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Serie: Menschen im Krieg: Franz Marc (Teil 10)

Tillmann Bendikowski9. Mai 2014

Zwischen Kriegsbegeisterung und Skepsis: Wie haben die Deutschen den Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren erlebt? Wir zeigen deutsche Schicksale 1914. Diese Woche: Franz Marc.

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Künstler Franz Marc 1910 c: Ullstein-Bild
Bild: ullstein bild/Keystone

Wenn Soldaten in diesem Krieg ihren Angehörigen einen Brief von der Front schicken, dann versuchen sie oft, diese trotz der großen Gefahr zu beruhigen. Das tut am 4. März 1916 auch der Künstler Franz Marc, als er seiner Frau schreibt: "Sorg Dich nicht, ich komme schon durch, auch gesundheitlich. Ich fühl mich gut und geb sehr acht auf mich." Noch am selben Tag wird er als Leutnant der Reserve bei einem Melderitt an der Front nahe Verdun von einem Granatsplitter tödlich getroffen. Mit dem Maler, der schon damals zu den größten expressionistischen Talenten im Umkreis der Gruppe "Blauer Reiter" gehört, fällt wieder einer jener prominenten Künstler, die sich im Sommer 1914 freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet haben.

Dabei ist es keineswegs ein überschäumender Patriotismus, der Franz Marc als 34-Jährigen dazu veranlasst, sich gleich zu Kriegsbeginn an die Front zu melden. Fast nüchtern greift er zur Waffe, glaubt daran, dass ein "krankes" Europa durch einen solchen Krieg "gesunden" könnte. Von einer "Reinigung" ist bei ihm wie anderen Intellektuellen die Rede. Da der gesamte Expressionismus von einer eigentümlichen Sehnsucht nach Reinigung und einer diffusen Hoffnung auf einen neuen Morgen erfüllt ist, sind gerade diese Künstler paradoxerweise besonders anfällig für eine eigentümliche Romantisierung des Krieges. Franz Marc will nicht abseits stehen. Im November 1914 schreibt er seiner Mutter, dass er trotz der schmerzhaften Trennung von Zuhause doch froh ist, an den Kämpfen teilnehmen zu können: "Ich würde mich zu Hause bedrückt und krank fühlen. So lebe und erlebe ich alles mit." Zumindest aus der Distanz muss er allerdings bald auch erleben, dass sein enger Freund August Macke, der sich ebenfalls freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet hatte, im September 1914 getötet wird. Aber Franz Marc lässt sich von diesem persönlichen Verlust zunächst nicht von seiner generellen Zustimmung zu diesem Krieg abbringen.

Erst allmählich wird dem Künstler immer klarer, dass dieser Krieg in Wirklichkeit keine neuen Perspektiven für Europa bietet und dass von jedweder Form der "Reinigung" überhaupt nicht die Rede sein kann. "Die Welt ist um das blutigste ihres vieltausendjährigen Bestehens reicher", notiert er stattdessen am Neujahrstag 1916. Jetzt gelte es eigentlich nur noch, diese Katastrophe in ihren Ursachen zu begreifen und "Gegengedanken zu bilden". Doch dazu wird Franz Marc keine Gelegenheit mehr haben.