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Politik

Der Auswanderer nach Nordkorea

Fabian Kretschmer
9. Juli 2019

Der Sohn eines ehemaligen südkoreanischen Außenministers ist nach Nordkorea ausgewandert. Der spektakuläre Fall ist eigentlich eine Familientragödie, sorgt aber in Südkorea für Unverständnis. Fabian Kretschmer aus Seoul.

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Choe In-guk
Choe In Guk ist nach Nordkorea ausgereistBild: picture-alliance/AP Photo/Uriminzokkiri

Als am vergangenen Samstag der 73-jährige Südkoreaner Choe In Guk am Flughafen von Pjöngjang eintrifft, heißen ihn nordkoreanische Parteikader willkommen. Der Neuankömmling wolle sich in Nordkorea niederlassen und sein Leben der "koreanischen Wiedervereinigung widmen", berichtet die vom nordkoreanischen Regime betriebene Propaganda-Webseite Uriminozokkiri. Ebenso soll Choe In Guk hinzugefügt haben: "Nordkorea ist mein wahres Vaterland."

In Südkorea ist nicht nur die Öffentlichkeit über die spektakuläre Ausreise irritiert, sondern auch die Regierung. Aus dem Seouler Vereinigungsministerium heißt es, dass man die genauen Umstände von Choes Fall noch prüfen müsse.

Nordkorea Pjöngjang | Feier Geburtstag Kim Il-sung
Choes Großvater galt als Mentor des Staatsgründers Kim Il Sung (Bild)Bild: Reuters/KCNA

Choe reist ohne Genehmigung aus

Eine Regierungsgenehmigung für die Einreise in den Norden, die jeder südkoreanische Staatsbürger benötigt, habe Choe jedenfalls nicht besessen, heißt es weiter. Bei einer Rückkehr nach Südkorea müsse er mit einem Prozess rechnen. Der Grenzübertritt in den Norden ohne Genehmigung ist in Südkorea strafbar.

Seit dem Koreakrieg (1950-53) lassen sich solche Ausreisen von Süd- nach Nordkorea an zwei Händen abzählen. Die meisten flohen vor Strafverfolgung oder persönlichen Problemen. So suchte etwa 2014 ein Südkoreaner in Pjöngjang Asyl, weil er seine Geldschulden nicht zahlen konnte. Jedoch wurde er nur wenig später vom Kim-Regime gnadenlos abgeschoben. 

Krieg, Teilung und Diktatur

Choes Familiengeschichte ist eng mit der Geschichte seines Landes verknüpft. Sein Großvater galt als Mentor des nordkoreanischen Staatsgründers Kim Il Sung. Dieser hatte in den 1920er Jahren eine Militärakademie in China besucht, die von Choes Großvater gegründet wurde.

Südkorea - gewählte Präsidentin Park Geun-hye und Präsident Park Chung-hee
Präsident Park Chung Hee (r.) und seine Tochter, die spätere Präsidentin Südkoreas Park Geun-hyeBild: picture-alliance/dpa/Yonhap

Choes Vater Choe Dok-sin studierte vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs Germanistik an einer chinesischen Militärschule, wurde nach dem Krieg südkoreanischer Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland und Außenminister.

Während der Militärdiktatur in Südkorea unter Park Chung Hee, der von 1963 bis 1979 fünf Amtszeiten in Folge Präsident war, wandte er sich jedoch vom amtlichen Kurs ab. Mit seiner Frau Ryu Mi-yeong zog er 1976 ins US-amerikanische Exil, wo sich das Paar als Oppositionelle gegen die Militärjunta engagierte.

1986 schließlich sorgte das Paar weltweit für Schlagzeilen, als es nach Nordkorea auswanderte. Choes Vater zählte in Pjöngjang zur politischen Elite, doch verstarb nur wenige Jahre später. Seine Frau Ryu lebte als Vorsitzende der "Partei der Jungen Freunde der Chondo-Religion", einer Blockpartei in Nordkorea, bis zu ihrem Tod 2016. Beide wurden am Pjöngjanger Märtyrer-Friedhof begraben: eine Ehre, die nur ausgewählten Bürgern vom nordkoreanischen Regime zugeteilt wird.  

Südkorea schickt Zug nach Nordkorea
Grenze zwischen Süd- und Nordkorea: Ein geteiltes Korea nach dem KriegBild: picture-alliance/dpa/Pool Reuters/K. Hong-Ji

Stigmatisiert im Süden

In Südkorea ließen sie ihren Sohn Choe In Guk zurück, der nach Schilderungen der südkoreanischen Medien ein schwieriges Leben führte. Als "Sohn von Landesverrätern" wurde er gesellschaftlich stigmatisiert. Zudem stand er Jahrelang unter Beobachtung des südkoreanischen Geheimdienstes. Erst nach der Demokratisierung Südkoreas wurde ihm erlaubt, die Grabstätten seiner Eltern in Nordkorea zu besuchen. 

In seiner jetzigen Heimat Pjöngjang wird Choe In Guk zweifelsohne ein privilegiertes Leben führen. Das Kim-Regime schlachtet den Fall als Propagandasieg aus und verkauft ihn an seine Bevölkerung als vermeintlichen Beweis für die Überlegenheit des nordkoreanischen Systems.

Doch für dieses Leben im kommunistischen Norden zahlt Choe In Guk einen hohen Preis. In Südkorea lässt er seine Frau und zwei Kinder zurück. Ob er sie jemals wird wiedersehen können, ist fraglich.