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Der Drache und sein Goldschatz

Frank Sieren (Peking)11. Februar 2014

Noch liegen im Westen die größten Goldreserven. Das künftige Schicksal des Edelmetalls entscheidet sich allerdings ganz woanders – in China, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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Gestapelte Goldbarren (Foto:dpa)
Bild: picture alliance / dpa

Bisher galt Gold als Krisenmetall. Geht es der Wirtschaft schlecht, steigt der Goldpreis. Wer kurz nach Ausbruch der Finanzkrise 2008 in das Edelmetall investiert hatte, konnte seinen Einsatz in nur drei Jahren verdoppeln. Dazu muss man keine dicken Bücher lesen. Je mehr die Wirtschaft kriselt, desto schöner glänzt das Gold.

Da es nun dem Westen wieder etwas besser geht, fällt der Goldpreis wieder. Kein Wunder, sagen viele Experten: In den letzten Jahren haben sich Anleger vor allem für Gold entschieden, weil sie sich vor Inflation gefürchtet haben. Die sollte kommen, weil die Notenbanken weltweit - vor allem die USA - den Markt mit Geld geflutet haben, um die Wirtschaft zu stabilisieren. Nun läuft es wieder, die Notenpressen laufen langsamer, und der Blick auf den Goldchart sieht tatsächlich erst einmal ernüchternd aus: In nur sechs Monaten hat der Preis des Edelmetalls um gut ein Drittel nachgegeben. So schnell ging es in den letzten 30 Jahren nicht mehr runter.

Die Frage ist jedoch, wie lange diese Bauernregel noch gilt. Denn die Welt verändert sich. Vieles spricht dafür, dass der Einbruch des Goldpreises nur eine Korrektur ist, und eben nicht die von den Experten beschworene langfristige Trendwende. Denn die, die jetzt auf einen sinkenden Goldpreis setzen, beleuchten das Thema aus einer zu westlichen Sicht. Sie vergessen einen wichtigen Spieler: China.

Goldmarkt China

Nirgendwo sonst wird momentan so viel Gold nachgefragt und aufgekauft wie im Reich der Mitte. Wurden dort 2012 noch rund 830 Tonnen verbraucht, waren es 2013 bereits rund 1000 Tonnen. Damit geht mittlerweile rund ein Drittel des weltweit pro Jahr nachgefragten Goldes nach China. Das ist sogar so viel, dass der Drache erstmals den goldenen Tiger auf dem indischen Subkontinent als größten Goldimporteur abgelöst hat.

Frank Sieren, DW-Korrespondent in Peking (Foto: DW/Frank Sieren)
Frank Sieren, DW-Korrespondent in PekingBild: Frank Sieren

Dabei sind die Inder seit jeher verrückt nach dem Edelmetall. Traditionell besteht die Mitgift für die Frau aus Goldschmuck, und mit steigendem Wohlstand der Inder wächst die Nachfrage nach dem Edelmetall. Ähnliches wie in Indien - und generell in Asien - passiert nun auch in China, allerdings in wesentlich größerem Maßstab. Die Wirtschaftskraft Chinas ist etwa vier Mal so groß wie die Indiens. Besonders vor dem Frühlingsfest, dem chinesischen Neujahr Ende Januar, ist Schmucksaison. Und: Wer gut verdient hat, kauft schon mal eine zweite Kette. Vor allem, wenn schon Designermöbel in der Wohnung stehen und ein deutsches Auto vor der Tür parkt .

Volk und Staat setzen auf Gold

Aber nicht nur der reiche Chinese, sondern auch die Regierung setzt immer mehr auf das Edelmetall. Peking muss seine gigantischen Devisenreserven anlegen. Gold kommt da gelegen, um zu diversifizieren. Da Volk und Staat nach Gold lechzen, muss sich China immer mehr am Markt bedienen. Schon die erste Kaufwelle sorgte dafür, dass die Preise in den letzten Monaten nicht noch mehr einbrachen. China wird noch weiter kräftig kaufen und dafür sorgen, dass die Preise wieder steigen. Ähnlich verhielt sich die Volksrepublik vor einigen Jahren als die Welt in die Krise rutschte. Damals befanden sich die Preise für Industrierohstoffe wie Kupfer oder Aluminium im freien Fall. Niemand kaufte mehr ein. Außer den Chinesen. Der Grund? Auch sie hielten sich an eine einfache Regel: Kaufen, wenn die Preise günstig sind. Der Effekt war deutlich. Die Nachfrage stieg und damit wieder die Preise.

Sollten die Finanzgurus im Westen bei ihrer Ansicht bleiben, dass auf Grund der genesenden Weltwirtschaft der Goldpreis niedrig bleiben wird, könnten sie eine böse Überraschung erleben. Der chinesische Markt ist fraglos groß und dynamisch genug, um auch hier einen Einfluss auszuüben. Geht der Einkaufswahn weiter wie bisher, wird er den Goldpreis steigen lassen. Eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. China ist Schauplatz der größten physischen Verschiebung des Edelmetalls - also in Barren und Münzen - in der Geschichte des Goldmarktes. Mit ihren unkonventionellen Lösungsansätzen in wirtschaftspolitischen Fragen lagen die Chinesen jedenfalls schon oft richtiger als die alten Lehrtexte der westlichen Finanzelite.