: picture alliance/dpa

Lisztomanie 2011



Er war Wunderkind, Klaviervirtuose, Dirigent, Professor, Komponist von Sinfonischen Dichtungen, Vertreter der sogenannten Neudeutschen Schule, rastloser Reisender, Initiator des ersten Beethovenfestes, umschwärmter Frauenheld und wurde sogar zum Abt erhoben. Franz Liszt erblickte am 22. Oktober vor 200 Jahren in Ungarn das Licht der Welt. Deshalb feiern die drei Weimarer Liszt-Institutionen den vielseitigen Musiker und haben bereits die "Lisztomanie 2011" ausgerufen: Staatskapelle und Hochschule geben zusammen Konzerte. Dirigent des noch nie dagewesenen Projektorchesters aus Profimusikern, Professoren und Studierenden ist Christian Thielemann. Aber auch Orchester anderer Städte wie Düsseldorf oder München erinnern in zahlreichen Konzerten an das Ausnahmetalent.

Liszt-Statuen stehen am 16.03.2011 in der neuen Dauerausstellung im Erdgeschoss vom Liszt-Haus in Weimar (Foto: dpa)
Weimar feiert den Musiker Franz LisztBild: picture alliance/dpa

Autorin: Sabine Oelze
Redaktion: Cornelia Rabitz